Das klingt jetzt so als wäre Ihnen der deutsche Weg da lieber. Dabei kenne ich genügend Produzenten, die sich eher darüber beschweren, dass der Sender ihnen zu viel reinredet...

Es ist wie immer in der menschlichen Kommunikation: Das schönste ist der erkundende Dialog. D.h. wenn man aus einem Gespräch auch wirklich etwas hervorbringen will und gemeinsam denkt. Ist das der Fall, wird die Zusammenarbeit großartig. Wenn es nur ein gegenseitiges Besserwissen ist, wird das nichts.



Jetzt reden wir die ganze Zeit über Factual Entertainment. Storyhouse wagt sich aber jetzt auch in die Fiction vor. Warum eigentlich?

Wir wollen aus unserer Kernkompetenz heraus diversifizieren. Das haben wir uns vor Jahren vorgenommen und als neue Strategie ausgegeben. Wir haben bereits das ein oder andere in Angriff genommen, z.B. im Bereich Reality, für den wir ein eigenes Team aufgebaut haben. Fiction ist jetzt ein weiterer Schritt. Ein Teil unserer DNA war immer schon Fiction, weil auch Factual-Formate und gerade historische Dokumentationen gut erzählt sein wollen. Wir gelten als Produzent, der Kinobilder fürs Fernsehen liefert. Und wir sind davon überzeugt, dass die besten fiktionalen Stoffe einen substanziellen, wahren Kern haben. Das bringt uns in eine gewisse Pole Position, was gut recherchierte Stoffe angeht.

Und wie weit sind Sie bei diesem Bestreben?

Unsere neue Tochterfirma Storyhouse Pictures beginnt im April mit den Dreharbeiten zu einem  Romantic Thriller mit dem Arbeitstitel „Open Desert“ für SAT.1 und den internationalen Markt. Gedreht wird in englisch und der Cast wird überwiegend international sein. Mehr können wir an dieser Stelle aber leider noch nicht verraten.

Aber von Zukunftsplänen und neuen Projekten mal ganz konkret und banal gefragt: Welche Produktionen bezahlen Ihnen 2013 die Rechnungen?

Wir produzieren in diesem Jahr eine Vielzahl von regelmäßigen Sendungen wie die Sonntagsausgabe von „Galileo“, Mehrteiler wie z.B. „Terra X“, bis hin zu one offs wie eine Kino-Dokumentation. Die Kino-Dokumentation wird übrigens das erste Projekt der mit Dirk Steffens zusammen gegründeten Produktionsfirma White Elephant Entertainment. Das wird eine 20-minütige Doku über die Buchenwälder auf Rügen, die zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören. Die nächste große neue TV-Produktion, die auf Sendung geht, ist „Entführt! Gib mir mein Kind zurück!“ bei RTL. Das ist die erste Produktion unseres neuen Reality-Bereichs für den wir Kirstin Benthaus-Gebauer gewonnen haben, die sich zuvor u.a. mit „Die Ausreißer“ einen Namen gemacht hat. Der Pilot lief im November 2011 sehr gut mit 17,3 Prozent gegen Champions League. Ab 27. März kommen, jeweils mittwochs um 20:15 Uhr,  fünf neue Folgen und  wir recherchieren schon an weiteren Fällen. Wir sind sehr stolz auf die Serie, auch weil es im heutigen TV-Umfeld wirklich echter Journalismus ist. Da ist nichts geskriptet. Das will ich ausdrücklich betonen. Die Fälle wurde nicht erst gelöst und wir erzählen sie dann nach. Das führt aber durchaus dazu, dass man teilweise über ein Jahr an ihnen arbeitet... weil man auch in mancher Sackgasse landet..

Und trotzdem werden Sie vermutlich im Netz wieder Kommentare ernten a la „Das ist doch eh alles Fake“...

Dann kriege ich so einen Hals, weil mich das wütend macht ...

Aber auf wen? Auf das Publikum oder andere Produktionen, die das Publikum diesbezüglich verdorben haben?

Ich hoffe einfach darauf, dass man den Sendungen den Unterschied ansieht und ihn spürt.  Ich will Scripted Reality nicht verurteilen. Es ist nur wichtig, dass wir nicht vergessen, dass die echte Welt da draußen spannend genug sein kann. Und ich baue auf das Auge des Publikums, das den Unterschied erkennt. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Mich beschleicht ja manchmal die Sorge, dass die Sender keine Wertschätzung mehr für echte Fälle und Geschichten haben - wo sie doch jetzt wissen wie günstig es sich scripten lässt...

Nein, die Wertschätzung gibt es gottseidank noch. Die Sender verstehen das Risiko einer journalistischen Produktion und tragen es mit, wenn sie sich darauf einlassen. Ich hoffe, dass es wieder eine stärkere Bewegung in diese Richtung gibt und wir wieder einen TV-Journalismus erleben, den die Privaten in früheren Jahren durchaus mal stärker umgesetzt haben. Der Hype um Scripted Reality wird sich wieder relativieren. Denn Wunder bewirkt Scripted Reality auch nicht, wie man inzwischen merkt.

In welchem Bereich des Factual Entertainment sehen Sie denn derzeit Perspektiven?

Ich denke, dass wir im Bereich Experimente und Selbstexperimente noch Einiges sehen werden, dass es ein Interesse an fremden Lebenswelten gibt und, dass sich die Deutschen wieder stärker für das Ausland interessieren. Das galt lange Zeit als schwierig. Aber mittlerweile stellen wir fest, dass Auslandsreportagen, wenn sie denn gut gemacht sind, richtig gut funktionieren. Da kommen wir, was ich sehr schön finde, wieder zur Kraft des Fernsehens zurück: Die Welt aus dem heimischen Wohnzimmer heraus erkunden, wie es das Fernsehen weitaus besser ermöglicht als es die Journalisten-Kollegen im Print können. Ich bin also ganz froh beim Fernsehen gelandet zu sein.

Herr Zwiessler, herzlichen Dank für das Gespräch.