Frau Jauer, rund um die Wahl von Ulrike Demmer zur RBB-Intendantin, aber auch zuletzt durch ein von Ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten, gab es viel Unmut und Schlagzeilen. Deshalb die wichtigste Frage gleich zu Beginn: Steht die Belegschaftsvertretung hinter der Wahl von Ulrike Demmer? Ist sie die rechtmäßige RBB-Intendantin?

Sabine Jauer: Das ist eine heikle Frage (lacht). Mit dem Gutachten, das wir beauftragt haben, wollten wir gar nicht die Rechtmäßigkeit der Wahl von Ulrike Demmer in Zweifel ziehen. Uns als Belegschaftsvertretung ging es darum festzustellen, inwieweit wir in dem gesamten Verfahren in unseren Beteiligungsrechten behindert worden sind. Das Gutachten hat uns zum Teil Antworten auf Fragen gegeben, die wir gar nicht gestellt haben.

Das viel kritisierte Gutachten von Professor Marcus Schladebach kommt zu dem Ergebnis, dass die Wahl nicht rechtmäßig war. Ulrike Demmer hätte nie gewählt werden dürfen und die Wahl müsse wiederholt werden. Das ist ein ziemlich eindeutiges Ergebnis, wie positionieren Sie sich da?

Dieses Ergebnis hat uns in Teilen sehr überrascht. Eine Neuwahl wäre in der derzeitigen Situation keine Lösung, damit wäre niemandem gedient, weder dem RBB noch der Belegschaft. Wir brauchen ein gewisses Maß an Normalität hier im Haus, denn wir stehen vor großen Herausforderungen. Unsere Kritik richtet sich hauptsächlich an die beiden Gremienvorsitzenden. Der Rundfunkratsvorsitzende Oliver Bürgel hat im Rahmen des Wahlprozesses auch die Findungskommission geleitet. Wir wollen, dass der Rundfunkrat die Fehler, die im Rahmen des Wahlprozesses gemacht wurden, aufarbeitet. Dass jetzt mehr über den Ton des Gutachtens gestritten wird und nicht über die Inhalte, ist ärgerlich. Denn unsere Wahrnehmung war es, dass es bei der Wahl gravierende Unregelmäßigkeiten gegeben hat, das wurde im Rahmen des Gutachtens bestätigt.

Marcus Schladebach schreibt, die Vorsitzenden von Rundfunkrat und Verwaltungsrat müssen gehen.

Das Verfahren muss aufgearbeitet werden und dann braucht es Konsequenzen. Der Personalrat sieht die Hauptverantwortung bei den beiden Gremienvorsitzenden, daher sollten sie zumindest so lange ihre Ämter ruhen lassen, bis der Aufarbeitungsprozess abgeschlossen ist. Prof. Schladebach weist auf die problematische Doppelrolle des Rundfunkratsvorsitzenden hin, der gleichzeitig Vorsitzender der Wahl- und Findungskommission war. Das finde ich einen wichtigen Hinweis. Das muss man in Zukunft anders lösen.

Das Gutachten hat uns zum Teil Antworten auf Fragen gegeben, die wir gar nicht gestellt haben.


Ist denn diese Aufarbeitung schon angelaufen und wie sieht sie aus?

Es gibt im Rundfunkrat durchaus Stimmen, die unsere Forderung nach Aufarbeitung dieses Verfahrens teilen. Meines Wissens nach ist dazu eine Arbeitsgruppe geplant. Die sich hoffentlich auch mit dem Gutachten inhaltlich beschäftigen wird und in der Folge auch mit allen Beteiligten sprechen wird. Vielleicht macht es auch Sinn, sich weitere Meinungen einzuholen. Bei der letzten Sitzung des Rundfunkrats wurde das Thema leider vertragt, das nächste Mal kommt das Gremium am 20. November zusammen und ich gehe davon aus, dass dort ein Beschluss gefasst wird, um die Aufarbeitung zu starten. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Bereitschaft zurückzublicken und die Dinge aufzuklären, bei vielen nicht sehr ausgeprägt ist.

