Herr Luzar, spin TV leitet sich von "Special Interest" ab. Wie speziell sind denn die Interessen, die Sie mit Ihrer Produktionsfirma abdecken wollen?

Mein Kompagnon und ich kommen von Vox, wo wir uns sehr lange um Eigenproduktionen gekümmert haben. Damals war es immer unsere Zielsetzung, Formate zu produzieren, die für bestimmte Zielgruppen gemacht sind, damit sie gut vermarktbar waren. Gerade als kleinerer Sender der wir damals waren war es überlebensnotwendig klare Zielgruppen zu definieren, aufzubauen und zu erreichen Und diesen Anspruch haben wir bei spin TV. Nichts ist schlimmer als an einer Zielgruppe vorbei zu produzieren. Aus diesem Grund arbeiten wir auch immer wieder gerne für kleinere Sender wie DMAX oder ProSieben Maxx, wo es um genau diese Zielgruppen-Definitionen geht.

Es kommt Ihnen also entgegen, dass die großen Sender immer mehr kleine Ableger auf den Markt bringen?

Jeder neue Player im Markt ist erstmal herzlich willkommen und sorgt auch erst mal für mehr Programmwettbewerb. Wenn die Sender eigene Formate produzieren lassen, um Köpfe für ihr Programm zu etablieren, dann natürlich umso besser. Das ist in meinen Augen alleine schon deshalb nötig, um eigene Identität zu erschaffen. Mit den "Steel Buddies", die wir für DMAX produzieren, ist uns das ja auch sehr gut gelungen. Es war anfangs allerdings gar nicht so einfach, einen Sender zu finden, der Michael Manousakis haben wollte.

Klingt nach viel Überzeugungsarbeit...

Wir kennen Michael schon seit acht Jahren und waren davon überzeugt, dass er das Zeug fürs Fernsehen hat, weil er einfach ganz wunderbare Geschichten erzählen kann. Wir haben ihn jahrelang allen deutschen Sendern angeboten und irgendwann hat dann DMAX zugeschlagen.

Muss man Kompromisse beim Budget eingehen, wenn man mit kleinen Sendern zusammenarbeitet?

Natürlich muss man flexibel sein. Aber wenn man Kompromisse macht, dann versucht man sich das über Rechte oder Verwertungsmöglichkeiten wieder zurückzuholen. Anders ist das kaum möglich. Aber wir arbeiten ja nicht nur für kleine Sender, sondern für alle Sendergruppen und Sender, von DMAX bis Sat.1.

Am Mittwoch läuft Ihr neues Format in Sat.1 an, in dessen Mittelpunkt der Charité-Professor Michael Tsokos steht. Warum haben Sie mit ihm sogar ein Joint-Venture gegründet?

Das Joint-Venture war für mich wichtig, weil Michael als neunfacher Bestseller-Autor nicht nur sich als Experte vor und hinter der Kamera miteinbringt sondern wir auch gemeinsam versuchen seine Bücher auf allen möglichen Plattformen zu verwerten. Jetzt haben wir den Anfang mit Sat.1 gemacht, wo wir am Mittwoch mit dem Format "Dem Tod auf der Spur – Die Fälle des Professor Tsokos" starten. Darin wollen wir durch die Brille von Deutschlands populärstem Rechtsmediziner nicht etwa erklären, wer der Mörder war, sondern was passiert ist. Wir nehmen den Zuschauer mit, auf eine spannende Recherchetour durch die Rechtsmedizin. Jeder Fall ist ein Rätsel, das Michael lösen muss, um den Täter zu finden. Aber das soll erst der Anfang sein.

Was haben Sie noch geplant?

Michael hat ja nicht nur Sachbücher geschrieben, sondern verfasst auch True-Crime-Romane. Durch den wahren und realen Kern eines jeden dieser Romane bietet es sich geradezu an, zuerst die Verfilmung des Romans zu zeigen und anschließend die Doku zum wahren Fall. Da sind wir gerade in der Entwicklungsphase und führen erste Gespräche mit Partnern. Außerdem entwickeln wir gerade Formatideen, die sich losgelöst vom Genre mit dem Inhalt true crime befassen.

