Jürgen DomianIch hab dann ja ab und an regelrecht Sorgen um Sie. Ich muss dann umschalten, weil ich die Angst habe, dass Sie da jemand reinlegen will und Sie sich mit vollem Einsatz reinhängen und vorgeführt werden...

Diese Sorge haben wir natürlich auch, jeden Tag.  Allerdings bin ich entspannt, da wir das Problem sehr gut im Griff. Es kommt äußerst selten vor.  Dabei geht es nicht um meine Angst, verarscht zu werden. So etwas halte ich aus. Es geht um die Glaubwürdigkeit und Seriosität der Sendung. Wenn sich eine extreme Geschichte als Fake herausstellt, wird der nächste Anrufer mit einem extremen Thema nicht mehr ernst genommen. 

Wie oft kommt es denn noch vor?

Es rutscht uns vielleicht alle zwei, drei Monate noch mal einer durch. Wenn überhaupt. Bei schrägen Sex-Geschichten ist mir das noch fast egal. Aber wir hatten einmal einen Fall, da  täuschte jemand eine völlig dubiose Aids-Infizierung vor. Das hat mich sehr sauer gemacht. Man fakt nicht auf Kosten anderer, die ein schweres Schicksal haben. Deswegen schieben wir manchmal dubios klingende Anrufer auch mal einen Tag, um deren Geschichte in Ruhe abklopfen zu können. Die Sendung wäre kaputt, wenn sich die Zuschauer nicht darauf verlassen könnten, dass wir echte Probleme diskutieren.

Jetzt sprachen Sie grad von Zuschauern. Verstehen Sie die Sendung als Radio- oder TV-Format?

Die Hauptnutzer sind Fernsehzuschauer. Das ist ja auch klar, weil die Sendung bundesweit empfangbar ist bzw. via Satellit noch weit darüber hinaus. Über das Radio aber erreichen wir zudem viele Leute, z.B. die Autofahrer. Die Sendung ist ideal für eine bimediale Präsentation. Und mit 1LIVE haben wir dafür eine hervorragende Plattform.

 

Hat sich das Medium Radio denn in den 15 Jahren zum Guten oder zum Schlechten entwickelt?

Das ganze Medium? Kann man schwer beantworten. Das Spektrum der Angebote, etwa beim WDR, ist absolut stimmig. Wir haben für jeden Geschmack und jedes Bedürfnis ein breites Angebot, von 1LIVE bis WDR 5.

Schaut man da denn dann etwas neidisch auf den US-Markt, wo das Talkradio ja eine viel größere Tradition und auch heute noch eine viel größere Verbreitung hat?

So ist ja die Idee zu „Domian“ entstanden. Ich hatte  mir während einer USA-Reise mit großer Faszination viele Talkradio-Formate angehört und dachte mir, so was müsste man auch in Deutschland machen. Ich habe es dann dem WDR vorgeschlagen und man hat mir damals die Chance geben, es zu realisieren. In den USA sind die Moderatoren große Stars. In Deutschland hat sich das Format bei anderen Sendern nicht durchgesetzt. Wir haben keine Konkurrenz.

Wobei Sie seit einigen Tagen mit „Lateline“ ja einige Kollegen haben, die es Ihnen bei den anderen Popwellen der ARD gleich tun mit einem spätabendlichen Talkradio. Haben Sie schon Blumen rübergeschickt?

Ich freue mich darüber und wünsche den Kollegen viel Erfolg. Wobei ich mich schon wundere, dass niemand anderes ein bimediales Talkradio/Talk-TV-Projekt anpackt. Ich kann es mir nur so erklären: Man braucht für ein solches Format starke Chefs im Hintergrund. Das Format ist schwierig und heikel. Es ist immer live, es ist juristisch bisweilen kompliziert – und wir bewegen uns oft in Tabubereichen. Mit der WDR-Intendantin Monika Piel und meinem Direktor Wolfgang Schmitz habe ich starke Persönlichkeiten, die hinter mir stehen. Das weiß ich sehr zu schätzen.