Frau Ruff, Frau Fraser, am Montagabend startet die dritte Staffel von „Love Island“. Inzwischen hat das Format zahlreiche Nachahmer. Wie heben Sie sich in der Menge der Dating-Formate ab?

Shona Fraser: Wir haben einige Zutaten, die sonst keiner hat. Natürlich behauptet zuerst einmal jedes Format einen sensationellen Cast zu haben, wir auch. Aber was uns unterscheidet ist die Flexibilität der Tagesaktualität. Wir sehen jeden Tag, wie es läuft und wie welche Kandidatinnen und Kandidaten ankommen. Wenn Überraschungsmomente fehlen, können wir auch daran arbeiten. Von einem Tag auf den anderen. Wir sind Daily

Christiane Ruff: Wir sind im klassischen Sinne keine Schnitt-Show, die in der Postproduktion über Wochen und Monate konfektioniert wird und dann irgendwann on air geht, wenn alle längst schon wieder zuhause sind. „Love Island“ kommt täglich zum Zuschauer und über die App ist man auch interaktiv zwischen den Sendungen eingebunden, was - wie Shona schon sagte - ja auch Einfluss auf unsere Entscheidungen für die Sendungen hat. Wir sind quasi live. Bei uns ist das Publikum dabei, wenn etwas passiert und bekommt es nicht erst Wochen später lauwarm serviert. Und wie Sie am Set ja sehen konnten: Das ist keine schnelle Sache hier, das ist eine wertige Produktion eines gut eingeführten Formats, welches unsere Kollegen von ITV Studios Global Entertainment auch sehr genau schützen, weil es in UK und weltweit ja ein sensationeller Hit ist.

Wie nah sind Sie denn am Original? Oder gibt es Aspekte, die fürs deutsche Publikum adaptiert werden mussten?

Shona Fraser: Vor der ersten Staffel fragten mich Einige aus der Branche, wie wir das Format denn bloß für Deutschland adaptieren wollen würden. Meine Antwort damals wie heute: Das Format ist stark und bietet so viel, dass wir nicht versuchen müssen, etwas künstlich neu zu erfinden.

Aber Sie sind, trotz vier Wochen in diesem Jahr, weiterhin deutlich kürzer…

Shona Fraser: Wir sind kürzer, haben dadurch natürlich ein anderes Timing, eine andere Zielführung als die Engländer. Wir versuchen deshalb schneller zu verkuppeln. Die Engländer haben nach vier Wochen mit der Casa Amor einen großen Wechsel, da sind wir schon fertig durch. In der Form sind wir anders. Was aber ein ganz entscheidendes Alleinstellungsmerkmal ist für „Love Island“, und was wir genauso nutzen wie die Engländer, ist die Social Media- und Online-Power. Die App, die Aftershow bei YouTube Facebook, der Podcast, Instagram. Alle haben in den letzten Tagen schon so viel über „Love Island“ gesprochen. Unsere alten Folgen waren vergangene Woche ganz oben in den Abrufen bei TVNOW. Wir haben eine unglaublich starke Community. Das haben andere Dating-Shows in der Form nicht.

Welchen Einfluss hat das Feedback der Zuschauerinnen und Zuschauer denn wirklich?

Shona Fraser: Also, wer dieses Format macht, muss Nerd sein. Wir leben hier ja auf nem Parkplatz in unseren Baucontainern und haben ohne Ablenkung unseren Fokus. Wir fokussieren uns in dieser Zeit ganz auf „Love Island“. Wir studieren jede Nacht Twitter, Instagram und Facebook und analysieren genau worüber diskutiert wird. Und sobald wir merken, es gibt eine klare Erwartungshaltung für die nächste Folge, ändern wir die. Unser Motto ist „Expect the Unexpected“. Ganz wichtig dabei: Wir meinen damit z.B. die Auswahl dessen, was wir in der täglichen Sendung zeigen oder welche Impulse wir geben. Der Cast selbst macht was er will. Und natürlich können die Zuschauer bei Votings und Umfragen in unserer Love Island-App selbst mitbestimmen.

Alexander Krei, Christiane Ruff, Thomas Lückerath, Shona Fraser

Alexander Krei und Thomas Lückerath am Set von "Love Island" im Gespräch mit Christiane Ruff und Shona Fraser. (Foto: Magdalena Possert)

Welches Social Network ist da inzwischen das Wichtigste?

Christiane Ruff: Eindeutig Instagram. Was übrigens auch ein Fundort für unsere Islanderinnen und Islander ist, die ja auch davon träumen, nach der Sendung die ganz großen Influencer zu werden.