Der Belegschaftsvertretung wird nun vorgeworfen, selbst einen Teil dazu beizutragen, dass der RBB nicht zur Ruhe kommt.

Das Bedürfnis nach Ruhe ist verständlicherweise groß. Da sind wir ein Stück weit Störenfriede, weil wir da so rumbohren. Uns geht es wie gesagt nicht um eine Neuwahl. Wir können aber keine Aufarbeitung und Konsequenzen fordern, ohne die problematische Wahl von Ulrike Demmer zum thematisieren. Aber sie ist jetzt unsere Intendantin, damit müssen wir nach vorne schauen. Es liegt mir fern, Öl ins Feuer zu gießen. Als Personalrat sind wir dem Betriebsfrieden verpflichtet. Letztendlich ging und geht es immer um den RBB. Wir müssen schauen, dass das Unternehmen wieder in die Spur findet.

Die Belegschaftsvertretung hatte im Vorfeld der Wahl mit Jan Weyrauch einen klaren Favoriten für den Posten der RBB-Intendanz. Nun fordert das Gutachten eine Neuwahl, da gehen Sie nicht mit - aber ein klares Bekenntnis zu Ulrike Demmer höre ich auch nicht.

In der letzten Phase vor der Wahl ging es überhaupt nicht mehr um die Ausschreibungskriterien, um erforderliche Qualifikationen, die Debatte wurde von einem möglichen Gehaltsdeckel für die Intendantin diktiert. Da haben hinter den Kulissen vertrauliche Gespräche stattgefunden. Das hat dazu geführt, dass mindestens ein Kandidat kurz vor der Wahl ausgestiegen ist. Das war eine schwierige Situation, und ich habe den Eindruck, da ist auch von politischer Seite aus Einfluss genommen worden. Wir haben lange überlegt, wie wir mit dem Gutachten umgehen. Aber wir können einem Wissenschaftler nicht die Hand führen und ihm vorschreiben, wie er zu schreiben oder formulieren hat. Wir haben das Gutachten beauftragt, geben den Ball jetzt aber an die Gremien und fordern, dass sich der Rundfunkrat damit beschäftigt und die notwendigen Konsequenzen zieht.

Der Personalrat sieht die Hauptverantwortung bei den beiden Gremienvorsitzenden, daher sollten sie zumindest so lange ihre Ämter ruhen lassen, bis der Aufarbeitungsprozess abgeschlossen ist. 


Was treibt Sie an?

Ich musste dem Untersuchungsausschuss in Brandenburg im Zuge der Aufarbeitung der Zeit unter Patricia Schlesinger Rede und Antwort stehen. Ich wurde immer wieder gefragt, warum der Personalrat nicht früher das Wort erhoben und Kritik geübt hat, wobei wir das durchaus getan haben. Ich möchte in einem Jahr nicht gefragt werden, wieso ich in dieser Sache nichts unternommen habe. Es sind viele Dinge nicht korrekt gelaufen, und ich bin dafür, die Fehler zu benennen und ein Regelwerk zu schaffen, das sowas künftig verhindert.

Gehen Sie auch mit dem ziemlich scharfen Ton des Gutachtens mit oder distanzieren Sie sich da? Sie haben sich gegenüber der Belegschaft ja auch erklärt…

Wir haben uns gegenüber der Belegschaft erklärt, weil dieses Gutachten für eine große Aufregung bei uns im Haus gesorgt hat. Es gab Kolleginnen und Kollegen, die befürchtet haben, dass wir auf Grundlage des Gutachtens Neuwahlen fordern. Wir haben erklärt, dass wir nicht alle Forderungen teilen. Und gleichzeitig haben wir deutlich gemacht, dass es aus unserer Sicht eine Menge wichtiger, rechtlicher Einschätzungen enthält. Wir haben das Gutachten beauftragt und müssen uns mit den Ergebnissen ernsthaft auseinandersetzen. Ich finde, dass Professor Schladebach die Dinge weitgehend richtig bewertet. Aber ich bin keine Juristin. Vielleicht würden andere Juristen in einigen Punkten auch zu anderen Ergebnissen kommen.

