Foto: VIVALieferte Ihnen das weitgehend spießige Umfeld eine humoristische Vorlage?

Ich will Oldenburg nicht auf eine Humorquelle reduzieren. Das wäre der Stadt gegenüber unfair. Aber man besitzt dort ein Alleinstellungsmerkmal, das es beispielsweise in Prenzlauer Berg, wo ich jetzt wohne, nicht gibt. Hier ist es so voll von Webdesignern und Drehbuchautoren, dass man sich am liebsten eine Strickjacke anziehen und einen Kleingarten betreiben würde. Wenn man dagegen einer von sehr wenigen Kreativen weit und breit ist, kann man möglicherweise freier arbeiten, man muss sich nicht ständig vergleichen.

Daraus lässt sich Selbstvertrauen schöpfen. Zum Beispiel als lokaler Theater-Star.

Ja. Ich bin recht zufällig ins Nachwuchsensemble des Oldenburger Staatstheaters gekommen. Das war dort etwas Besonderes. Ich konnte mich ausleben. Es entstand ein Selbstbewusstsein, das eigentlich auf nichts gebaut war, aber es hat mir Energie gegeben.

Dennoch wären Sie fast Frisör geworden. War es wirklich ihr Ziel, diesen Beruf auszuüben?

Nein. Ich wollte nie in einem Beruf arbeiten, den man im Berufsinformationszentrum zugeteilt bekommt. Ich hab' dort mal meine Daten eingegeben, rausgekommen ist „Tankwart“. Den Beruf gibt es gar nicht mehr. Ich habe mich für Frisör entschieden.

Das klingt fast kokett. Aber Sie haben die Ausbildung abgeschlossen.

Ja. Ich habe mich nicht drei Jahre lang aus Ironie zum Friseur ausbilden lassen. Im Nachhinein hört es sich für Außenstehende, und sogar für mich, sehr witzig an. Der hat älteren Damen Dauerwellen gewickelt, an Puppen herumfrisiert. Aber ich habe es ernst genommen, mir macht es immer noch Spaß, meiner Freundin die Haare zu schneiden.

Haben Sie aus drei Jahren Haareschneiden etwas für Ihren jetzigen Beruf mitgenommen?


Ja. Ich war nie ein besonders talentierter Frisör. Ich bin Linkshänder. Hauptberuflich. Außerdem bin ich rot-grün-blind, manchmal kann ich Haarfarben überhaupt nicht unterscheiden. Gar nicht so einfach, Haare zu färben, wenn man manche Grüntöne nicht erkennt. Aber was ich gelernt habe, ist das, was jeder junge Mensch lernt, wenn er in seiner Ausbildungszeit mit Menschen zu tun hat. Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen. Auch wenn sie 55 sind und Geschäftsleute und nichts mit einem gemeinsam haben, man muss sich eine Stunde lang mit ihnen beschäftigen. Mit ihnen reden. Sie anfassen. Da musst Du eine Hemmschwelle abbauen. Diese Fähigkeit hilft mir jetzt sehr.

Ein guter Frisör muss moderieren können.


Kann man so sagen. Eigentlich habe ich mich durch meine komplette Ausbildung moderiert.



Haben Sie als Nachwuchsdarsteller am Staatstheater nie über eine klassische Schauspielausbildung nachgedacht?

Beim achten Rotwein hat der Regisseur mir schon mal empfohlen, auf die Ernst-Busch-Schauspielschule nach Berlin zu gehen. Trotzdem hab' ich erstmal die Ausbildung gemacht, dann kam der Zivildienst, und einen Tag nach der letzten Schicht als Krankenhauszivi hatte ich meine erste Live-Sendung auf VIVA. Es gab nie eine Leerlaufzeit, in der ich darüber länger hätte nachdenken können.

Bleibt die Schauspielerei eine Option?

Ich will mir die Option offen halten. Noch bin ich nicht allzu lange Moderator. Mein Ziel ist es, Rollen und Formate irgendwann auswählen zu können – sicher eine hohes Ziel. Ich möchte eine gute Mischung hinbekommen, und vielleicht kommen irgendwann ernste Rollen. Für mich baut „VJ“ und „Schauspieler“ aber nicht aufeinander auf. Das ist kein Ausbildungsersatz. Entscheidend an diesem Beruf ist der Bekanntheitsgrad, der einige Möglichkeiten eröffnet.

Das Spektrum ehemaliger VIVA- und MTV-VJs reicht von Mola Adebisi, der Unterwäsche verkauft und einen phantomähnlichen Digitalsender leitet, bis zu Jessica Schwarz, die mit Tom Tykwer oder Dominik Graf arbeitet. Wo werden Sie landen?

Ich muss nicht unbedingt einen Oskar-Roehler-Film nach dem anderen drehen, aber auch nicht Programmchef von Imusic.tv werden, oder wie Adebisis Laden heißt. Ich muss nicht Promi-Gast bei Gülcans Traumhochzeit sein, aber auch nicht mit Roger Willemsen auf Deutschlandreise gehen. Ich möchte mir eine gewisse Blödheit vorbehalten.

Tendenziell?

Tendenziell natürlich eher Jessica Schwarz als Mola Adebisi.

Wenn man über Adebisi redet, kommt man nicht um die Frage umhin, wie lange eine Präsenz bei VIVA gesund ist.

Es kommt auf den Einzelfall an. In den dreieinhalb Jahren, in denen ich hier bin, hat sich VIVA gewandelt. Es ging von Köln nach Berlin. Die Formate haben sich verändert, auch wenn die Schwerpunkte gleich geblieben sind. Ich selbst stehe dazu, was ich mache, und sehe keinen Rechtfertigungsdruck. Wenn der entsteht, werde ich aufhören. Dennoch, die Frage ist berechtigt. Es sollten keine 10 Jahre sein. Wie man an Milka sieht, ist es allerdings auch nicht immer die eigene Entscheidung.