Frau Schodder, Sie sind jetzt zwei Jahre im Amt. Wie hat sich Sixx seither verändert?

Als ich angefangen habe, war sixx in einer Umbruchphase. Das hatte viel mit der Strategie zu tun, den Sender breiter zu positionieren, also weg vom reinen Frauensender. Wir nannten es intern: das Stoppschild für die Männer wegnehmen. Damals lief unter anderem das normale "Big Brother" auf Sixx. Wir mussten uns dann irgendwann fragen, ob das der richtige Weg ist, oder ob es nicht doch richtiger ist, beständiges Wachstum gerade wieder durch die Schärfung der Zielgruppe zu erlangen. Und genau das ist der Weg, den ich gehen wollte und gehe.

Was ist danach geschehen? 

2017 war kein einfaches Jahr für Sixx. Wir haben viel getestet und uns verstärkt die Frage gestellt, was unsere Zuschauerin eigentlich will – und ob sie das nur im Fernsehen möchte oder auch auf anderen Plattformen. Die Erkenntnisse, die wir daraus gewonnen haben, konnten wir in diesem Jahr umsetzen – mit Erfolg: Wir wachsen 2018 um die 20 Prozent bei den Marktanteilen im Vergleich zum Vorjahr. Wir erleben eine Transformation, die im Grunde auf unseren Ursprung zurückführt: Sixx ist ein Frauensender, gut gelaunt, vermittelt ein junges Lebensgefühl, ist überraschend, feiert das "perfectly imperfect"-Sein, ist mutig.

Ist denn weiteres Wachstum machbar? Viel mehr als zwei Prozent scheint für kleine Sender kaum möglich zu sein, sieht man mal von ZDFneo ab. 

Selbst TV-Marktanteile unter zwei Prozent bedeuten eine hohe Reichweite verglichen mit anderen Branchen wie zum Beispiel Print. Aber für mich sind Markenklarheit und Vermarktbarkeit fast noch wertvoller. Bei Sixx geht es mir nicht darum, um jeden Preis über die zwei Prozent zu kommen. Ich habe aber sehr wohl die Ambition, weiter mit der Frauen-Zielgruppe zu wachsen – linear und digital.

Lässt sich im Digitalen denn so gutes Geld verdienen wie im Fernsehen? 

Momentan vielleicht noch nicht, aber das wird sich relativ schnell ändern. Ich vergleiche das gerne mit den Anfangsjahren des Privatfernsehens, auch da war Geduld gefragt. In Zukunft werden für uns im Digitalen vor allem drei Wege entscheidend sein: das klassische Catch-Up, bei dem die Zuschauer unsere Programme nach Ausstrahlung auf unseren digitalen Plattformen schauen. Das funktioniert super, auch weil wir heute von Serien wie "This Is Us" nicht nur eine Folge, sondern mehrere gleichzeitig online zeigen können. Das macht Binge-Watching möglich und kommt dem User entgegen. Und das Schöne ist: Es herrscht trotzdem keine Kannibalisierung mit TV. Der zweite Ansatz sind Produkte on top, die an unsere TV-Marken andocken, wie etwa im "Paula"-Kosmos – also Ideen rund um unsere Sex-Expertin Paula Lambert. Es gibt zum Beispiel seit September einen Paula-Podcast, der schon sehr viele Fans hat und täglich neue Hörer dazugewinnt. Der dritte Weg sind "Digital Originals" wie etwa "Single Diaries" – eine fiktionale Serie, die für Sixx und Sat.1 Digital entwickelt wurde.

Online wird die Marke Sixx allerdings eine kleinere Rolle spielen, wenn Sie 7TV über alles schreiben.

Mir ist wichtig, dass die Zuschauer ein Sixx-Programm erkennen, egal, wo sie es finden – auch wenn nicht Sixx draufsteht. Paula Lambert wird als Sixx-Expertin wahrgenommen, auch wenn das nicht unbedingt in der Bauchbinde steht. Wir stellen uns daher immer wieder die Frage, wie wir unseren Content "sixxifizieren". Dafür haben wir u.a. eine Tour durch die Synchronstudios gemacht. Wir wollen, dass unsere Synchronsprecher verstehen, wie Sixx "spricht".

Und wie spricht Sixx?

Eher umgangssprachlich, nicht immer druckreif – wie bei einem Mädelsabend eben. Wir duzen und sprechen frei heraus.

Woran lässt sich Ihre Handschrift im Programm abseits der Sprache erkennen?