Mit ein paar Monaten Abstand zur Wahl. Hat auch die Belegschaftsvertretung Fehler im Rahmen des gesamten Prozesses gemacht?

Ja, natürlich. Mit ein paar Monaten Abstand ist die Situation immer eine andere als zu dem Zeitpunkt, in dem man mittendrin steckt. Mit meiner Kollegin Dagmar Bednarek von der Freienvertretung, mit der ich zusammen in der Findungskommission war, habe ich mich im Nachhinein gefragt, wann der richtige Zeitpunkt gewesen wäre, um unsere Ämter niederzulegen.

Ich möchte in einem Jahr nicht gefragt werden, wieso ich in dieser Sache nichts unternommen habe.


Warum haben Sie das nicht gemacht?

Die Sorge war die, dass wir dann überhaupt keinen Einfluss mehr gehabt hätten. Grundsätzlich hätten wir in dem ganzen Verfahren viel früher auf Beschlüssen bestehen müssen, viele Dinge wurden nur mündlich verabredet. Man hätte außerdem darauf dringen müssen, dass die Findungskommission bis zum Tag der Wahl in einem direkten Austausch bleibt. Das war ein großes Problem in der letzten Phase kurz vor der Wahl, weil es unmöglich war, mit den anderen Mitgliedern der Kommission über die jeweils aktuellen Situationen zu sprechen. Insofern bin ich jetzt klüger. Damals bin ich in die Arbeit aber auch mit gutem Glauben hineingegangen.

War es denn richtig, zwei Stunden vor dem Beginn der entscheidenden Rundfunkratssitzung den Abbruch des Wahlprozesses zu fordern?

Ja, da waren wir in allerhöchster Not und das war richtig. Einen Tag vor der Wahl haben wir viel Drama erlebt. Und da gab es auch Rundfunkräte, die unsere Position geteilt haben. Wir waren nicht allein.

Gab es zwischen Ulrike Demmer und der Belegschaftsvertretung schon so etwas wie eine Aussprache, um die ganze Dinge, die passiert sind, aufzuarbeiten?

Bislang noch nicht, dazu hatten wir noch nicht ausreichend Gelegenheit. Wir haben Ulrike Demmer aber schon früh darüber informiert, dass wir eine Notwendigkeit sehen, die Arbeit der Findungskommission aufzuarbeiten. Das Gutachten hat dann erst einmal für Verstimmung gesorgt. Für persönliche Verletzungen, die damit vielleicht einhergegangen sind, habe ich mich entschuldigt. Wir sind so verblieben, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten wollen. Und das tun wir aktuell auch, zum Beispiel in Sachen Staatsvertrag.

Eine Neuwahl wäre in der derzeitigen Situation keine Lösung, damit wäre niemandem gedient, weder dem RBB noch der Belegschaft. 


In Berlin und Brandenburg wird dieser Staatsvertrag aktuell neu verhandelt, ein Entwurf hat für breite Kritik gesorgt - sowohl von der RBB-Spitze, als auch von der Belegschaftsvertretung. Was stört Sie genau?

In dem Entwurf sind einige Dinge sehr konkret mit dem Ziel festgeschrieben worden, die regionale Berichterstattung aus Berlin und Brandenburg auszubauen. Dieses Ziel teilen wir, denn das ist unser Kern. Nun ist die Frage, wie man das am besten umsetzt. Die Politik will uns zum Beispiel ein neues Regionalbüro in Brandenburg an der Havel vorschreiben. Die Frage ist doch, ob wir damit unsere regionale Berichterstattung verbessern. Heutzutage können unsere Reporterinnen und Reporter von überall aus ihre Beiträge umsetzen. Wichtig ist, dass wir genügend Reporter und Mittel für Honorare haben. Und natürlich auch Sendeplätze. Aber ich halte es für ein Schaufensterprojekt festzuschreiben, wo der RBB Büros zu eröffnen hat.

