Was antworten Sie jenen Kritikern, die sagen, Sie würden zu oft die Namen der Spieler nennen?

Ich würde gern eine andere Systematik aufbauen. Lassen Sie uns nicht die einzelnen Punkte durchgehen.

Wieso nicht?

Das führt zu nichts. Wenn ihnen 28 Millionen Zuschauer zuhören, dann ist das, was sie sagen, per se falsch. Genauso wie es richtig ist. Man kann es nicht allen recht machen. Den Punkt, ich würde oft die Spielernamen nennen, könnte man übrigens auch in der Kategorie Lob abheften. Je nachdem, welchen Standpunkt man einnimmt. Sie sehen, das ist alles beliebig.

Ball ins Tor zimmern“, „Deckel ist drauf“, „bis in die Haarspitzen motiviert, „ganz großes Tennis“ - gehören Sie zu denjenigen Sportjournalisten, die sagen: Floskeln und Phrasen gehören zum Fußball dazu?

Vor ein paar Jahren arbeitete ich mit einem Professor in Köln zusammen, der aktuelle Sprachtendenzen aufzeigt. Fakt ist: Die Sprache der Kommentatoren wandelt sich, und zwar seitdem es den Beruf gibt – ähnlich wie die Mode. Früher war eine Art Theatersprache üblich. Heute gibt es andere Trends. Das, was man häufig als Vorurteil im Kopf hat, nach dem Motto: „diese oder jene Floskel verwenden die Kommentatoren immer wieder“, trifft in vielen Fällen gar nicht mehr zu. Das berühmte „Hüben wie drüben“ hört man heute nicht mehr.

"Die Fußballsprache verändert sich fortlaufend."

Gegen den Ball arbeiten...

...ist keine Floskel, sondern sogenannter „Fußball-Sprech“. So reden Trainer, Spieler, Fans – und somit auch Sportreporter. Ich bemühe mich um eine klare Sprache; ich versuche, im Stadion so zu reden, wie jetzt mit Ihnen. Für mich gibt es daher auch kein No-Go.

Verstehe ich Sie richtig: Wenn ein Trainer über das "Einstarten", "Verdichten", "Signalbälle" und "tiefe Läufe" spricht, sollte der Kommentator das auch genauso, also ungefiltert, weitergeben an seine Zuschauer?

Die Fußballsprache ist sehr lebendig. Und sie verändert sich fortlaufend. Die Beispiele, die Sie jetzt nennen, sind ja unerprobte Begriffe. Hier geht es eher um die Frage: Überfordert man damit womöglich das Publikum? Das ist aber keine Floskel- oder Phrasendiskussion. Die von Ihnen genannten Begriffe habe ich in dem Italien-Spiel bewusst gewählt, ich habe sie als Zitate gekennzeichnet. Also darauf hingewiesen, dass sie aus einem Vorbereitungsgespräch mit dem deutschen Co-Trainer, Thomas Schneider, stammen. Man könnte also sagen: Ich habe den Matchplan zitiert. Darin sehe ich kein Problem.

Sie können während des Spiels auf einen Datenkanal mit allen möglichen Zahlen und Fakten zugreifen - wie wählen Sie aus?

Mein Assistent Stefan Knobloch schaut ständig in diesen Datenkanal. Er unterbreitet mir dann Vorschläge. Nur nebenbei: Vor dem Spiel Deutschland - Italien habe ich von einem guten Freund aus Köln eine E-Mail bekommen, er schrieb: „Du kriegst 'ne ordentliche Flasche Bordeaux, wenn Du all Deine Zahlen wegwirfst. (lächelt)

Und?

Ich habe in diesem Spiel tatsächlich bewusst all die Zahlen, Geschichten und Statistiken – soweit das eben geht – über Bord geworfen. Die Italiener sind dem breiten deutschen Publikum inzwischen ja eh sehr geläufig. Und im fünften Turnierspiel brauchte ich auch über die deutschen Spieler nicht allzu viel erzählen. Mit anderen Worte: Das passte.

Was genau hatten Sie sich vorgenommen für die Übertragung?

Geh' mehr auf die Emotionen, geh' noch mehr darauf ein, was auf dem Platz passiert. Versuche, die taktischen Gegebenheiten zu erklären und auf die meisten Zahlen zu verzichten.

Wir sprachen vor wenigen Minuten darüber, dass Sie nach dieser Partei auffallend häufig gelobt wurden – besteht da womöglich ein Zusammenhang?

Vielleicht. (lächelt) Übrigens, ich habe inzwischen auch die gute Flasche erhalten.

Sie sagten mal: „Der Fußball wird manchmal auf eine Art und Weise überhöht, die nicht immer gesund scheint“. Herr Simon, wer überhöht den Fußball?

Das ist für mich eher ein gesellschaftliches Phänomen. Nach dieser EM würde ich sogar noch weiter gehen: Das Turnier wurde überfrachtet. Es wurden derart viele Dinge hineingetragen, die mit dem Sport nichts zu tun haben. Da wollte offensichtlich jeder seine persönlichen Interessen unterbringen. Ich bedauere das.