Herr Heidemann, Sie haben Ihre Promotion über französische Operngeschichte geschrieben. Das ist erst mal ziemlich weit weg von großen TV-Unterhaltungsshows. Wie nah waren Sie früher dran an "Wetten, dass..?"?.

Ich bin, was das Fernsehen angeht, ganz normal sozialisiert und habe früher alles angesehen, was die Kiste flimmern ließ. Da hat mich natürlich auch "Wetten, dass..?" geprägt. Die Liebe zur Klassik kam ohnehin ein wenig später. Aber französische Oper und gute Unterhaltung schließen sich nicht aus. Am Ende wollen beide dasselbe.

Nun holen Sie "Wetten, dass..?" ins ZDF zurück. Wie viel Raum für Nostalgie wird es geben?

Die Nostalgie schwingt bei "Wetten, dass..?" immer mit, weil diese Show das deutsche Bewusstsein von Fernsehen mitgeprägt hat. Am kommenden Samstag soll die Nostalgie aber eher subkutan vermittelt werden. Es wird keine Rückblicke und Best-Of-MAZen geben, weil wir das schon zweimal hatten - bei der letzten Sendung mit Thomas Gottschalk vor zehn Jahren und dann noch einmal Ende 2014, als "Wetten, dass..?" eingestellt wurde. Diesmal machen wir eine ganz klassische Sendung, so wie sie sich die Zuschauerinnen und Zuschauer vorstellen, wenn man sie darauf ansprechen würde.

Wie wird die Neuauflage optisch daherkommen?

Die späten Neunziger und Nuller-Jahre mit Thomas Gottschalk waren für die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer sicher die prägendste "Wetten, dass..?"-Zeit. Es gibt deshalb bei unserer Neuauflage eine klare Referenz an diese Gottschalk-Jahre. Das Bühnenbild ist zwar neu, aber Sie werden es sofort wiedererkennen. Auch wenn die Couch am Ende mal beweglich war: "Wetten, dass..?" war immer dieses Triptychon - mit der Couch im Zentrum und dem Platz links und rechts für Showacts und Wetten. Genau daran knüpfen wir an.

Die Besonderheit liegt auch darin, dass "Wetten, dass..?" eine ZDF-Eigenproduktion ist. Was bedeutet die Neuauflage für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Lerchenberg?

Das ist etwas ganz Besonderes. Für uns im ZDF ist die Titelmelodie bis heute eine Art Champions-League-Hymne. Ich scherze immer: Wenn die Melodie beginnt, macht draußen schon jemand den Ü-Wagen an. (lacht) "Wetten, dass..?" war ja schon immer eine Eigenproduktion. Nicht nur die Redaktion, die sich die Shows ausdachte, sondern auch die gesamte Technik - all das kam von ZDFlern. Deshalb besaß "Wetten, dass..?" seit jeher einen großen Stellenwert für das Haus. Wir waren nicht nur stolz auf den Erfolg dieser großen Show, sondern auch auf die gemeinsame Leistung, diese komplexe Sendung als ZDF-Team hergestellt zu haben. Aus diesem Grund waren alle direkt Feuer und Flamme, als wir uns dazu entschieden haben, noch einmal "Wetten, dass..?" zu machen. Von Beginn an griff bei der gesamten Vorbereitung wieder ein Rad ins nächste. Fast so, als hätte es nie eine Pause gegeben.

Sie haben immer gesagt, dass "Wetten, dass..?" nur denkbar ist, wenn es eine volle Halle gibt. Wie viele werden denn am Samstag in Nürnberg dabei sein?

Die Halle ist voll. Stand heute kommen etwa 2.600 Menschen.

 

Für uns im ZDF ist die Titelmelodie bis heute eine Art Champions-League-Hymne.

 

In Nürnberg liegt die Corona-Inzidenz derzeit bei über 200. Wie groß ist die Sorge, dass alles noch einmal ganz anders kommen wird als geplant?

Wir arbeiten bei "Wetten, dass..?", wie bei allen Produktionen auch, sehr streng nach den am jeweiligen Übertragungsort geltenden Corona-Maßnahmen. Das gilt für die Mitwirkenden ebenso wie für das Publikum. Aber wir wissen natürlich auch, dass in diesen Zeiten immer eine Ampel von Gelb auf Rot springen kann. Davon gehen wir aktuell aber nicht aus, sodass ich zuversichtlich bin, dass die Produktion gut funktionieren wird.

Sie selbst hatten, bevor Sie Unterhaltungschef wurden, die Leitung von "Wetten, dass..?" Mitte 2013 übernommen. Das war ein gutes halbes Jahr, nachdem Markus Lanz auf Gottschalk folgte. Wie haben Sie diese Zeit wahrgenommen?

