Es ist der Morgen nach den International Emmy Awards - und ihr seht erstaunlich fit aus…

Manuel Meimberg: Die New Yorker feiern ja offizielle Partys nicht bis früh morgens. Und wir wussten ja gestern schon, dass wir heute früh noch ein Date mit dem spannendsten Online-Medienjournalisten Deutschlands haben (lacht).

Schön, dass ihr vorher noch für mich Zeit hattet.

Marie Meimberg: (lacht) Und ich trinke eh keinen Alkohol, daher konnte ich den Abend und den Morgen heute sehr bewusst feiern. Es war mega  schön. Ich mag es einfach, wenn Menschen sich freuen. Wir saßen bei den Norwegern am Tisch, die ganz am Anfang den Preis für die beste Serie abgeräumt haben. Der ganze Tisch ist einfach eskaliert. Man spürt, dass hier zu gewinnen kein Gemauschel oder Quoten-Ding ist. Das ist ja nicht oft der Fall. Preisverleihungen find ich deswegen oft nicht so sexy und bin auch nicht so scharf aufs Gewinnen.

Manuel: Wir sind uns sonst eigentlich sehr ähnlich, aber da unterscheiden wir uns sehr. Ich habe in der Nacht vorher kaum geschlafen, dafür rattert zu viel durch den Kopf. Ich habe nochmal die Judging Guidelines gelesen. Man erhofft sich irgendwelche Erkenntnisse, ob das dann gut oder schlecht für uns sei und so. Viele sagen ja: “Wir sind nominiert und das ist schon Preis genug“. Aber das ist natürlich totaler Schwachsinn. Ich bin doch nach New York geflogen, um das Ding zu gewinnen.



Ist es möglicherweise der Gewinn, der die iEmmys jetzt doch so viel besser macht als andere Preisverleihungen?

Marie: Ne...Ich freue mich über den Emmy, weil bei der Preisfindung so viele Jury-Leute aus aller Welt mitwirken und - auch im Saal und am Wochenende beim Festival: Man trifft andere kreative Menschen aus allen möglichen Ländern, die unser kleines Webprojekt feiern. Das fühlt sich toll an. Thomas, Du hast vorhin erzählt, dass dich im Pressroom gestern Abend Fotografen herablassend angeguckt haben, weil Du nicht mit ner fetten Kamera da saßt, sondern mit dem iPhone Fotos gemacht hast. Weil sie nicht richtig verstehen können, was der Typ da mit seinem Handy macht. So ein bisschen fühlte sich das bei mir immer an, wenn ich mit gestandenen Fernsehproduzenten zusammen war. Genau dafür jetzt ein iEmmy - das ist schon ein bisschen geil.

Manuel: Einige haben sich die Serie im Screening Room des Festivals angeschaut und kamen schon vor der Verleihung auf uns zu und wollten unbedingt mit uns beiden sprechen. Die Prämisse fand eigentlich jeder super - die ist ja auch universell. Worüber aber alle noch viel dringender reden wollten, war das Format: Short Form Series. Und Maries Job - beziehungsweise unsere Zusammenarbeit: Wir arbeiten seit Jahren zusammen und fragen uns bei jeder Idee: Was ist die beste Form - und was ist die beste Plattform für die Idee? Und denken das dann im Schreib-Prozess mit, anstatt das später aufzupfropfen, wie das viele machen. Das funktioniert nicht und ist peinlich.

Marie: Daher ist es wirklich schön, dass das Short-Form-Series-Genre jetzt zum ersten Mal überhaupt verliehen wurde. Das ist gut für die ganze Branche.

Und nach dem Sieg durftet auch Ihr dann durch die kalte Küche der iEmmys...

Manuel: Ja, das ist lustig. Wir sind befreundet mit Anna und Jörg Winger. Und ich konnte mich an deren legendäres Foto in der Küche des Hilton Hotels nach dem Sieg von „Deutschland 83“ letztes Jahr erinnern. Ich habe mir noch gedacht, was für eine tolle Stimmung das sein muss. Und ein Jahr später durften wir den gleichen Weg gehen.

Marie: Das ist so magisch. Um von der Bühne des Ballsaals zum Press Room zu kommen, geht es die Treppe runter durch die Küche des Hotels.  Da läuft dann die ganze Crew euphorisch an gratulierenden Kellnern vorbei durch den Bauch des Hilton. Mit der Emmy-Trophäe in der Hand.