Nach welchen Typen sucht man denn für „Love Island“. Gibt es gewisse Charaktere, die ein Cast braucht?

Shona Fraser: Es gibt ein banales englisches Wort, das über allem steht und bei dem wo ich trotzdem das Gefühl habe, dass nicht alle Dating-Formate sich daran halten. Wir sagen: Alle Kandidatinnen und Kandidaten müssen likeable sein. Man musss sie mögen. „Love Island“ ist vier Wochen lang jeden Abend bei unseren Zuschauerinnen und Zuschauern im Wohnzimmer. Auch die Biestigen muss man mögen.

Christiane Ruff: Entscheidend ist, dass sie plauderig sind, wie ich es formuliere. Sie müssen sich gerne mitteilen wollen. Du hast nichts davon, wenn du gutaussehende Kandidaten hast, egal ob Mann oder Frau, die dann wie stille Mäuse da sitzen und permanent nur wie für Instagram posen. Ich weiß noch wie ich vor der ersten Staffel zu unseren Castern gegangen bin und wir uns das nochmal als Vorgabe ins Bewusstsein gerufen haben. Wichtig auch: Dass unsere Islander nicht nur sich selbst gerne reden hören, sondern auch aktiv mit Anderen plaudern. Kurzum: Sie müssen social sein. Das ist wichtiger als exhibitionistisch zu sein. Auch wenn sie natürlich alle stolz sind auf ihren Körper.

Shona Fraser: Wir machen das Casting für „Love Island“ auch anders als bei anderen Sendungen. Das ist ein sehr komplexer Prozess inklusive Recall und da sind wir alle anwesend. Das ist ein Commitment von uns als Sender: „Love Island“ ist für RTL II so wichtig, dass ich beim Casting die ganze Zeit mit an Bord bin. Wir können hier Vieles indirekt beeinflussen, aber wenn wir beim Casting einen Fehler machen, lässt der sich auf Mallorca nicht mehr beheben.

"Wenn es unseriös wird, dann wird's schäbig."
Christiane Ruff über Bieterwettstreits unter den Produktionsfirmen

In Großbritannien ist die Sendung, wie schon erwähnt, doppelt so lang. Und im Winter kommt erstmals ein Winter-„Love Island“. Wie viel mehr „Love Island“ ist in Deutschland vorstellbar?

Christiane Ruff: Inhaltlich wäre das kein Problem, aber je länger, je teurer. Das ist ein ganz banaler Grund, den man nicht von der Hand weisen darf. Wir sind hier mit insgesamt 300 Leuten auf Mallorca, mehr als je zuvor. Das Team arbeitet in Schichten. Das ist ein Monsterapparat. Im Vergleich zum letzten Jahr aber besonders zum ersten Jahr von „Love Island“ haben wir hier aufgestockt, weil das Format alles abverlangt, gerade wenn man kurzfristig reagieren will. Und es ist auch eine Frage der Verfügbarkeit von Personal. Die Fernsehbranche ist eine Kreativbranche und ein Format lebt auch davon, den Gold-Standard der Realisatoren und Cutter gewinnen zu können. Machen wir uns nix vor: Neben Redaktion, Regie und Executive Producers entsteht im Schnitt dann das Reality-Gold. Und wir haben inzwischen so viele Formate im deutschen Fernsehen, dass die Kollegen sich aussuchen können, für welches Format sie arbeiten wollen. Das muss man mal so sagen. Das ist ein vielbeschäftigter Wanderzirkus und hier über einen langen Zeitraum die Wunschkolleginnen und -kollegen zu verpflichten, wird immer schwieriger.

Also ein Personalengpass bei der Reality-Produktion?

Christiane Ruff: Definitiv. Wir haben neulich mal einen Round Table initiiert, bei dem auch unserer Kollegen von Seapoint, Sony und Warner mit am Tisch saßen. Uns allen ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Wir haben - ohne jetzt Namen von Produktionsfirmen zu nennen - auch schon erlebt, dass das zu einem Bieter-Wettstreit geführt hat, in dem plötzlich unverhältnismäßige Summen geboten wurden, um den Markt leer zu fegen. Das schadet langfristig der Produktionslandschaft, weil sich diese Preise nicht refinanzieren. Ich sage da: Wenn es unseriös wird, dann wird's schäbig. Die beste Lösung ist: Mehr Nachwuchs ausbilden, aber hier fehlen insbesondere im TV-Bereich mehr Ausbildungsmöglichkeiten.