"Lebe deine Leidenschaft". Unter diesem Motto konkurrierten die qualifizierten Sportler bei den 31. Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro dieses Jahr miteinander. Mit weniger sportlich legitimiertem Anstrengungsschweiß wird es im Vergleich dazu bei der 68. Verleihung der Emmys zugehen, die im Gegensatz zum nur alle vier Jahre zelebrierten Groß-Event jährlich stattfindet. Rücken und Achseln dürften am Abend des 18. Septembers bei den Kontrahenten wohl eher aufgrund von Nervosität und weniger als Konsequenz von Aktivität feucht werden.

Wenn man aus Sicht von HBO auf die letztjährige Veranstaltung blickt, so geschieht dies wohl am ehesten in Verbindung mit einem Lächeln. Dort galt nämlich: HBO, HBO und nochmals HBO. Alle drei hauptsächlichen Genre-Kategorien für fiktionale Produktionen gingen bei den 67. Emmy-Awards an den Pay-TV-Sender: "Game of Thrones" gewann den Preis für die beste Drama-Serie, "Olive Kitteridge" wurde als beste limitierte Serie ausgezeichnet und "Veep" setzte sich im Bereich der Comedy-Serien gegen den Mehrfachgewinner "Modern Family" durch. Dass in diesem Jahr die Zeichen auf Wiederholung stehen, ist jedoch noch unwahrscheinlicher als ein erneuter Weltrekord von Carl Lewis über 100 Meter. In der Kategorie der limitierten Serien befindet sich schlicht und einfach keine HBO-Produktion.

Anders sieht dies bei den Comedy-Serien aus. Auch in diesem Jahr haben es wieder zwei Serien des Pay-TV-Senders in diese Kategorie geschafft. Neben Vorjahressieger "Veep" konnte sich das dritte Jahr in Folge "Silicon Valley" qualifizieren. Und beide tun dies mit einem Ausrufezeichen. Nachdem es in den letzten beiden Jahren jeweils neun Nominierungen für die Serie mit Julia Louis-Dreyfus als "Veep" - Abkürzung für vicepresident - gab, sind es in diesem Jahr sage und schreibe 16 für den Titelverteidiger. Seit dem ersten Jahr der Emmy-Teilnahme, bei der es lediglich drei Nominierungen gab, konnte sich "Veep" Jahr für Jahr steigern. Diesmal verbucht sie nun also ihren Highscore und ließ zudem nur drei Nicht-Comedy-Serien mit mehr Nennungen an sich vorbeiziehen.

In Sichtweite befindet sich "Silicon Valley", das sich ebenfalls steigern konnte. In der Liste der meist nominierten Serien rangiert das clevere "The Big Bang Theory" um die IT-Spezialisten mit sozialen Defiziten als Comedy-Serie mit den zweithäufigsten Nominierungen. 2014 waren es fünf, ein Jahr später sieben und in diesem Jahr ist man bei einer zweistelligen Zahl angekommen. Ins Rennen geht die HBO-Comedy mit elf Chancen auf eine goldene Dame. Damit kommen die beiden Serien "Veep" und "Silicon Valley" summiert auf eine Zahl von 27 - das humoristische Fach wird demnach klar von HBO dominiert. Wenn es nach dem Papier geht, ist HBO's stärkster Konkurrent HBO. In der Top-Ten-Liste der meist nominierten, fiktionalen Serien befindet sich an neunter Stelle lediglich noch Amazons "Transparent". 

Dabei ist eine Überlegenheit in dieser Kategorie historisch gesehen keineswegs zwangsläufig: Abgesehen von letztem Jahr gelang es HBO seit Anbruch der Nuller-Jahre lediglich ein Mal, sich gegen die Network-Konkurrenz erfolgreich durchzusetzen. Das war im Jahr 2001, als der HBO-Klassiker "Sex and the City" als beste Comedy ausgezeichnet. Zwischen besagtem Jahr und 2014 gingen die Preise vornehmlich in die Häuser NBC und ABC. Unvergessen ist der Siegeszug der auch dieses Mal wieder nominierten Mockumentary "Modern Family", die fünf Mal in Folge die Ziellinie überschritt und erst 2015 von "Veep" gestoppt werden konnte.

