Bei RTL II kannte der Quoten-Trend in der zurückliegenden Saison vor allem eine Richtung: Nach unten. Die 5,9 Prozent Marktanteil, die der Sender noch im Oktober verzeichnete, waren zum Ende der Saison in weite Ferne gerückt – mit gerade mal noch 5,1 Prozent musste man im Mai bei den 14- bis 49-Jährigen ein 15-Jahres-Tief hinnehmen. In sieben von neun Monaten lag man unter dem jeweiligen Vorjahreswert und die Marke von sechs Prozent – in der Saison 2015/16 noch sechs Mal übersprungen – blieb diesmal gänzlich unerreicht. So weit die nüchternen Zahlen. Doch wie lässt sich der spürbare Quoten-Rückgang von RTL II erklären?

Um dem Sinkflug auf die Schliche zu kommen, lohnt sich zunächst ein Blick auf die langjährigen Anker des Programms. Die entwickelten sich alles andere als positiv: "Die Geissens" haben viel von ihrem einstigen Glanz eingebüßt, lagen in der letzten Saison im Schnitt bei weniger als 5 Prozent und zwischenzeitlich gar nur noch knapp über der 3-Prozent-Marke. Dauerbrenner wie "Die Kochprofis" und "Frauentausch", um die man sich nie sorgen musste, weisen plötzlich erstaunliche Schwächen auf – und am Vorabend ist "Berlin – Tag & Nacht" mittlerweile im einstelligen Bereich angekommen, auch wenn insbesondere bei den ganz jungen Zuschauern noch immer allabendlich fast jeder Fünfte einschaltet.

Hinzu kommt, dass auch "Köln 50667" nicht mehr so stabil läuft wie noch vor einiger Zeit und sich an manchen Tagen dem Senderschnitt nähert. Das Problem: Während mehrere einstige Stützpfeiler ins Wanken geraten, ist es RTL II bisher nicht in ausreichendem Maße gelungen, neue Formate zu etablieren, die diese Schwächen ausgleichen können. Wenn es eine positive Nachricht gibt, mit der die Sender-Verantwortlichen um Andreas Bartl in den Sommer gehen, dann ist es der Erfolg von "Naked Attraction". Während "Wirt sucht Liebe" und "All Inclusive" enttäuschten, gelang RTL II mit dieser Art von Kuppelshow mit fast durchweg zweistelligen Marktanteilen ein toller Erfolg, an den man wohl nur allzu gerne anknüpfen möchte.

Ansonsten halten sich die durchschlagenden Erfolge im Bereich der Neustarts allerdings in Grenzen: Die Dokusoap "Meine Eltern, ihre Kinder und ich" funktionierte ordentlich und auch "Curvy Supermodel" startete zunächst richtig gut – am Ende ging der Castingshow allerdings ein wenig die Luft aus. Nun muss sich zeigen, ob man daraus die richtigen Schlüsse gezogen hat und in Staffel 2 das Publikum halten kann. Daneben konnte man sich im Personality-Bereich vor allem auf die Geschichten der Reimanns verlassen. Bei Daniela Katzenberger zeigte sich indes ein Problem, das man schon bei Vox gut kennt: Wenn es nichts zu erzählen gibt, dann bleiben die Zuschauer fern. So ist dann auch zu erklären, weshalb die Live-Hochzeit im Sommer tolle Quoten verzeichnete, die Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest im Hause Katzenberger aber nicht.

Spannend bleibt die Frage, wie es mit Sarah und Pietro weitergeht: Die Trennungs-Specials bescherten zwar vor allem zu Beginn nochmal tolle Quoten, dann ließ das Interesse aber schon schnell nach. Völlig enttäuschend schlug sich zuletzt auch der Versuch, mit "Lecker Schmecker Wollny" einen Kochshow-Ableger der Wollnys-Welt zu etablieren. Konnte die erste Staffel noch beim Publikum punkten, wollte es im zweiten Anlauf plötzlich gar nicht mehr funktionieren. Gleiches gilt für die Promi-Curling-Show, die am Sonntagabend nicht mit den guten Quoten des Promi-Kegelabends mithalten konnte. Völlig enttäuschend lief darüber hinaus das "InTouch"-Magazin, das nach nur zwei Wochen schon wieder eingestellt wurde.

Im Serien-Bereich fällt das Fazit auch nicht durchweg rosig aus. "The Walking Dead" litt darunter, nicht mehr als Marathon gezeigt zu werden und musste sinkende Marktanteile hinnehmen. Hinzu kommt, dass der Ableger "Fear the Walking Dead" zwar solide, aber keineswegs überragend lief. Und mit der Neuauflage von "Prison Break" verlor RTL II in den vergangenen Wochen nach gutem Start reihenweise Zuschauer. Besonders groß dürfte jedoch die Enttäuschung darüber sein, dass es RTL II erneut nicht gelang, mit seinen eigenproduzierten Serien beim Publikum durchzudringen. Während der "Club der roten Bänder" bei Vox durch die Decke schoss, ging die "Neandertaler"-Serie bei RTL II unter. Neben der Quote blieb dem Sender auch die Anerkennung weitgehend verwehrt.

Und so wird RTL II mit Blick auf die kommende Saison also einiges verändern müssen, will man den Quoten-Trend stoppen oder – besser noch – umkehren. Die glänzenden Quoten von "Naked Attraction" zeigen, dass es möglich ist. Und experimentierfreudig war man in Grünwald ja schon immer - die Voraussetzungen sind also gegeben.

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