Frauen-Power auf der Bühne und Relevanz in Dankesreden

Sie waren politisch, die 69. Primetime Emmy Awards und auch schon die Creative Arts Emmys am Wochenende zuvor. Doch während das insbesondere der US-Innenpolitik geschuldet war, gab es auch gesellschaftspolitische Signale dieser Preisverleihungen, die weit über die Grenzen der USA hinaus von Bedeutung sind: Die Emmy-Saison 2017, sie war eine Saison der starken Frauen vor und hinter der Kamera. „The Handmaid’s Tale“ erzählt eine dramatische Geschichte über die Diskriminierung von Frauen, geschrieben von einer preisgekrönten Autorin und gespielt von jetzt preisgekrönten Schauspielerinnen. Genauso sieht es aus bei der HBO-Miniserie „Big Little Lies“. Aber es hört dort nicht auf. Der Preis für die beste Regie ging an Reed Morano, Regisseurin von bei „The Handmaid’s Tale“ und Lena Waithe („Master of None“) wurde als erste schwarze Frau mit einem Emmy für Outstanding Writing for a Comedy Series ausgezeichnet.

Dass „Veep“ mit Julia Louis-Dreyfus an der Spitze erneut abräumte bereichert das Gesamtbild der herausragenden Frauen im US-Fernsehen bei den diesjährigen Emmys. In der LateNight dominieren noch die Männer, aber Samantha Bee hat mit einem Emmy bei den Creative Arts Emmys die Männerriege schon mal aufhorchen lassen. Ohnehin: Schon am ersten Abend der Creative Arts Emmys waren mit dem Emmy für „Leah Remini: Scientology and the Aftermath“ als Outstanding Informational Series und dem Emmy für „Viceland at the Women’s March“ starke Fernsehmacherinnen auf der Bühne. Darüber kann man sich freuen, aber muss auch bedenken: Hier zeichnen die Preisverleihungen ein Bild der Gleichberechtigung, dass im Alltag der US-Fernsehbranche sich so auch noch nicht wiederfindet. Von gleicher Bezahlung einmal ganz abgesehen.

Doch nicht nur der Kampf für Gleichberechtigung war ein politisches Anliegen bei den diesjährigen Emmy-Verleihungen. Generell waren die Dankesreden und so manche Laudatio von Relevanz. Ob es um unterschätzte Verbrechen, Ungerechtigkeiten aller Art oder eben Donald Trump ging - die Emmys 2017 waren reich an Fernsehmacherinnen und Fernsehmacher mit einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein. Natürlich gab es auch die rührenden, persönlichen Dankesreden mit Grüßen an Familie und Weggefährten. Doch den kurzen Moment der ungeteilten Aufmerksamkeit im Rahmen der live übertragenen Verleihung der Primetime Emmys wollten so viele Preisträger wie noch nie für ein Anliegen nutzen. Auch das machte die Verleihung in diesem Jahr so sehenswert. Nichts geht über Live-Fernsehen von unberechenbarer Relevanz.

NBC beweist: Das werbefinanzierte, lineare Fernsehen lebt

Wobei wir beim Lebenszeichen des linearen Fernsehen wären. Nein, es geht dabei nicht um die Quote der diesjährigen TV-Gala. Es geht um die Präsenz des werbefinanzierten Fernsehens - also jener Networks wie NBC - bei einer Preisverleihung, die in den letzten Jahren ganz im Zeichen von Pay-TV, Kabelsendern und Streamingdiensten stand. Networks hatten es immer schwerer, sich mit Programmen bei den Mitgliedern der Television Academy durchzusetzen. Network-Fernsehen galt nicht als preiswürdig. Doch NBC durchbrach diese vermeintlich unaufhaltsame Abwärtsspirale in diesem Jahr. Mit insgesamt 15 Emmys aus allen drei Verleihungen der vergangenen Tage belegt der werbefinanzierte Free-TV-Sender den dritten Platz im Network-Ranking, hinter HBO und Netflix. Wobei zu erwähnen ist: Netflix räumte bei den Creative Arts Emmys ab. Im Rahmen der im TV übertragenen Primetime Emmys lag NBC sogar vor Netflix und auch noch vor Hulu.

NBC verdankt diesen Erfolg in allererster Linie dem sensationellen Abräumen von „Saturday Night Live“, das fast in jeder Kategorie gewonn, in der es gewinnen konnte. Es zeigt sich: Mit Aktualität und Talk-of-the-Town-Momenten, die man nicht verpassen sollte, kann lineares Fernsehen gegen non-lineares Programm punkten. Mit einem sicher verdienten aber wenig inspirierenden Emmy für „The Voice“ kassiert NBC auch in der Primetime-Unterhaltung einen Preis ab und der persönliche Emmy für Sterling K. Brown und seine Hauptrolle in „This is us“ würdigte die fiktionalen Bemühungen von NBC in der vergangenen Saison. Das starke Abschneiden von NBC ist ein wichtiges Lebenszeichen des werbefinanzierten Fernsehens im qualitativen Wettbewerb. Das kann auch ein Wink für den deutschen Markt sein: Es kommt nicht auf das Medium an, sondern darauf, was man daraus macht.