Herr Meyer, Zattoo ist seit mehr als zehn Jahren im deutschen Streaming-Markt aktiv. Sind sie jetzt noch Startup oder schon Establishment?

(lacht) Zattoo ist längst ein erwachsenes Unternehmen, wird im Markt aber als dynamischer Jugendlicher wahrgenommen. Was ich damit meine: Wir machen schon seit vielen Jahren, wie einige im Markt es nennen würden, „irgendwas mit Streaming“. Für uns ist das ein Geschäft, in dem wir inzwischen seit mehr als zwölf Jahren agieren. Es ist für uns nicht neu, sondern mit viel Erfahrung stetig verbessert. Der Markt wiederum hat damals als wir anfingen, gar nicht verstanden, was wir hier machen wollen. Das hat gedauert. Deswegen wirkt das, was wir machen, neuer als es eigentlich ist. Aber einen in seinen alten Strukturen sehr erfolgreichen Markt wie das lineare Fernsehen von Veränderungen zu überzeugen, brauchte Zeit.



Und wie viele Menschen nutzen im Jahr 2018 nun Zattoo in Deutschland? Können Sie da mal eine Hausnummer nennen?

Wir sind inzwischen auf Augenhöhe mit einigen mittelgroßen Kabelnetzbetreibern in Deutschland. Im vergangenen Jahr konnten wir die Subscriber-Zahlen mal eben verdoppeln. Da hat der DVB-T-Wechsel definitiv geholfen. Gar nicht so sehr am 1. April vergangenen Jahres, aber in den Monaten danach, weil TV-Streaming zunehmend als Alternative zu traditionellen Empfangswegen angesehen wird. Anfang 2018 verzeichneten wir jeden Monat rund 650.000 Nutzer in Deutschland, wenn wir Gratis- und Bezahl-Angebot zusammennehmen. Zur WM werden es, aus Erfahrung heraus, dann auch wieder deutlich siebenstellige Nutzerzahlen sein. Diese Reichweite hilft inzwischen auch bei der Wahrnehmung.

Sie sprechen selbst die Wahrnehmung an. Zattoo war lange ein Nischenprodukt. Wenn man sagt, dass Sie Ihrer Zeit voraus waren, kann das ein Lob sein. Aber unternehmerisch auch gefährlich, wenn man keinen langen Atem hat….

Wir haben sehr früh gesagt: Fernsehen über das Internet wird einmal der Standard werden. Vor zehn Jahren gab es darauf hin großes Köpfeschütteln. Wenn alle gleichzeitig streamen, dann breche doch das ganze Internet zusammen! So wurde damals argumentiert. Wir reden über eine Zeit, in der Netflix das Streaming noch gar nicht gestartet hatte. Das lässt vielleicht erahnen, wie skeptisch damals die Idee von Zattoo betrachtet wurde. Fernsehen über das Internet ist jetzt in den vergangenen zwei, drei Jahren für immer mehr Menschen Realität und weniger ein Experiment.

Interessant ist doch die Evolution von Streaming in Deutschland. Es begann mit „Fernsehen via Computer“, dann war mobiles Fernsehen en vogue…

…und jetzt wieder das Wohnzimmer. Wir sind in der Tat gestartet mit der Nutzung über den PC, dann kamen die mobilen Geräte. Smartphones und Tablets waren ein großes Wachstumspotential. Da war die EM 2012 ein großer Treiber für uns. Damals war mobiles Fernsehen - lizenzrechtlich allerdings nur über Wifi - der große Trend und alle haben sich darauf gestürzt. Die Bewegung zurück ins Wohnzimmer - Stichwort Smart TV - ist jetzt für uns der wichtigste Schritt hin zu dem Ziel, Fernsehen über das Internet als regulären Empfangsweg und ohne zusätzliche Technik oder Vertragslaufzeiten zu etablieren. Nach dem Hype um mobiles Fernsehen, ist jetzt Smart TV in der breiten Masse angekommen und mit der sich entwickelnden Internetgeschwindigkeit hat sich auch Zattoo entwickelt. Für den großen Fernseher braucht es HD-Qualität und die muss gewährleistet sein, um sagen zu können: Wir ersetzen ihren bisherigen TV-Anbieter. Das ist ein weitaus ambitioniertes Ziel als ein Zusatzangebot für die mobile Fernsehnutzung zu sein. An diesem Ziel arbeiten wir seit zwei Jahren.

Aber Fernsehen über das Internet muss sicher noch Zweifler einer stabilen Verbindung überzeugen. Und die hängt ja nicht nur an Ihnen, sondern an der Geschwindigkeit der Internetverbindung. Sie sehnen den Breitbandausbau in Deutschland dementsprechend auch schon herbei?

Absolut. In der Tat ist eine der häufigsten Fragestellungen, die wir immer wieder hören - von interessierten Nutzern aber auch der Presse -, die: Wie stabil ist denn der Stream? Diese Vorbehalte nehmen zwar ab, weil immer mehr Menschen andere Streamingangebote wie Netflix oder Amazon Prime Video nutzen und wissen, wie gut es funktioniert. Bis auf die ländlichen Gebiete eben. Deswegen spielt uns der Breitbandausbau in Deutschland in die Hände – möge er bald flächendeckend umgesetzt sein.

Netflix, Amazon und Co. haben Ihnen also geholfen?

Ja, auch Maxdome oder DAZN. Alle SVoD-Angebote helfen uns, das Vorurteil aus der Welt zu schaffen, Streaming sei etwas für den Computer und unfassbar technisch. Uns eint also die Kommunikation: Auch auf dem Wohnzimmer-Fernseher kann der Content via Internet kommen. Und sie helfen uns auch noch auf einem zweiten Wege, weil auch sie eine Fernsehnutzung kultivieren, die flexibel ist. App runterladen, Account anlegen - ohne lange Laufzeiten - und schon kann man losschauen. Das ist eine Flexibilität, die ich weder bei Kabel noch Satellit habe. Denn auch beim Satellit brauche ich erst mal die Technik auf dem Dach. Fernsehen via App ist einfacher und uns ist wirklich egal, auf welchem Endgerät sie letztlich gucken.

Die angesprochenen Provider - Kabel aber auch Satellit - begegnen dem intensiveren Wettbewerb um die reine Bereitstellung von Programmen mit der Bereitstellung von technischen Endgeräten oder aber investieren in exklusiven Content. Zattoo ist Zattoo, ein Dienstleister. Aber Sie bieten ja im Grunde nichts, was andere nicht auch bieten. Reicht das in der Zukunft?

Da würde ich widersprechen. Wer zum Beispiel vom Satellitenempfang zu Zattoo wechselt, wird von Aufnahme-Funktion über ReStart-Möglichkeit bis OnDemand-Angebot einige Features entdecken, die er oder sie bislang nicht hatte. Und die Funktionalität, unsere App auf diversen Endgeräten zu nutzen und so für jede Nutzungssituation gerüstet zu sein, ist auch neu für jemanden der sich bislang noch nie intensiver mit Streaming beschäftigt hat. Da gilt das, was ich eingangs sagte. Für uns ist das schon ein erwachsendes Produkt aber für den Markt unverändert eine Innovation.