Foto: ProSiebenHerr Bartl, wie fühlt man sich jetzt als Geschäftsführer des führenden jungen TV-Senders einer pan-europäischen Sendergruppe?

Gut. Entscheidend geändert hat sich die Perspektive des Gesamtunternehmens ProSiebenSat.1 durch die jetzt pan-europäische Gruppe. Das ist etwas Neues, auf das ich mich freue.

Welche Vorteile können Sie für ProSieben in Anspruch nehmen? Gibt es konkrete Projekte?

Es wird z.B. kostengünstiger, wenn wir ein Format in einem Studio mit dem gleichen Team gleich für mehrere Länder produzieren können. Das bedeutet für mich als Sender-Geschäftsführer gleiche Programmqualität bei wirtschaftlicherer Produktion. Es gibt schon Ideen, von denen aber noch keine spruchreif ist. Aber ProSiebenSat.1 hat ja bekanntlich Tempo drauf. ProSieben wird noch 2007 von den neuen Möglichkeiten profitieren.

Wo Sie das Jahr schon ansprechen: Wie lief es bislang aus Ihrer Sicht?

2007 ist ein gutes Jahr. Wir sind auf dem Weg zu dauerhaft 12 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Das Ziel haben wir in den vergangenen Monaten auch viermal hintereinander geschafft. ProSieben ist wieder ein starker Sender. Wir haben bei den Marktanteilen gewonnen, unser Programmprofil geschärft und z.B. mit "Germany's Next Topmodel" und "Schlag den Raab" zwei Formate etabliert, über die Deutschland spricht. ProSieben ist führend bei der jungen Mediengeneration.

Wie passen überraschende Ankündigungen zum "Promi-Pilgern", Boxen und Tennis zu Ihrem Versprechen, ProSieben werde verlässlicher?

Der Widerspruch ist in der Marke angelegt. Auf der einen Seite müssen Sie Verlässlichkeit bieten, damit die Zuschauer eine Bindung zu ProSieben aufbauen können. Auf der anderen Seite sind wir eine sehr junge Marke. Unsere Zielgruppe erwartet von uns auch Innovation und Mut. Mit diesem Widerspruch können wir sehr gut leben. Am Ende des Tages ist es eine Frage der Dosierung.

Bei neuen Formaten in nahezu allen Genres fragt man sich: Wo nimmt sich ProSieben denn im Gegenzug etwas zurück?

Wir haben keine Bereiche, die wirklich schlecht laufen. Da lässt sich kein Genre grundsätzlich ausklammern.

Der Flop von "Verrückt nach Clara" war allerdings sehr eindeutig. Was macht Sie so sicher, dass "Unschuldig", eine neue eigenproduzierte Serie von ProSieben, besser laufen wird?

Es sind zwei sehr unterschiedliche Serien. Aus dem Misserfolg von "Verrückt nach Clara" lässt sich meiner Meinung nach nicht ableiten, dass ProSieben nicht erfolgreich deutsche Serien produzieren kann. Bei "Verrückt nach Clara" sind wir neue Wege gegangen und haben vor und hinter der Kamera mit einem sehr jungen Ensemble gearbeitet. Ich glaube auch nach wie vor daran, dass es eine gute Idee war. Nur vielleicht nicht für den frühen Sendeplatz um 20.15 Uhr. Bei unserer neuen Serie "Unschuldig" setzen wir mit starken Drehbüchern auf ein bekanntes Genre, die Krimiserie. Und mit Alexandra Neldel haben wir einen Topstar für die Hauptrolle gefunden, der von der Serie genauso überzeugt ist wie wir.
 


Erwartet der Zuschauer überhaupt deutsche Serien bei ProSieben? Liegt nicht darin das Problem?

Das stimmt wahrscheinlich. Momentan wird das so sein. Aber wenn Sie eine Marke wie ProSieben weiterentwickeln wollen, müssen Sie auch bereit sein, in Neuland aufzubrechen. Das hat ProSieben in den vergangenen Jahren schon oft getan. Sonst wäre ProSieben heute immer noch ein reiner Abspielsender für Lizenzware aus den USA - und längst nicht so erfolgreich.
 
Dennoch haben US-Serien bei ProSieben nach wie vor ein großes Gewicht. Wie erweitern Sie das Portfolio in der kommenden Saison?

US-Serien bleiben natürlich ein Kerngenre des Senders, in das wir kräftig investieren. Nur ist es kein Geheimnis, dass in den USA auch nicht jährlich Erfolgsserien starten, die international funktionieren. Auf das nächste "CSI" warten alle.

Foto: ProSiebenSat.1Kein Nachschub bei ProSieben?

Doch, natürlich. Neben neuen Staffeln bekannter Serien zeigen wir in der kommenden TV-Saison u.a. "Brothers & Sisters", die neue Serie mit Calista Flockhart ("Ally McBeal"). Die Mysteryserie "Supernatural" hatten wir schon einmal angekündigt. Damit werden wir im Herbst endlich starten. Dann haben wir uns beim US-Sender SciFi die Serie "Eureka" gesichert, die dort im vergangenen Sommer startete und gerade in den USA in die zweite Staffel geht. Und auch wenn NBC "Kidnapped" nach 13 Folgen beendet hat, so werden wir die Serie als Eventprogrammierung ins deutsche Fernsehen bringen.
 
Was ist ärgerlicher? Eine in den USA noch laufende Serie, die in Deutschland nicht angenommen wird oder eine in den USA abgesetzte Serie, die kurzfristig gute Quoten holt?

(seufzt) Da hatten wir im vergangenen Jahr so unsere Erfahrungen mit "Surface". Wir bekamen erboste Zuschauerpost mit Fragen, wieso wir die Serie denn abgesetzt hätten. Aber ich schwöre es Ihnen: Wir haben alles gezeigt, was man zeigen konnte (lacht). NBC hat nicht mehr produzieren lassen. Also im Ernst: Es ist natürlich von Vorteil, wenn man langlebige Serien im Programm hat und "Brothers & Sisters", "Supernatural" und "Eureka" laufen in den USA auch noch.
 
Von den US-Serien zum US-Serien-Sendeplatz: Der Mittwochabend macht sich langsam, könnte aber besser laufen...

Könnte er schon. Aber er steigert sich ja von Woche zu Woche. Wir hatten erst diese Woche mit "Cold Case" 12,9 Prozent. Für einen neuen Serienabend ist das sehr respektabel und uns war klar, dass wir an diesem Abend keinen "Start-Ziel"-Sieg haben werden. Aber Ausdauer lohnt sich. Wir setzen weiter auf den Serien-Mittwoch und starten im Herbst eine zweite Stufe. Mit "Desperate Housewives", "Greys Anatomy" und "Brothers & Sisters" programmieren wir dann ein neues Line-Up am Mittwoch.

Die beiden Serientage Montag und Mittwoch sollen also auf Dauer erhalten bleiben?

So haben wir es vor. Und die Serien "Cold Case" und "Emergency Room" kommen im nächsten Sommer wieder.

Von den Serien zu den Spielfilmen. Was hat ProSieben da im Gepäck für die nächste Saison?


Die Liste unserer Hollywood-Spielfilme ist wie gewohnt lang. Highlights sind z.B. "Ocean's Twelve" oder "Madagascar". Bei unseren eigenproduzierten TV-Movies setzen wir verstärkt auf Neuverfilmungen von Klassikern. Den Anfang wird "Die Schatzinsel" machen, aber einige andere haben wir ja auch bereits schon angekündigt, wie z.B. "Die Brücke" oder "Fleisch", ein Remake des Klassikers aus den 70er-Jahren.
 
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