Welche Rolle spielt inzwischen das Netz für Sie? Mit der Bundeswehr-Doku "Die Rekruten" hat Spin TV ja vor einigen Monaten einen großen Erfolg bei YouTube gelandet.

Wir wollen nicht nur klassisches Fernsehen machen, sondern blicken selbstverständlich auch auf die Chancen, die das Internet bietet. Normalerweise hat man selten die Möglichkeit, auf YouTube Formate zu machen, die sich rechnen. Das ist so schade, denn hier findet eine Riesen-Revolution statt. Man kann sehr viel ausprobieren. Nicht zu vergessen, dass das Netz uns alle im Storytelling beeinflusst hat.

Worauf kam es Ihnen an?

Uns war wichtig, dass wir nur echte Geschichten echter Protagonisten zeigen. Wir wollten nichts verschönern, wir wollten die Realität von zwölf Rekruten während ihrer zwölfwöchigen Grundausbildung abbilden. Mit allen Höhen und Tiefen.

"Wir konnten Leute in der für die Bundeswehr wichtigen Zielgruppe erreichen und begeistern. Das ist die Währung, die zählt."
Thomas Luzar, Geschäftsführer spin TV

Einige haben geschrieben, dass die Armee als Kinderspielplatz dargestellt wird. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

Wenn man Realität so abbildet wie sie ist, dann lässt sich das sehr einfach entkräften. Ich kann verstehen, wenn langjährige Soldaten lieber fertige Soldaten gesehen hätten – dann hätte man ganz sicher ein anderes Bild der Bundeswehr bekommen. Allerdings war es nie unser Ziel, die Bundeswehr in ihrer Gänze abzubilden. Wir wollten explizit diesen kleinen Kosmos zeigen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Hat Sie die große Aufmerksamkeit überrascht?

Wenn mir vorher jemand erzählt hätte, wie erfolgreich die Rekruten werden, hätte ich laut gelacht. Wichtig ist aber vor allem: Wir konnten Leute in der für die Bundeswehr wichtigen Zielgruppe erreichen und begeistern. Das ist die Währung, die zählt, denn schließlich hat die Bundeswehr wie viele andere Unternehmen auch Nachwuchsprobleme.

Spielt das Fernsehen eine hierbei eine wichtige Rolle?

Auf jeden Fall. Eine mögliche TV-Ausstrahlung erweitert einfach das Spektrum der Zielgruppe. Je mehr ich davon erreiche umso besser ist es. Und mit RTL II haben wir, glaube ich, einen TV-Partner, der genau unsere Zielgruppe anspricht.

Wie viel kann künftig überhaupt noch erzählen?

Man kann noch sehr, sehr viel erzählen. Die Bundeswehr ist ein riesiger Kosmos mit unzähligen spannenden Geschichten.

Sie haben also Blut geleckt?

Die Möglichkeit die das Internet und im speziellen die sozialen Medien wie YouTube, Instagram, Twitter, Snapchat und jetzt der neue Messanger bietet, ist für jeden Medienschaffenden ein Traum. Man kann ausprobieren, man kann entwickeln, man kann testen.

Haben Sie als kleine Firma nicht die Sorge, gegen die großen Player den Kürzeren zu ziehen?

Nein, eigentlich nicht. Größe ist für mich nicht immer ein Zeichen von Stärke. Wir besinnen uns auf das, was wir können und was uns ausmacht. spin TV ist nicht angetreten, um die mediale Weltherrschaft zu erobern. Wir wollen spannende Geschichten von echten Menschen erzählen. Wir wollen aufklären, informieren und vor allem unterhalten. Die Freude an den Inhalten steht bei uns im Vordergrund. Aber na klar, man muss auch in Netzwerken denken. Das, was ich nicht kann, können andere besser, also tut man sich zusammen und gewinnt dadurch Stärke. Aber nicht unbedingt an Größe.

Herr Luzar, vielen Dank für das Gespräch.