Herr Frouman, Herr Schmidt, sechs Jahre nach Ende Ihrer Zusammenarbeit bei der ProSiebenSat.1-Tochter Red Arrow Studios hat die Netflix-Serie "Bad Boy" Sie als Koproduzenten wieder zusammengeführt. Wie kam es dazu?
Michael Schmidt: Über die Idee zu "Bad Boy" haben wir mit Ron Leshem, dem Creator von "Euphoria", schon gesprochen, als es Sipur Studios in der jetzigen Form noch gar nicht gab. Unser Co-Founder und CEO Emilio Schenker ist seit langem mit Ron befreundet, Jan und ich kennen Ron noch aus Red-Arrow-Zeiten. Ron hat die Serie in Israel mit Tedy Productions aufgesetzt und an den TV-Sender Hot verkauft. Alle zusammen sind dann zu uns gekommen, um Sipur als Koproduzenten zu gewinnen und "Bad Boy" so auszustatten, dass es internationales Marktpotenzial erlangt. Das war der Punkt, an dem wir nach weiteren Partnern gesucht haben. Unser allererstes Telefonat war mit Jan. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat, aber innerhalb von 24 Stunden kam die Zusage von North Road.
Jan Frouman: Es war ein bisschen spontan und ein bisschen opportunistisch. Unser Chairman Peter Chernin und ich haben das Drehbuch übers Wochenende gelesen und fanden es großartig. In erster Linie ist North Road ein US-Studio. Wir wissen, wie man Top-Serien, -Filme, -Dokus und -Realitys produziert und verkauft. Aber manchmal muss man eben flexibel sein. Du liest ein super Buch von einem Top-Autor, der schon einen Hit in Amerika hatte. Unser Investment war relevant, aber nicht riskant. Also haben wir gesagt: Let's go for it, das lohnt sich.
Etliche israelische Serien sind in der Vergangenheit erst lokal erfolgreich gelaufen und haben dann ihren Weg auf die internationalen Märkte gefunden, sei es im Original oder als Adaption. Ist es Ihre Absicht, diesen Prozess abzukürzen?
Schmidt: Das liegt in der DNA von Sipur Studios. Wir priorisieren Investitionen in Programme, die global funktionieren können. Dabei verwenden wir viel Energie darauf, von vornherein Brücken zu bauen, damit ein Partner wie North Road ruhig schlafen kann. Es ist ja durchaus eine Herausforderung, aus einem kleineren Markt wie Israel heraus auf einem globalen Netflix-Niveau zu produzieren und die Erwartungshaltung, die große Streamer haben, zu erfüllen.
Frouman: Märkte wie Israel haben ein unglaubliches Kreativniveau, aber deren Preis-Leistungs-Verhältnis ist – gerade aus amerikanischer Sicht – noch viel unglaublicher. Wenn man dann die Chance hat, ein Serienprojekt, bei dem man sicher ist, dass es gut werden wird, durch ein überschaubares Investment aufs nächste Level zu heben, kann das eine sehr attraktive Rechnung sein.
Ein Amerikaner in London: Jan Frouman, 54, steuert seit 2022 als President International das außeramerikanische Geschäft der North Road Company, in der Ex-Fox- und -NewsCorp-Chef Peter Chernin seine Beteiligungen an Produktionsfirmen gebündelt hat. North Road hatte ProSiebenSat.1 2022 die US-Töchter von Red Arrow abgekauft, darunter Kinetic Content und Left/Right. Frouman war 15 Jahre für ProSiebenSat.1 tätig und baute die Red Arrow Studios als Chairman & CEO auf. Von 2020 bis 2022 war er CEO von Telepool. Ein Deutscher in New York: Michael Schmidt, 52, ist seit Anfang 2023 President der israelischen Sipur Studios, die Filme, Serien, Dokus und Reality-Formate für den internationalen Markt entwickeln, finanzieren und produzieren. Zuvor stand er 14 Jahre in Diensten von ProSiebenSat.1, erst als Comedy-Chef bei ProSieben, dann als Unterhaltungschef aller deutschen Sender und schließlich als Chief Creative Officer der Red Arrow Studios. Frühere Stationen waren RTL, Viva, Brainpool und ITV Studios.Über Jan Frouman und Michael Schmidt
Geht es also vor allem ums Budget oder hat North Road auch andere Aspekte eingebracht, die "Bad Boy" ohne die Koproduktion nicht gehabt hätte?

