Vorsicht: Gedankenspiel. Der Saal ist voll, die Nominierten haben sich versammelt. Es ist der 23. September 2012 und an diesem diesem Abend wird zum 64. Mal die wichtigste TV-Trophäe des US-amerikanischen Fernsehens in 18 Kategorien verliehen. Man nehme die sechs Nominierten in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller in einer Comedy-Serie“ Alec Baldwin, Don Cheadle, Larry David, Louis C.K., Jim Parsons und Jon Cryer und gruppiere ihre Serien-Alter-Egos grob nach deren Charakterzügen.

Als Ergebnis würden sich schließlich drei Zweierpaare herauskristallisieren, die sich jeweils Hand in Hand von ihren Sitzen im Publikum auf die Emmy-Bühne zubewegen würden. Dem festlichen Anlass gemäß, wäre Anarchie in diesem kurzen Moment ein Fremdwort, stattdessen spazieren sie in Reih und Glied geordnet, als Duos gepaart nach vorne. Doch eine Chronologie müsste wegen des Willens zur Ordnung eben doch gefunden werden. Die Frage ist also, wer würde in dieser Konstellation den "March on Stage" anführen und die Trophäe als erstes erreichen und wer als letztes? Wer würde sich bei all den Fachmännern der Komik durchsetzen und für wen hätte es sich ausgelacht?

Mit allen Mitteln um die Anführerschaft kämpfen, würden sicherlich die Figuren Jack Donaghy (Alec Baldwin) aus der NBC-Serie „30 Rock“ und Marty Kaan (Don Cheadle) aus der erst in diesem Jahr bei Showtime angelaufenen Serie „House of Lies“. Beide sind in ihren Rollen von sich überzeugte Workaholics, Alphatiere durch und durch, die auf Erfolg getrimmt sind, gerne mit dem weiblichen Geschlecht spielen und nicht davor zurück schrecken, zum Zwecke der Gewinnmaximierung unter den einen oder anderen Rock zu schauen. Charmante Geschäftsmänner bis in die Fingerspitzen und auch wenn sie selbst nicht direkt kreativ arbeiten, ist das Arbeitsumfeld mehr oder weniger das der Kreativen.

Jack Donaghy, der Vize-Präsident der NBC-Fernsehprogrammierung mit zusätzlichem Zuständigkeitsbereich „Mikrowellentechnik“ steht der Chefautorin einer fiktiven Sketch-Show Liz Lemon (Tina Fey) als Gegenspieler gegenüber, zu der er aber auch ein Vertrauensverhältnis pflegt – er ist seit sechs Staffeln erstaunlich und gemessen an geläufigen Standards ungewöhnlich ehrlich, ein Erfolgsmensch, der seine Lebensphilosophien gerne mit seinen Arbeitskollegen teilt. Bereits zwei Mal und zwar in den Jahren 2008 und 2009 konnte diese Rolle mit dem Emmy ausgezeichnet werden. Alec Baldwin selbst bringt es auf insgesamt 13 Nominierungen und wurde in seiner Emmy-Historie bislang nur für diese Rolle ausgezeichnet. Der New Yorker mit europäischen Wurzeln musste die Trophäe in den zwei darauffolgenden Jahren nämlich Jim Parsons („The Big Bang Theory“) überlassen.

Der zweite Part der auf dem Papier als Traumpaar ausgewiesenen Konstellation, Marty Kaan, verdient sein Geld als Unternehmensberater in der Firma „Galweather & Stearn“. Ein windiger Hund, Halsabschneider und extrovertierter Don Juan, der für die eigenen Kunden hinterlistig die Konkurrenz bespitzelt, aber bei aller Skrupellosigkeit eben doch irgendwie auch smart ist: Das Arschlochgen, das aber in Begleitung mit einer Portion Charme daher kommt und beispielsweise in Dr. House und Don Draper in Perfektion umgesetzt ist. Hauptmakel ist dabei, dass die Unternehmensberatung „Galweather & Stearn“, für die Kaan mit seiner scharfsinnigen Kollegin Jeanie Van Der Hooven (Kristen Bell), einer ehemaligen Eliteschülerin und einem Team aus weiteren Mitarbeitern so erfolgreich wie möglich agieren will, hinter der Top-Agentur „Kinsley“ jedoch nur als Nummer zwei rangiert.

Die neue Showtime-Serie basiert übrigens auf dem Buch „House of Lies: How Management Consultans Steal Your Watch and Tell You the Time“ eines ehemaligen Unternehmensberaters, der vor allem die List der Berufsgruppe in den Fokus rückt und in einer beißenden Satire aufzeigt, wie aus wenig viel gemacht werden kann. Da es sich in der nominierten Rolle um die erste Staffel handelt, stellt dies eine Premiere für die Figur des Marty Kaan dar, nicht aber für den Schauspieler Don Cheadle, der sie verkörpert. Er selbst war bereits fünf Mal für den Emmy nominiert, konnte den Preis aber noch nie mit nach Hause nehmen - außerdem ist diese Nominierung die einzige für die neue Serie „House of Lies“. Das letzte Mal leer aus ging Cheadle vor fast einem Jahrzehnt als er für die Beste Gastrolle in einer Drama-Serie („ER“) nominiert war. Auch für einen Oscar war das feste Mitglied der „Oceans-Reihe“ und Liebling des Regisseurs Steven Soderbergh, der ihn bereits für fünf seiner Kinofilme besetzt hat, bereits nominiert und zwar für den Film „Hotel Ruanda“ im Jahr 2005.