Im Oktober gaben Produzent UFA Fiction, Distributor Fremantle Media und Auftraggeber Amazon Prime Video Journalisten aus Europa und Afrika einen Einblick in die laufende Produktion von „Deutschland 86“, der Fortsetzung von „Deutschland 83“. Gedreht wurde zunächst in der Nähe von Kapstadt und derzeit weiterhin in Deutschland. Beim Setbesuch in Südafrika sprachen wir mit Christoph Schneider, Geschäftsführer von Amazon Prime Video in Deutschland, über die geerbte Serie und die Strategie hinter den deutschen Eigenproduktionen.

Herr Schneider, wie kam „Deutschland 86“ eigentlich zu Amazon?

Als wir entschieden haben, deutsche Originals zu produzieren, haben wir mit sehr vielen Leuten gesprochen, auch wenn wir keinen öffentlichen Pitch gemacht haben. Wir waren im intensiven Dialog mit vielen Produzenten, so auch mit Nico Hofmann. Wir haben uns häufiger getroffen und über mögliche Projekte gesprochen. Aber nichts passte zu 100 Prozent. Dann kam bei der UFA das Projekt „Deutschland 83“ auf, aber darüber brauchte man ja nicht sprechen, weil es schon an RTL vergeben war. Wir haben trotzdem signalisiert: So etwas in der Art wäre auch was für uns. Als die Ausstrahlung bei RTL dann so lief, wie sie lief und darüber diskutiert wurde, ob das werbefinanzierte, lineare Fernsehen der ideale Platz für die Serie gewesen sei, kamen wir wieder ins Gespräch - über „Deutschland 86“. Fortlaufend erzählte Serien tun sich ja überall im werbefinanzierten Fernsehen schwer. Das hat ProSieben bei der hervorragenden Serie „This is us“ gemerkt. Wer sie dort nicht gesehen hat, kann sie bald bei Amazon Prime Video sehen.

UFA-CEO Nico Hofmann hat Ihnen für die Geduld bei „Deutschland 86“ gedankt. Können Sie das erklären?

Die UFA und wir waren uns relativ schnell einig, dass das etwas werden könnte. Aber es war dann Nico Hofmann, der intern einen starken Job gemacht hat, weil bei der RTL Group anfangs wahrscheinlich nicht jeder so begeistert von der Idee war, „Deutschland 86“ an jemand anders zu geben, der vielleicht Erfolg damit haben wird – während die eigenen Quotenerwartungen nicht erfüllt wurden. Nico Hofmann hat bis zu höchster Stelle für die Zukunft dieses weltweit erfolgreichen UFA-Projekts gekämpft und entscheidenden Anteil daran, dass wir die Serie bei Amazon Prime Video fortführen können.

Sie haben mit der Produktion von „Deutschland 86“ ein eingespieltes Team geerbt. Wie betreut Amazon eine solche Produktion?

Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich und z.B. bei „Deutschland 86“ anders als bei unserem ersten deutschen Original, „You Are Wanted“. Da waren wir schon an der Geburt beteiligt, und hatten einen intensiven Austausch auch im Skript-Stadium. So auch derzeit bei der zweiten Staffel. „Deutschland 86“ ist wiederum ein Projekt, das im Kopf von Anna Winger schon als Trilogie angelegt war. Das Projekt steht ja schon. Man geht ja auch nicht zu einem 3- Sterne-Koch und sagt ihm dann, wie man die Suppe will. Da geht es höchstens um Feintuning, bei dem wir auf Wunsch gerne Feedback geben.

Bei „Deutschland 86“ aber auch bei „Pastewka“, dem „Bullyparade“-Film oder „Der Lack ist ab“ setzen Sie bei Amazon-Originals auf schon eingeführte Marken. Minimiert das das Risiko?

Sagen wir mal so: Es ist nicht einfach, neue Stoffe zu finden, die wirklich toll sind. Bei den Sachen, die Sie gerade genannt haben, hat sich auch teilweise einfach die Gelegenheit ergeben. Das klingt vielleicht profan, aber wenn Sie sehen, dass da ein Juwel liegt, das im Moment nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommt - bei "Pastewka" zum Beispiel deswegen, weil Sat. 1 keine halbstündigen Slots mehr hat - dann ist das ein Glücksgriff für uns. Ich hätte aber genauso gut etwas gänzlich Neues genommen, wäre ich der Meinung gewesen, es wäre auf so einem Qualitätsniveau wie "Pastewka". Haben wir aber in dem Moment nicht gefunden. Klar ist das Risiko geringer bei einer Kult-Marke, die schon so viele Millionen Zuschauer wie „Pastewka“ erreicht hat. Wir freuen uns auf die neue Staffel Anfang 2018.

Deutschland 86© UFA/Amazon

Jonas Nay und Maria Schrader haben zunächst in Südafrika gedreht. Derzeit laufen weitere Dreharbeiten in Deutschland

Anders als Netflix fehlt Amazon ein Mainstream-Hit wie „Stranger Things“. Hat sich Amazon ein Stück weit in der Nische verloren?

Nein, wir sind laut Marktstudien der größte SVoD-Anbieter in Deutschland. Mit dem größten Publikum geht auch die größte Breite im Programmbedarf einher. Da muss man als Programmdirektor - und das bin ich in der Hinsicht ja auch - für jeden Geschmack etwas haben. Es kommt nicht auf meinen Geschmack an oder auf das, was möglichst vielen gefallen könnte. Es geht um ein rundes Portfolio. Wir haben ja nicht nur einen Slot um 20.15 Uhr, bei dem wir uns überlegen müssen, was wir dort zeigen.  Zu jeder Zeit kann man sich frei entscheiden ob es nun „You Are Wanted“, „American Gods“, „Preacher“ oder eine etwas breitere Sitcom wie „Kevin Can Wait“ sein soll. Uns ist letztlich wichtig, dass für jeden etwas dabei ist und jeder seine Lieblingsserie bei  Prime Video findet. Deshalb freuen wir uns dann auch sehr über ambitionierte Projekte wie „Transparent“. Es ist großartig, wenn eine solche Serie bei DWDL und Preisverleihungen gefeiert wird. Aber das heißt noch nicht, dass alles Programm in die gleiche Richtung geht.