Herr Quecke, in diesen Tagen feiert WDR 5 seinen 20. Geburtstag – streng genommen ein paar Jahre zu spät, denn gestartet ist die Welle schon früher. Was hat es damit auf sich?

(lacht) Ja, Sie haben recht. Das erste WDR 5-Programm gab es eigentlich bereits 1991, vier Jahre später kam es dann zu einem ersten Umbau nach dem Vorbild von BBC Radio Four. Die Welle, so wie sie jetzt mit ihrer Struktur und ihrem Schema existiert, ist allerdings erst 1997 gegründet worden. Diese Geburtstagsstunde feiern wir jetzt unter anderem mit einer großen Radio-Show, die wir am kommenden Samstag live übertragen.

Wie hat sich der Radiosender in dieser Zeit verändert?

Seit WDR 5 in seiner jetzigen Struktur existiert, haben wir die Hörerzahlen vervierfachen können. Aktuell ist es das meistgehörte Informationsradio der ARD. Programmlich sind wir uns in den letzten 20 Jahren sehr treu geblieben. Natürlich haben wir immer mal wieder alte Sendungen eingestellt und neue erfunden – aber stets auf einer sehr stabilen Grundlage. Diese Kontinuität versuchen wir zu bewahren. Das Grundprofil von WDR 5, das sich als Einschaltradio versteht und zum Zuhören auffordert, hat sich bis heute daher nicht verändert.



Gibt es einer Sendung, der Sie heute hinterhertrauern?

Nein. Allerdings hat die Einstellung von "Hallo Ü-Wagen" große Diskussionen nach sich gezogen. Das war eine legendäre Mitmachsendung, die zunächst bei WDR 2 lief und stets vor großem Publikum auf öffentlichen Plätzen stattfand. Wir haben sie abgeschafft, weil wir feststellen mussten, dass die Leute nicht mehr auf den Marktplatz kommen, um sich über Themen auszutauschen, sondern dies im Internet bequemer und ohne Tabus tun. Die treuen Anhänger haben lange mit unserer Entscheidung gehadert. Aber dafür haben wir jetzt zum Beispiel das "Stadtgespräch".

WDR 5 ist sehr informationslastig, gleichzeitig gilt WDR 2 zumindest offiziell noch als Informationsleitwelle. Wie passt das zusammen?

Natürlich ist das journalistische WDR 5 mit 100 Beiträgen am Tag das Informationsradio unter den WDR-Programmen. Aber beide Programme haben ihre Aufgabe. Bei Breaking News ist die Schwelle zur Unterbrechung des geplanten Ablaufs bei WDR 5 höher weil wir größere Formate im Programm haben. Daher hat WDR 2 den Auftrag, den Hörern eine schnelle Erstinformation zu geben. Wir liefern die hintergründige und ausführliche Information.

Die Zahl der Wortbeiträge ist bei WDR 2 zurückgegangen. Kommt Ihnen das zugute?

Auch WDR 2 hat zuletzt Hörer gewonnen. Das zeigt, die Hörer haben sehr unterschiedliche Informationsbedürfnisse. Das kommt uns möglicherweise zugute, wie uns die steigenden Hörerzahlen zeigen. Aber weil jede Welle ihren eigenen Auftrag hat, nimmt WDR 5 seine Rolle als Informationsradio der Programmfamilie gerne wahr.

Im Gegensatz zu anderen wortlastigen Wellen machen Sie den Hörern den Zugang vergleichsweise leicht.

Den Zuhörer zu erreichen, war von Anfang an unsere Programmphilosophie. Wir wollten kein abgehobenes Radio machen, sondern herausfinden, was die Menschen interessiert, was sie bereits wissen, und sie dann dort abholen, wo sie stehen. Heute haben wir durch unsere Marktforschung die Gewissheit, dass unsere Hörer neugierig und aufgeschlossen sind – und zwar über alle Altersgruppen hinweg.

"Ab und zu benötigen die Zuhörer auch mal etwas Luft."
WDR-5-Wellenchef Florian Quecke

Das Durchschnittsalter Ihrer Hörer liegt bei 56 Jahren. Wie wollen Sie künftig auch die Jüngeren erreichen?

Wir stehen – wie die anderen Medien auch – vor der Herausforderung, unseren Content in die digitale Zukunft zu bringen. Die Jüngeren hören schließlich oft gar kein klassisches Radio mehr. Bei den Podcasts merken wir einen deutlichen Zuwachs, zuletzt waren es rund fünf Millionen Abrufe im Monat. Wir wissen also, dass wir mit unseren Inhalten auch Hörer jenseits der linearen Nutzung erreichen. Und wir wissen, dass diese Nutzer erheblich jünger sind als diejenigen, die uns über UKW hören. Um das weiter voranzubringen, werden wir voraussichtlich noch im Oktober eine WDR 5-App herausbringen. Gleichzeitig wollen wir mehr aus den cross-medialen Fachredaktionen herausziehen, also auch neue Angebote für das Netz und Sendungen zusammen mit dem Fernsehen machen. Dabei geht es aber nicht darum, TV-Sendungen 1:1 ins Radio zu übernehmen. Erst vor wenigen Tagen haben wir mit "Quarks & Co." bei einem Schwerpunkt zum Thema Braunkohle gemeinsame Sache gemacht. Das hat gut funktioniert.

Wieso ist Ihnen eigentlich die Musik im Programm so wichtig? Das ist für eine Informationswelle ja nicht ganz gewöhnlich.

Bereits Mitte der 90er haben wir gemerkt, dass es ganz ohne Musik nicht funktionieren kann. Das hat technisch-organisatorische Gründe, da man einen Puffer zwischen Interviews und Nachrichten braucht, aber auch dramaturgische Gründe. Ab und zu benötigen die Zuhörer auch mal etwas Luft, um bei all den Wortbeiträgen entspannen zu können. Anfangs dachten wir noch, dass Instrumentalmusik dafür die richtige Antwort wäre, Musik, die man kaum bemerkt, die nicht stört und die man schnell rein- und rausnehmen kann. Dafür haben wir aber von der Mehrheit der Hörer ordentlich Prügel bezogen. Daraufhin haben wir umgestellt.

Heute geht’s tatsächlich etwas lebhafter zu.

Begonnen haben wir damit vor ungefähr zwölf Jahren. Einen nochmal größeren Schritt sind wir dann vor acht bis zehn Jahren gegangen, als wir Vokal-Titel ins Programm nahmen. Das haben wir anfangs noch zögerlich gemacht, bis es sich durchsetzte. Denn Vokal-Musik ist emotional und lädt auch mal zum Mitsingen ein. Das schafft Instrumentalmusik in aller Regel nicht.

Herr Quecke, vielen Dank für das Gespräch.