Allzu viele Klassiker und Konstanten gibt es im deutschen Fernsehen nicht, doch der "Tatort" gehört ganz sicher dazu. Nun hat der Bayerische Rundfunk angekündigt, einen weiteren "Tatort" starten zu wollen. Er soll in Franken angesiedelt sein - mehr Details sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt, denn ein Schnellschuss, so heißt es von Seiten des Senders, soll der Franken-"Tatort" nicht werden. BR-Intendant Ulrich Wilhelm bat gar um Geduld, da die Entwicklung eines "Tatorts" in der Regel etwa zwei Jahre dauere. Dementsprechend stehen Schauspieler und Schauplätze derzeit noch nicht fest.

Aber: "Künstlerisch und anspruchsvoll" soll der "Tatort" produziert werden, versprach Wilhelm. Die Entscheidung des Bayerischen Rundfunk zeigt in jedem Fall eines ganz deutlich: Der Trend geht klar zum Zweit-"Tatort". Erst kürzlich hatte auch der MDR angekündigt, einen zweiten "Tatort" ins Rennen zu schicken: Neben dem Leipziger Team soll demnächst auch in Thüringen ermittelt werden. Bei der Vergabe des Produktionsauftrags ging der verantwortliche MDR, dem die neue Intendantin Karola Wille mehr Transparenz verordnet hat, neue Wege. Bei einer öffentlichen Ausschreibung seien auch "schräge Ideen" erwünscht gewesen, hieß es.

Das Ergebnis: Der in Erfurt angesiedelte "Tatort" wird mit dem jüngsten Team ins Rennen gehen - die drei Hauptdarsteller sind zwischen 1981 und 1984 geboren. Zuvor hatte bereits der Hessische Rundfunk die Zahl seiner Ermittler erhöht. Im vergangenen Jahr trat Joachim Król gemeinsam mit Nina Kunzendorf die Nachfolge von Andrea Sawatzki in Frankfurt an, zudem bewegt sich Ulrich Tukur als Kommissar mit Tumor seit 2010 in Wiesbaden für den "Tatort" meist abseits des Mainstreams. Andere ARD-Anstalten sind sogar noch weiter, wie etwa der SWR, der gleich drei "Tatorte" beisteuert, darunter jenen mit Ulrike Folkerts, die inzwischen am längsten von allen Ermittlern im Dienst ist.

Auch der WDR ist gut im Rennen, hat neben Köln und dem quotenstarken Münster-Team neuerdings auch noch ein frisches Trio in Dortmund angesiedelt. Und beim NDR kommt man vor lauter "Tatorten" ohnehin kaum noch hinterher: Dort wird nicht nur in Hannover und Kiel ermittelt, sondern demnächst gleich doppelt in Hamburg - Wotan Wilke Möhring soll demnächst von der Hansestadt aus im kompletten Norden unterwegs sein und Til Schweiger tritt im teuren Action-"Tatort" nebst Tochter die Nachfolge von Mehmet Kurtulus an. Im Saarland wird im kommenden Jahr Devid Striesow als neuer Ermittler seinen Einstand feiern, nachdem der SR kürzlich sein populäres Team überraschend in den Ruhestand schickte. Angeblich, weil die Geschichten auserzählt seien.

Doch die jüngsten Beispiele mit Dortmund, Hamburg und Franken zeigen, dass längst nicht mehr nur dann neue "Tatorte" eingeführt werden, wenn ein Kommissar seinen Dienst quittiert. Seit 2010 wurden gleich neun neue Ermittler angekündigt, die zum Teil bereits auf Sendung sind - und das, obwohl mit Sawatzki, Kurtulus und dem Saarbrücker Gespann nur drei Abgänge verzeichnet wurden. Längst ist die Krimireihe zur erfolgreichen Marke geworden, die sich offenkundig unendlich erweitern lässt. "Früher haben einzelne Teams mehr Folgen pro Jahr gespielt", sagte "Tatort"-Koordinator Gebhard Henke vor einiger Zeit im DWDL.de-Interview.

"Für Schauspieler bedeutet das, dass sie sehr festgelegt sind und wenig anderes machen können. Noch dazu ist es schwierig, für ein Team pro Jahr fünf exzellente Drehbücher zu entwickeln." Zudem seien viele große Namen für derart viele Folgen kaum zu bekommen. Henke: "Jan Josef Liefers beispielsweise will Zeit für seine Musik haben, Axel Prahl will Kinofilme drehen. Da ist klar, dass die beiden nie mehr als zwei 'Tatorte' pro Jahr machen würden. Zu mehr Folgen haben wir sie bisher noch nicht überreden können, aber das ist auch vollkommen nachvollziehbar." Und so geht die "Tatort"-Inflation also munter weiter. Die Zuschauer stört es nicht: Mit deutlich mehr als acht Millionen Zuschauern ist die Krimireihe derzeit so stark unterwegs wie lange nicht. Ein Ende ist erst mal nicht in Sicht.

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