Sebastian DehnhardtVon Re-Enactment ist es leider nur ein fatal kleiner Sprung zu einem Genre, das sich Dokusoap nennt...

Den Begriff Dokusoap finde ich grauenvoll, weil da etwas vermischt wird. Diese Formate schmücken sich mit etwas, das ihnen gar nicht gebührt. Der Begriff "Doku" bedeutet ja eigentlich, dass das, was man zu sehen bekommt, auch wirklich stimmt. Wenn Sie etwa in die Nachmittags-Schiene schauen, was man da unter dem Begriff Dokusoap mit realen Menschen inszeniert, dann kann man sich auf den Begriff "Dokumentation" nicht mehr verlassen.

Eine gern gestellte Frage möchte ich auch an Sie weitergeben: Ist die BBC das Maß aller Dinge im Bereich der Dokumentationen?

Ich habe die allergrößte Hochachtung vor den Kollegen der BBC, obwohl sich die Flag-Schiff-Produktionen vom ZDF auch nicht verstecken müssen. Die BBC hat augenscheinlich ein paar Vorteile, die sie geschickt ausnutzt. Zum einem die jahrzehntelange Erfahrung mit dem Genre und zum anderen hat die BBC schon aufgrund der Sprache einen leichteren Zugang zum internationalen Markt. Dadurch sind dort ganz andere Budgets möglich. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir immerhin der zweitwichtigste Fernseh-Markt nach dem englischsprachigen sind und dass deutsche Dokumentationen weltweit ebenfalls sehr gut vermarktet werden können. Wir machen von vielen unserer Filme internationale Fassungen, die auch gut ankommen.
 

 
Gibt es ein internationales Interesse an dem Thema der deutschen Kolonien? Oder beschränkt sich das Interesse an deutscher Geschichte nicht beinahe ausschließlich auf den 2. Weltkrieg?

Nein, auf keinen Fall. Wir haben mit Broadview TV letztes Jahr für den MDR und Arte „Das Wunder von Leipzig“ produziert. Dieser Film über die Leipziger Montagsdemonstrationen hat international eine riesige Resonanz hervorgerufen, mit mehreren großen Vorführungen in England, Frankreich, Russland, Japan und den USA. So etwas interessiert die Menschen also durchaus weltweit. Warum sollte also nicht die Kolonialgeschichte auch interessant sein, wenn sie spannend und bildgewaltig mit modernsten CGIs erzählt wird? Ich glaube, dass allein schon wegen der Hochwertigkeit des Programms unser Weltreich im Ausland Interesse gewinnen wird. Wie sehr das Thema deutsche Kolonialgeschichte obendrein zieht, muss man natürlich sehen. Man könnte sich ja auch eine verkürzte Fassung des Stoffs vorstellen, der nicht gleich über drei Teile geht.

Und warum ist der deutsche TV-Export generell dann doch vergleichsweise klein?

Der deutsche TV-Export ist ja per saldo nicht klein, er ist nur klein gemessen an der Menge, was in Deutschland für Fernsehen ausgegeben wird. Das Thema begleitet uns seit Jahren. Wir glauben, dass sich Rechte besser verkauften, wenn sie beim Produzenten belassen werden, anstatt dass sie beim Sender liegen. Passierte dies flächendeckend,  wären weit größere Verkaufserfolge möglich. Unseren Dreiteiler über "Stalingrad" aus dem Jahr 2003 haben wir bisher in über 60 Länder verkauft und verkaufen ihn immer noch; gerade letzte Woche wurde die Lizenz aus UK verlängert.  Als Produzent ist man auf Grund unseres Systems der Auftragsproduktion leider viel zu oft wie eine junge Mutter, die ihr Kind wider Willen gleich nach Geburt außer Haus geben muss und nicht mehr mit aufziehen darf. Für den Sender sind das aber häufig fremde Kinder, die gerne weggesperrt werden. In dem Moment, in dem sie als Produzent auch beim Vertrieb und der Vermarktung mit dabei sind, sind die internationalen Erfolgschancen größer.