Die erkennt man vielleicht schon etwas länger. "Sweet & Easy" war die erste Eigenproduktion, die ich – damals noch als Redakteurin – mitverantwortet habe, "Paula kommt" die zweite. Die Tatsache, dass diese Formate seither erfolgreich laufen und sich stetig weiterentwickeln, freut mich schon sehr. Im Frühjahr 2019 wird es eine weitere neue Eigenproduktion geben: Nachdem unsere Formate rund um das Thema „Hund“ am Wochenende gut funktionieren, werden wir den "Welpentrainer" von der Leine lassen. Fündig geworden sind wir in Köln bei Hundetrainer André Vogt, der kompetent und "sixxig" versuchen wird, Ordnung in das süße Hunde-Chaos zu bringen. Produziert wird das Format von Docma TV.

"Man muss auch mal über den Tellerrand schauen, um Frische ins Programm zu bringen."
Wiebke Schodder

Eigenproduktionen werden für Sixx also wichtiger? 

Ja, aber unser Sender wird auch in Zukunft nicht auf einem Bein stehen. Mir ist die Verlässlichkeit im Programm wichtig, und deshalb setzen wir weiterhin auf unsere drei Programmsäulen Eigenproduktionen, Internationales Dokutainment und Internationale Fiction. Wir machen beispielsweise Binge-Watching mit "Charmed" am Morgen – das gewinnt vielleicht keinen Innovationspreis, kommt bei unseren Zuschauern aber gut an. Aus diesem Grund haben wir uns auch dazu entschieden, die "Charmed"-Neuauflage aus den USA im kommenden Jahr bei uns auszustrahlen.

Grundsätzlich fällt bei der US-Fiction aber selbst für kleinere Sender immer weniger ab, oder?

Das kann ich so nicht unterschreiben. Wir haben tolle Highlights für das nächste Jahr, dazu gehört die dritte Staffel von "This Is Us", die voraussichtlich im März startet. Wir zeigen außerdem die von Eva Longoria produzierte US-Serie "Grand Hotel", haben neue Folgen von "The 100", "Code Black", "Shadowhunters", "The Exorcist", oder auch "Supergirl" und werden zum Beispiel "Younger" wiederholen, das hervorragend zu Sixx passt. Natürlich wünschen wir uns das nächste "Sex and the City", also das nächste Kultformat, aber das wird eben nicht über Nacht geboren. Deshalb muss man auch mal über den Tellerrand schauen, um Frische ins Programm zu bringen.

Wohin blicken Sie?

Wir haben beim brasilianischen TV-Network Globo die Telenovela "Total Dreamer" entdeckt, die bei uns im Nachmittagsprogramm laufen wird. Erzählt wird die Geschichte eines armen Mädchens, das von einer Modelkarriere träumt. Eine klassische Story, aber absolut hochwertig produziert und sehr emotional erzählt. Das hat uns überzeugt. Unsere Zuschauer werden sie lieben.

Neben Fiction und Eigenproduktionen kommt eingekauftes Dokutainment als dritte Säule hinzu. Sie beziehen viele Inhalte vom Scripps Network, das gerade von Discovery gekauft wurde. Was bedeutet das für Sixx?

Wir haben die Scripps-Programme nach wie vor on air und sprechen mit Discovery, wie wir weitermachen. Aber auch abseits davon sind wir gut aufgestellt – dank vieler klarer Primetime-Labels. Am Freitagabend werden wir im nächsten Jahr wieder "Germany‘s Next Topmodel" als direkte Wiederholung, also einen Tag nach Erstausstrahlung, zeigen können. Es mag überraschen, aber es ist tatsächlich so, dass wir mit Sixx noch einmal zusätzliche Zuschauer erreichen.

Zum Schluss noch ein Thema abseits des Programms: Wenn ich mir die Senderchefs in Deutschland anschaue, sehe ich wenige Frauen. Worauf führen Sie das zurück? 

Bei der ProSiebenSat.1 TV Deutschland sind wir sehr gut aufgestellt. 40 Prozent der Geschäftsführung sind Frauen, was deutlich über dem Durchschnitt liegt. Unsere Geschäftsführerinnen Katja Hofem und Eun-Kyung Park waren übrigens beide mal Sixx-Chefinnen. Und was die weiteren Senderchefs bei uns im Haus angeht: Ich finde, dass sie alle exzellente Markenbotschafter sind. Da ist dann auch die Geschlechterfrage sekundär.

Sie wünschen sich also keine Quote?

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Gleichberechtigung zu 100 Prozent gelebt wird, und das gilt auch für die Wirtschaft. Oberste Priorität sollte in meinen Augen die Qualität haben. Beim Frauensender Sixx macht es natürlich Sinn, dass wir hauptsächlich – selbstverständlich top-qualifizierte – Frauen beschäftigen. Da können wir uns eine Gedankenschleife im Kopf sparen. (lacht)

Frau Schodder, vielen Dank für das Gespräch.