Was sehen Sie noch kritisch?

Ein großes Problem sehen wir in einer zusätzlichen Hierarchieebene, die eingezogen werden soll. Der Rundfunkrat soll zwei Führungskräfte wählen, die über das Landesprogramm entscheiden sollen. Wo steht dann noch der Chefredakteur? Wir haben die Sorge, dass da politisch genehme Leute installiert werden. Das ist ein Eingriff in unsere Programmautonomie. Genauso wie die vorgeschriebene Auseinanderschaltung des Fernseh-Programms für 60 Minuten, aktuell sind es 30. Das kommt uns völlig absurd vor.

Wieso?

Einerseits, weil es enorm viel Geld kostet. Und niemand sagt, wo das herkommen soll. Und andererseits, weil es unserem Bestreben der vergangenen Jahre völlig widerspricht. Wir sind jetzt schon seit langer Zeit dabei, die beiden Sendegebiete zusammenzuführen. Bei vielen Themen versuchen wir, Berlin und Brandenburg zusammen zu denken. Das wäre ein Rückschritt, der zudem mit mehr Bürokratie verbunden wäre. Und das Wichtigste ist: Besseres Programm macht der RBB dadurch nicht. Alle im Unternehmen wissen, wie wichtig die regionale Berichterstattung ist. Wie wir das umsetzen, muss die Politik uns entscheiden lassen. Es gibt aber auch gute Dinge, die im Staatsvertragsentwurf stehen.

Für persönliche Verletzungen, die damit vielleicht einhergegangen sind, habe ich mich entschuldigt. 


Was denn?

Der Verwaltungsrat soll professionalisiert werden. In dem Entwurf steht aktuell geschrieben, dass im Februar 2025, also bereits nach 2 Jahren, ein neuer Verwaltungsrat gewählt werden soll, damit dann möglichst bald die erforderlichen Kompetenzen vertreten sind. Ich halte das für eine gute Idee, aber das sorgt natürlich für Unmut im Verwaltungsrat.

In dem Entwurf ist aktuell auch eine Gehaltsobergrenze für die RBB-Intendantin festgeschrieben, diese würde bei rund 180.000 Euro liegen. Der RBB lehnt eine so konkrete Festlegung ab. Wie sehen Sie das?

Ich lehne es auch ab, das so genau festzuschreiben. Es würde reichen, wenn man sagt, dass die Vergütung unter den Gesichtspunkten von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erfolgen hat. Das Gehalt muss den Qualifikationen und den Aufgaben folgen und in einem angemessenen Verhältnis stehen. Heike Raab, die Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, hat im Sommer gesagt, dass es einen Kriterienkatalog braucht. Und das finde ich auch. Da müssen die Größe der Anstalt, die Aufgaben, zusätzliche Aufgaben – wie ARD-Vorsitz - und noch vieles mehr einfließen. Ich halte es für kurzsichtig und populistisch, mit dem Gehaltsdeckel zu argumentieren. Die Politik verschafft sich damit auch Einfluss, wenn es um die Besetzung von Spitzenpositionen geht.

Wann kommt der RBB wieder zur Ruhe, Frau Jauer?

Ruhe ist gar nicht unser Ziel, ein bisschen Unruhe ist in einem Medienunternehmen nicht verkehrt. Ich würde mir aber sehr wünschen, dass wir im Laufe des nächsten Jahres Klarheit über unsere weiteren Perspektiven haben und auch wissen, worauf wir uns beim Rundfunkbeitrag einrichten können. Dann sind wir in einem Jahr hoffentlich wieder in einem ruhigeren Fahrwasser.

Frau Jauer, vielen Dank für das Gespräch!