Sind sechs Jahre eine lange oder eine kurze Zeit, Herr Marmor?

Eher kurz, wenn ich von meinem subjektiven Empfinden ausgehe. Ich habe jetzt fünfeinhalb Jahre meiner ersten Amtszeit als NDR-Intendant hinter mir – und die sind ziemlich schnell vergangen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil sie sehr ausgefüllt waren mit einer Reihe intensiver Projekte, die ich gemeinsam mit meinem Team voranbringen konnte. Wir haben zahlreiche Abläufe modernisiert, die interne wie externe Kommunikation verbessert. Wir haben das programmliche Angebot des NDR erheblich gestärkt, was sich in der hervorragenden Position des NDR Fernsehens als zweiterfolgreichstes Drittes der ARD ebenso niederschlägt wie in den besten Radio-MA-Werten unserer Hörfunkprogramme seit 1997. Und gerade erst haben uns zwei Drittel der Norddeutschen in einer repräsentativen Umfrage gesagt, dass ihnen der NDR das Geld wert sei, das sie mit dem Rundfunkbeitrag bezahlen.

Gibt es dennoch Vorhaben, die Sie in Ihrer ersten Amtszeit nicht geschafft haben und die nun für die Jahre 2014 bis 2020 auf der Agenda stehen?


Insgesamt bin ich mit der Zwischenbilanz recht zufrieden. Aber natürlich gibt es immer Dinge, die man noch besser oder noch konsequenter machen könnte. Vieles funktioniert auch nicht von heute auf morgen, weil wir es bei   unserem Publikum mit Gewohnheiten im Programm und bei unseren Mitarbeitern mit Gewohnheiten in den internen Abläufen zu tun haben. Da können Sie nichts übers Knie brechen, sondern brauchen einen langen Atem, damit sie Veränderungen akzeptieren. Von daher bin ich dem Verwaltungs- und Rundfunkrat für ihr Vertrauen dankbar und finde es gut, dass ich weitere sechs Jahre zum Gestalten habe. Und da ich am Ende der zweiten Amtszeit 65 sein werde, passt das auch insofern gut.



Mit welchem Fernsehdirektor werden Sie eigentlich durch die nächsten sechs Jahre gehen?


Mit Frank Beckmann. Davon gehe ich aus, weil er für den NDR exzellente Arbeit leistet.

Sein Ende Oktober auslaufender Vertrag ist aber noch nicht verlängert, weil die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue als früherer Ki.Ka-Programmgeschäftsführer immer noch laufen.


Ich bin mir mit Frank Beckmann einig, dass wir solange abwarten und dass es keinen Zeitdruck gibt. Ich sage ganz klar, dass ich ihn mir auch als künftigen Fernsehdirektor wünsche. Den großen Erfolg des NDR Fernsehens haben wir schließlich ihm und seiner Mannschaft zu verdanken. Im vorigen Jahr hatten wir mit 7,6 Prozent den besten Marktanteil seit fünf Jahren, aktuell stehen wir sogar bei 8,1 Prozent. Und das, obwohl wir den Nachrichten- und Informationsanteil mit der zusätzlichen „NDR aktuell“-Leiste um 21.45 Uhr und den daraus resultierenden Veränderungen der Primetime deutlich gestärkt haben. Ich hätte nicht unbedingt erwartet, dass das so gut funktionieren würde.

Umso ärgerlicher muss es doch für Sie sein, dass es immer noch eine solche Unsicherheit um Ihren erfolgreichen Direktor gibt. Ende Oktober rückt näher.


Was sollen wir machen? Dem Ausgang der Ermittlungen können wir nicht vorgreifen. Eine solche Sache muss man natürlich ernst nehmen, auch wenn sie nichts mit Frank Beckmanns gegenwärtiger Arbeit für den NDR zu tun hat. Deshalb haben wir ja auch verabredet, mit der Vertragsverlängerung abzuwarten. Ich hoffe, dass wir bald mehr Klarheit haben.

Sie haben die Veränderungen angesprochen, die Sie angestoßen haben. Was konkret machen Sie als Intendant, um Veränderungen in den Köpfen Ihrer Mitarbeiter zu ermöglichen?


Freiräume schaffen – das ist meiner Ansicht nach das Wichtigste, was ich in dieser Hinsicht tun kann. An jeder Stelle im Sender und auf jeder Hierarchieebene sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, dass sie ein Grundvertrauen genießen und dass Ausprobieren ausdrücklich erwünscht ist. Auch wenn nicht jeder Versuch auf Anhieb gelingen kann, ist es von entscheidender Bedeutung für unsere Zukunftsfähigkeit, dass wir noch mutiger werden, noch mehr experimentieren und dabei auch immer wieder überkommene Grenzen überwinden. Welche Früchte das trägt, kann man beispielsweise daran sehen, welchen Namen sich der NDR als investigative journalistische Kraft gemacht hat. Denken Sie nur an die „Offshore Leaks“, die wir in Hörfunk und Fernsehen gemeinsam mit der „Süddeutschen Zeitung“ recherchiert und veröffentlicht haben.