Schmidt: Das fängt damit an, dass Jan und ich in den Budgetverhandlungen als erstes einen Posten für Übersetzungen kalkuliert haben. Wir reden ja über eine hebräische Serie. Alle Drehbücher mussten also ins Englische übersetzt, alle Dailys und Rohschnitte auf Basis dieser Übersetzung untertitelt werden. Wenn das keine Zeit kosten soll, kostet es automatisch mehr Geld. Außerdem hat Jan bei North Road ein erfahrenes Team hinter sich, das wirklich fantastische Feedbacks gegeben hat, die alle eingeflossen sind und die Serie besser gemacht haben. Mit anderen Partnern, die sich sowohl im US-Markt als auch international nicht so gut auskennen und nicht so gut vernetzt sind, wäre das wesentlich schwieriger geworden.
"Bad Boy" stand mehrere Wochen in den globalen Netflix-Top 10 der nicht-englischsprachigen Serien und ist die bislang meistgesehene israelische Netflix-Serie 2025. Wie geht es mit dem Format weiter?
Frouman: Wir sind in Gesprächen über eine zweite Staffel und tun unser Bestes, um den Stoff auf dem hohen kreativen Level der ersten Staffel weiterzuentwickeln. Gleichzeitig sind meine Kollegen von North Road TV in Los Angeles sehr aktiv im Markt unterwegs, um ein US-Remake auf den Weg zu bringen.
Wir sind an Bord einer deutsch-französisch-niederländischen Koproduktion, nämlich der sechsteiligen Serie "Etty".
Michael Schmidt, President, Sipur Studios
Wie gehen Sie bei der Adaption vor? Immerhin erzählt "Bad Boy" ja die sehr persönliche wahre Geschichte des israelischen Comedian Daniel Chen, der mit 13 wegen Drogenhandels im Jugendknast landete und sich in der Serie selbst spielt.
Schmidt: Genau das ist das Besondere an unserer Serie: Sie erzählt eine in Teilen wahre Geschichte um einen Comedian herum. Wenn man damit in andere Märkte geht, kommt es sehr aufs Casting an. Wer auch immer dort der Protagonist der lokalen Adaption wird, bringt vermutlich eine andere Erfahrung mit. Trotzdem kann man eine andere tatsächliche Version mit dem gleichen Konzept erzählen. Wollte man "Bad Boy" beispielsweise für den deutschen Markt adaptieren, müsste man berücksichtigen, dass Jugendknast in Deutschland nicht so drastisch ist wie in Israel. Also würde man vielleicht nach einem Comedian suchen, der eine etwas anders gelagerte, aber ähnlich harte biografische Erfahrung hat. Es geht hier mehr um eine behutsame Übertragung des Formats als um eine 1:1-Übersetzung der israelischen Drehbücher.
Haben Sie schon weitere gemeinsame Projekte?
Frouman: Ja, wir produzieren gemeinsam mit Endemol Shine Israel die Medical-Thriller-Serie "Heart of a Killer", die Ende des Jahres fertig wird. Niv Sultan, die Hauptdarstellerin von "Teheran", spielt darin eine Transplantationschirurgin, die im Netz von Korruption und Kriminalität landet, als sie zur illegalen Organentnahme greift, um einen Freund zu retten.
North Road hat 2022 die US-Beteiligungen von Red Arrow Studios übernommen und inzwischen weitere Produktionsfirmen, u.a. in Mexiko und der Türkei, akquiriert. Wie sehen Ihre weiteren Wachstumspläne aus?
Frouman: Peter Chernins Ziel war von Anfang an, ein komplett unabhängiges, gut kapitalisiertes Studio mit globaler Ausstrahlung aufzubauen. Dabei gilt es, das Premium-Niveau, für das wir mit US-Produktionen von "Planet of the Apes" bis "Back in Action", von "The Last Dance" bis "Love is Blind" stehen, auch außerhalb des amerikanischen Markts zu halten. Wo wir über Koproduktionen hinaus spannende Partner sehen, die in ihrem jeweiligen Markt Premiumprodukt liefern und eine echte Wachstumsperspektive haben, können wir uns selektive M&A-Aktivitäten vorstellen. Wobei unser Partnerschaftsmodell etwas anders aussieht als bei den meisten großen Studios. Die Produzenten unter dem Dach von North Road erhalten in der Regel einen Anteil an North Road und werden nicht einfach nur aufgekauft. Wir halten Ausschau, sind aber eher wählerisch und wollen kein Wachstum um jeden Preis.
Auch Sipur orientiert sich inzwischen über rein israelische Produktionen hinaus.

Herr Frouman, Herr Schmidt, herzlichen Dank für das Gespräch.
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