
Wir bei RTL haben uns große Mühe gegeben, Vergleichsgrößen so oft wie möglich anzugeben. Da sehe ich uns nicht in einer Defizitposition.
Wenn ein Comedian aus dem Ensemble von Harald Schmidt die ProSiebenSat.1 Media AG als vermeintliches Schweinegrippe-Opfer zum Narren hält - schütteln Sie da zuerst den Kopf oder überlegen Sie, ob dass nicht auch im eigenen Haus hätte passieren können?
Natürlich Beides. Kopfschütteln auf der einen Seite. Gleichzeitig geht einem aber auch die Frage durch den Kopf, wie wir mit ihm umgegangen wären. Wir haben gut funktionierende Mechanismen zum Abklopfen von solchen Protagonisten und solchen Geschichten. (überlegt) Ich gehe mal davon aus, dass es uns aufgefallen wäre, dass wir es mit einem Betrüger zu tun haben. Hundertprozentig ausschließen kann man solche Fälle nie, wenn ein großes betrügerisches Potential auf der anderen Seite vorhanden ist. Aber wenn man journalistische Grundregeln beachtet, und angesichts unserer journalistischen und redaktionellen Kontrollinstanzen würde ich jetzt behaupten: Diese Geschichte wäre bei uns nicht durchgekommen.
Diese journalistischen Grundregeln. Geraten die inzwischen nicht irgendwie in den Hintergrund? Seit Jahren diskutiert die Branche über multimediale Journalisten und deren plattformübergreifende Ausbildung. Alles dreht sich um die Technik, kaum noch ums Handwerk. Läuft da etwas schief?
Es ist eine große Herausforderung, vor der wir stehen. Es werden immer mehr Journalisten dazu ausgebildet, alle Plattformen und Medien bedienen zu können. Aber der Beruf des Journalisten darf und kann nicht automatisiert werden. Es braucht Zeit für Recherche und für kreative Prozesse. Die wird durch keine Technik ersetzt. Und wir dürfen es nicht missverstehen: Nur weil Journalisten heutzutage alle Plattformen bespielen können sollten, heißt das nicht, dass sie auch alle gleichzeitig in gleicher Qualität bespielen können müssen. „Be first, but first be right“ muss immer wieder gepredigt werden. Die Verantwortung des Journalisten geht vor gegenüber zeitlichem oder technischem Druck. Neue Techniken und Quellen öffnen sicher ungeahnte Möglichkeiten. Aber mit ihnen wird die Rolle des Journalisten immer wichtiger.
Wie halten Sie es denn hausintern etwa mit Twitter, auch einem Trend-Thema dieses Jahres?
Wir beobachten natürlich die Entwicklungen und es gibt sicher den ein oder anderen Fall, in dem man über Twitter eine Information vorab bekommen hätte, wenn man denn den Inhaber des Twitter-Accounts schon gekannt hätte. Das ist ja ein bisschen der Witz dabei: Wenn sich hinterher erst rausstellt, dass da jemand fünf Minuten früher etwas wusste und veröffentlicht hat, es aber so gut wie niemand mitbekam, dann hält sich ja auch der Schaden bzw. Vorteil in Grenzen. Deswegen bin ich mir noch nicht so sicher, was die angebliche Breitenwirkung von Twitter angeht. Auch bei der Notwasserung im Hudson im Januar kam das erste Bild zeitlich gesehen zwar von einem Twitter-Nutzer; aber mit einigen Minuten Verzögerung hat die Mehrheit der Menschen von der Notwasserung erfahren, als Lokalsender, Nachrichtenagenturen und Newskanälen wie CNN darüber berichteten. Und die haben aus eigenen Quellen von dem Vorfall erfahren. Deswegen sage ich auch Journalisten bei uns im Haus: Klar kann man Twitter verfolgen, aber wir sollten nicht glauben, dass uns irgendeine Technik die eigene Recherche ersetzt.