Das war eine sehr intensive Zeit, weil sie geprägt war von einer starken Publizistik und unzähligen Reaktionen in den sozialen Medien, die damals fast noch in den Kinderschuhen steckten. Wir sahen uns vielleicht erstmals mit Shitstorms konfrontiert. Ich hatte immer das Gefühl, während der Sendung wird die ganze Geschichte schon live zerfleddert, auch wenn für mein Empfinden ein paar sehr gute Shows darunter waren. Doch es gab einen ständigen Gegenwind, was für eine Showproduktion, die Spaß vermitteln soll, nicht der schönste Startpunkt ist. Gleichwohl ist Markus sehr souverän und selbstbewusst da durchgegangen. Das rechne ich ihm bis heute hoch an.

Jetzt kommt "Wetten, dass..?" also wieder zurück - mit Thomas Gottschalk und vorerst einmalig. Wäre für die Show denn auch über den 6. November hinaus ein Platz im ZDF-Programm denkbar?

Unser Plan ist, dass es ein einmaliger Event bleibt.

Aber Pläne kann man ja ändern.

So ist das Leben. (lacht)

Thomas Gottschalk © ZDF/Tobias Schult Thomas Gottschalk moderierte "Wetten, dass..?" von 1987 bis 1992 sowie von 1994 bis 2011. Für die Neuauflage übernimmt er noch einmal das Samstagabend-Zepter.

Die Vorstellung, dass dieser Zirkus noch einmal sechs oder sieben Mal im Jahr sein Zelt aufschlägt, dürfte allerdings eher unrealistisch sein, oder?

Die alten Zirkuszeiten, wie Sie das nennen, mit Stationen in sechs verschiedenen Messehallen pro Jahr, sind tatsächlich heute schwer vorstellbar.

Sie haben in diesem Jahr auch "Dalli Dalli" neu aufgelegt, zu Weihnachten folgt eine weitere Ausgabe. Ist es in diesen Zeiten einfacher, eine altbekannte Idee wiederzubeleben als etwas Neues zu etablieren?

Für viele stehen die Revivals für eher wenig Innovatives. Das mag aus Development-Sicht vielleicht richtig sein. Aber sowohl "50 Jahre Dalli Dalli" als auch "50 Jahre Hitparade" gehörten zu unseren jüngsten Sendungen mit deutlich zweistelligen Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass diese Shows, zu denen jetzt auch "Wetten, dass..?" gehört, in diesen turbulenten und unsicheren Zeiten etwas Vertrautes vermitteln. Sicher, man muss sie gut machen und mit heutigen Stars besetzen, aber sie besitzen noch immer eine große Attraktivität und Schlagkraft. Etwas Ähnliches stelle ich im Übrigen auch bei unserer neuen Show mit Giovanni Zarrella fest.

Wie meinen Sie das?

Das ist klassische Samstagabendunterhaltung, aber 2021. Ich freue mich, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer die Sendung so warmherzig aufgenommen haben. Sie haben einen sehr offenen, leidenschaftlichen und authentischen Moderator mit einem starken Familienbezug erlebt, der sich auch nicht scheut, Emotionen zu zeigen. Dazu kommt eine große Inszenierung, verbunden mit Live-Auftritten oder besonderen Duetten und Arrangements.

Wohin soll die Reise für Zarrella und seine Show gehen?

Das alles gilt es, in den nächsten Monaten und Jahren zu konsolidieren und bestätigen. Die nächste Ausgabe ist zunächst noch im Studio in München. Aber perspektivisch wollen wir die Stimmung vor Ort weiter steigern, indem wir ab dem kommenden Jahr die großen Hallen bespielen, um mit ein paar Tausend Leuten zu feiern. Und am Ende des Tages wird Giovanni ein großer Entertainer sein.

Stichwort Nachwuchs: Die Suche nach einem Nachfolger für Thomas Gottschalk gestaltete sich vor zehn Jahren auch deshalb so schwierig, weil sie offenlegte, dass es in diesem großen Land gar nicht so viele Entertainer gibt, die in der Lage wären, eine Show wie „Wetten, dass..?“ zu moderieren. Worauf führen Sie das zurück?

Vielleicht haben wir uns verlegt auf andere Programmfarben wie Quiz oder Comedy. An vielen Stellen wird heute mit Ironie und Zynismus gearbeitet. Dabei haben wir ein wenig aus dem Augen verloren, dass wir auch große Variety-Moderatorinnen und -Moderatoren brauchen. Das ist allerdings ein anderes Geschäft, weil man das Publikum umarmen muss und eben nicht ironisch oder zynisch sein darf. Womöglich ist das bei vielen Nachwuchstalenten auch schlicht nicht angesagt. Umso glücklicher bin ich, dass wir mit Giovanni, ähnlich wie die ARD mit Florian Silbereisen, einen Moderator gefunden haben, der in dieser Rolle komplett aufgeht.

Abschließende Frage: Welche Zahl schwebt Ihnen vor, wenn Sie am kommenden Sonntag aufwachen und die Quote von "Wetten, dass..?" vorliegt?

Sagen wir es so: Ich wünsche mir einen außergewöhnlichen Erfolg.

Herr Heidemann, vielen Dank für das Gespräch.

"Wetten, dass..?", Samstag, 20:15 Uhr im ZDF

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