Die Meimbergs© Meimberg

Ein Emmy-Selfie nach der Preisverleihung: Manuel und Marie Meimberg

 Ihr hattet auch schon weniger glamouröse Emmy-Erfahrungen, richtig?

Manuel: Wir waren ja schon zwei Mal für einen Emmy nominiert. 2008 und 2009, damals war das noch ganz klein in Cannes und hieß Digital Emmy. Das war noch so ein bisschen verstohlen. Schön außer Sichtweite der Fernsehmacher und viel kleiner. Den International Emmy für „Familie Braun“ zu bekommen - das war auf der beruflichen emotionalen Ebene der Höhepunkt und Abschluss für das Projekt.

Marie: Ein Projekt, dass es ohne Lucia Haslauer, Quantum und Kleines Fernsehspiel vom ZDF nie gegeben hätte. Sie ist für mich die Seele des Projekts. Sie hat im Projekt und im ZDF für neue Ansätze gekämpft - und es sich dabei nie leicht gemacht.

Wer war der erste, der aus Deutschland reagiert hat?

Marie: Bei mir hat sich meine Mama zuerst gemeldet.

Manuel: Bei mir war es auch die Familie. Die waren enttäuscht, dass es keinen Livestream der Verleihung gab. Meine Mama musste ich via Whatsapp auf dem Laufenden halten, die war ganz aufgeregt. Es waren aber schon auch noch überraschend viele Leute wach.

Marie: Bei Twitter und Instagram haben es sehr viele Leute live mitbekommen.

Manuel: Wir lagen irgendwann nachts im Hotelbett und dann kommt man vom Smartphone gar nicht mehr los: Deutschland war erwacht und unsere Smartphones standen gar nicht mehr still.

Short Form Series heißt die Kategorie in der Ihr gewonnen habt. Sind Begriffe wie Webvideo oder Digital Series tot?

Manuel: Ich hoffe es. Den Begriff Webserie konnte ich nicht mehr hören. Es geht doch um die Form des Erzählens und nicht um die Plattform, deshalb ist Short Form ein guter Begriff. Die ständigen Diskussionen „TV versus Internet“ und die Frage, ob Short Form nun das neue Fernsehen sei. Neu am Fernsehen ist vielleicht der Flatscreen an der Wand. Das Handwerk bleibt das Erzählen von Geschichten.

Marie: Es war doch von allen Seiten ein peinlicher Kampf. Wenn YouTuber sagen: “RTL ist schlecht und wir sind das neue Bessere!” dann stimmt das doch nicht. Auf YouTube sehe ich doch auch lauter “Die 10 krassesten... was auch immer”-Videos. Das gibt es auch auf RTL! Aber das interessiert uns nicht. Wir wollen Geschichten erzählen. Es ist  doch spannend zu sehen, was dabei herauskommt, wenn sich alle Seiten gemeinsam an einen Tisch setzen. Dafür müssen aber alle maximal offen sein. Lasst uns in Geschichten denken - und dann entscheiden, ob das selbstgemacht ins Netz geht, eine Highend-Produktion wird oder wir einen individuellen Weg gehen und zum Beispiel beim Kleinen Fernsehspiel im ZDF, also der Lucia, anklopfen.

Welchen Impuls würdet Ihr Euch nach diesem iEmmy-Gewinn wünschen?

Marie: Der iEmmy sollte Anlass sein, um mutig zu bleiben und mehr Projekte dieser Art zu fördern.

Seht ihr da zum Beispiel auch funk stärker in der Pflicht?

Marie: Ich finde es super, dass da eine neue Chance entsteht, eben solche mutigen Projekte zu fördern. Wenn es nach mir geht, kann funk da gerne noch mutiger sein. Es bringt auch für funk nichts, bekannte YouTuber einzukaufen. Das macht nur dann Sinn, wenn es in den Geschichten verankert ist, wenn es inhaltlich passt.   funk ist jetzt ein Jahr alt. Die sollen sich mal eingrooven und einarbeiten. Aber die Frage wohin es mit Webvideo bzw. Short Form Series geht, würde allein schon ein ganzes Interview füllen.

Das können wir gerne einmal fortsetzen. Zunächst aber mal lieben Dank an Euch.

Was bedeutet der International Emmy Award für die Produktionsfirma Polyphon? Welchen Impuls kann der Sieg in New York geben? Und wie transportiert man die schöne, aber doch sperrige Emmy-Trophäe eigentlich sicher zurück nach Deutschland? Antworten darauf gibt es am Freitag im Gespräch mit Beatrice Kramm, Geschäftsführerin Polyphon.