Wieviel Meinung ist in den „Sat.1 Nachrichten“ erlaubt?

Ich glaube schon, dass man die Meinung des Anchormans erkennen darf. Die Zuschauer schalten ja nicht nur wegen der Beiträge ein, sondern weil sie eine Einordnung und Wertung dessen, was sie schon gehört haben oder dann bei uns sehen und hören, erwarten. Ich glaube, dass es längst Zeit ist, im Fernsehen konsequent auf die so genannte Informationsflut aus dem Internet zu reagieren. Da bekommen sie alles und meist schneller. Hören wir doch auf das zu beweinen und ziehen für Nachrichten im Fernsehen die Konsequenz: Die Einordnung durch den Fernsehmoderator wird essentiell. Diese Diskussion Internet vs. Fernsehen ist auch oft eine Diskussion unter Medienschaffenden

Inwiefern?

Wir Medienprofis dürfen nicht vergessen, dass viele Menschen nicht den ganzen Tag über am Rechner sitzen und wie wir nebenbei Nachrichten konsumieren. Das ist noch nicht einmal eine Bildungsfrage, sondern eine Frage des Berufs oder Umfelds. Ein topbezahlter Anwalt auf Gericht wird auch keine Zeit finden, sich den ganzen Tag online zu informieren. Und der Chirurg oder der Facharbeiter auch nicht. Die kommen abends nach Hause und wollen darauf vertrauen, dass ihnen jemand sagt, was wichtig war. Deshalb glaube ich, dass es kein sterbendes Pferd ist, auf dem wir reiten, sondern Zukunft hat. Wissen Sie, was mich antreibt?

 

 

Noch nicht...

Mein Erweckungserlebnis für den Journalismus war als ich am Anfang meiner Karriere zwei Wochen lang für das amerikanische Fernsehen als Runner, Fixer, Übersetzer und Fahrer für Peter Jennings gearbeitet habe. Der war für zwei Wochen in Deutschland und ich war so lange sozusagen sein Zivi. Da habe ich fasziniert gemerkt, wie es jemand schafft aus einem Textentwurf, bei dem ich mir die ganze Nacht lang den Kopf über die Komplexität der Thematik zerbrochen habe, im Schneideraum binnen 45 Minuten einen blitzsauberen, klaren und einfachen Beitrag zu machen. Das wollte ich dann auf Dauer auch können: Komplexe Sachverhalte so zu reduzieren, dass das auch der Bauer in Idaho, der Facharbeiter in Böblingen oder meine Oma versteht. Das treibt mich an und nicht nur die Jagd nach der neuesten Nachricht.

Und wie bereitet man dem Zuschauer eine seit Monaten andauernde Euro-Krise täglich so auf, dass er versteht, was sich getan hat und mit welchen Auswirkungen?

Zunächst einmal muss man es selbst verstehen. Ob bei der Euro-Krise oder beispielsweise einem Gesetzesentwurf für ein neues Telekommunikationsgesetz: Es reicht ja nicht die Fakten zu studieren. Es bedarf des Verständnisses, was das jetzt bedeutet. Gut, dass wir auf zahlreiche Experten zurückgreifen können. Wenn ich aber die Hebelungswirkung des Euro-Rettungsschirms erklären soll, dann Gute Nacht, Marie. Da weiß ja die Hälfte der Experten noch nicht, was am Ende dabei herauskommt. Geschweige denn die Politiker.

Und wie soll es der Zuschauer verstehen?

Tja, sie müssen bei der Euro-Krise sozusagen die Zuschauer darüber informieren, dass das Haus brennt obwohl man noch keine Flammen und keinen Rauch sieht. Das Thema Euro ist natürlich beim Blick auf die Sekundenverläufe der Quoten nicht gerade der Peak. Es wird inzwischen meist billigend in Kauf genommen. Eine Krise, die so gewaltig ist und trotzdem noch nicht im Alltag spürbar, ist für uns eine große Herausforderung, die wir durchhalten müssen. Wir können ja schlecht sagen: „Nicht schon wieder Krise, wir machen lieber was mit Tieren.“

Schwieriger ist es für die Kollegen von N24, die sich gerade mehr oder weniger rund um die Uhr mit dem Thema beschäftigen müssen. Wie läuft eigentlich die Zusammenarbeit? Lief der Übergang nach dem Verkauf ideal?

Mittlerweile hat sich alles sehr gut eingespielt. Die handelnden Personen sind mehr oder weniger gleich geblieben, nur mit unterschiedlichen Rollen. Also insofern ist das ein sehr angenehmes Zusammenarbeiten mit den Kollegen von N24, die wirklich alles in Bewegung setzen, damit wir als Hauptkunde auch zufrieden gestellt werden. Und ich bin extrem zufrieden.

Sie waren von Anfang an bei N24 dabei. War Ihnen beim Verkauf eigentlich sofort klar, dass sie auf der Seite von ProSiebenSat.1 und nicht N24 weitermachen würde?

Es ist ja letztendlich immer eine Abwägungssache. Ich habe N24 mit aufgebaut und ihn zehn Jahre lang mit geleitet, zum Schluss als Chefredakteur. Das war ein erfolgreiches Kapitel. Erst fragte sich jeder wozu man einen zweiten Nachrichtensender brauche und dann wurde N24 Marktführer. Ich hatte auch das Gefühl, dass das eigentlich ein ganz guter Moment ist, zu gehen. Es war keine Entscheidung gegen N24, sondern es war eine Entscheidung für meine „Sat.1 Nachrichten“, die ich ja hatte. Ich habe offensichtlich den Hang dazu Aufgaben zu übernehmen, die als zumindest schwierig gelten, sei es jetzt N24 gewesen, die Sat.1 Nachrichten um 20 Uhr, oder sei es jetzt „Eins gegen Eins“.