Ein weiterer, gegenläufiger Faktor überrascht jedoch: Auch wenn sich der Pay-TV-Sender traditionell im Vorfeld der Verleihung an die Spitze bei der Wertung nach Plattform setzt und dies auch in diesem Jahr wieder tut, so ist die Zahl rückläufig. Von 126 im Jahr 2015 ging es runter auf 94 Nominierungen - der schlechteste Wert seit 2012. Dies könnte ungeachtet des eindrucksvollen Auftretens im Comedy-Bereich das unterstreichen, was vielfach über HBO geschrieben wurde. Der Sender hat zwar noch das bald endende "Game of Thrones", ansonsten dieser Tage aber ein echtes Problem im Segment der Drama-Serien. Stichwort "Vinyl": diese kostspielige Prestige-Produktion von unter anderem Martin Scorsese und Mick Jagger wurde bereits nach einer Staffel für beendet erklärt. Und das obwohl schon eine zweite Staffel geordert worden war.

Auch wenn es HBO aktuell in dieser Hinsicht an Breite und Nachschub mangelt, so könnte der Sender bei der anstehenden Gala jedoch im besagten Feld punkten. Denn da wäre zusätzlich zur Kategorie der besten Comedy-Serie ja noch die der besten Darstellerinnen. Anders als bei den Herren und der Liste der Gewinner der Kategorie "Beste Comedy" überragt der Pay-TV-Sender die klassischen Networks dort in den zurückliegenden Jahren klar. Julia Louis-Dreyfus läuft in Usain-Bolt-Manier im Feld der "Besten Hauptdarstellerinnen" allen anderen Teilnehmerinnen davon. Sogar vier Jahre in Folge und im Unterschied zum Jamaikaner ohne Aussicht auf Karriereende. Analog zum aktuell schnellsten Mann der Welt, könnte sie sich durch einen erneuten Sieg beinahe unsterblich machen und gleich zwei nennenswerte Rekorde für sich reklamieren: keiner anderen Frau gelang es, diese Kategorie fünf Mal in Folge - sogar für die gleiche Rolle - zu gewinnen. Zusammen mit ihrem Emmy für "The New Adventures of Old Christine" könnte sie also gleich sechs Trophäen für die beste schauspielerische Leistung für eine Hauptdarstellerin einer Comedy-Serie ihr Eigen nennen. Auch dies kann bislang keine Frau von sich behaupten.

Apropos Karriereende und gelebte Leidenschaft im Kontext des Wettstreits: Lange kämpfte besagte Vizepräsidentin Selena Meyer in "Veep" dafür, die oberste Stufe der Karriereleiter zu erklimmen. Auch wenn sie einen medial kreierten "black wednesday" eher mit einem Schnäppchen-Mittwoch verbindet als mit einer wirtschaftlich prekären Situation Mitte der Woche, ließ sie das "Vize" hinter sich und konnte mit mehr Wollen statt Können schließlich ins höchste Amt der USA stolpern. Da die männlich geprägte Serie "Silicon Valley" keine Frau in der Kategorie stellen kann, bleibt ein Fotofinish mit Louis-Dreyfus zumindest aus. Die Möglichkeit auf einen siegreichen Abend hat jedoch zum ersten Mal Thomas Middleditch für seine Rolle des Richard Hendriks, der den Tech-Traum im Silicon Valley versucht zu leben. Leidenschaft und Können inklusive. In einem sind sich Louis-Dreyfus und Middleditch sicherlich einig: "Dabei sein ist alles" ist schön, gewinnen aber noch schöner.