Wenn ein Fernsehsender fast acht Millionen Zuschauer zur besten Sendezeit erreicht, dann gilt das in aller Regel als voller Erfolg. Weil bei der Fußball-Weltmeisterschaft jedoch andere Maßstäbe gelten, dürfte am Freitag bei der ARD auch ein wenig Ernüchterung im Spiel gewesen sein, als man auf die Quoten vom Vortag blickte. 7,99 Millionen Zuschauer - so viele waren beim letzten Vorrundenspiel zwischen England und Belgien dabei. Die eigentlich mit starken Teams besetzte Partie war damit die schwächste Primetime-Übertragung der laufenden Weltmeisterschaft. Zuvor hatte schon die Begegnung zwischen Senegal und Kolumbien mit 4,09 Millionen Zuschauern einen Nachmittags-Tiefstwert hinnehmen müssen.

Es scheint, als sei die WM-Euphorie der deutschen Fans nach dem unrühmlichen Ausscheiden des noch amtierenden Weltmeisters ein wenig verflogen. Das zeigte sich bereits am Abend zuvor, als das vom ZDF übertragene Spiel zwischen Serbien und Brasilien nur 8,73 Millionen Zuschauer vor den Fernseher lockte - und das, obwohl es in dieser Gruppe noch um einiges ging. Rechnet man die Fans hinzu, die das Parallelspiel zwischen der Schweiz und Costa Rica bei ZDFinfo sahen, kommt man auf eine Gesamt-Reichweite von knapp über neun Millionen Zuschauern. Zum Vergleich: Am Abend zuvor hatten ARD und One zusammen noch über 13 Millionen Fans vor den Fernseher gelockt.

Dass die Reichweiten in den Hauptsendezeiten etwas unter denen der Weltmeisterschaft in Brasilien liegen würden, deutete sich aber schon zu Beginn des Turniers an. Elf Spiele knackten diesmal die Marke von zehn Millionen Zuschauer, vor vier Jahren gelang das noch 13 Mal. Alleine zehn Mal davon waren damals sogar mehr als zwölf Millionen Fans dabei, diesmal wurde diese Hürde lediglich sechs Mal übersprungen - wohl gemerkt inklusive der drei Partien der deutschen Nationalmannschaft. Für die höchsten Quoten abseits der deutschen Spiele sorgte gleich am zweiten Tag das Spiel zwischen Portugal und Spanien, das 13,17 Millionen Fans erreichte und dem Ersten starke 55,9 Prozent Marktanteil beim jungen Publikum bescherte.

Die meistgesehenen WM-Vorrundenspiele 2018 ohne deutsche Beteiligung

Spiel Sender Datum Reichweite
Portugal - Spanien
ARD 15.06.2018 13,25 Mio.
Polen - Kolumbien
ARD 24.06.2018 12,68 Mio.
Nigeria - Argentinien
ARD 26.06.2018
12,33 Mio.
Iran - Portugal
ZDF 25.06.2018 11,97 Mio.
Brasilien - Schweiz
ZDF 17.06.2018 11,94 Mio.


Quelle: DWDL.de-Recherche

Das sind beachtliche Zahlen, und doch bleibt festzuhalten, dass Spanien vor vier Jahren mit dem Vorrundenspiel gegen Chile sogar noch mehr als 15 Millionen Fans vor dem Fernseher versammelte. Den Vorrunden-Rekord hielt damals das Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Kroatien, das sogar fast 16 Millionen Zuschauer erreichte - davon blieben ARD und ZDF diesmal ein ganzes Stück entfernt. Gut möglich, dass das auch am Fehlen hochkarätiger Mannschaften wie Italien und den Niederlanden lag. Die Italienier hatten 2014 mit einem ihrer Vorrundenspiele am Vorabend sogar mehr als zehn Millionen Zuschauer erreicht. Diese Marke fiel diesmal vor 20 Uhr kein einziges Mal, wenn nicht gerade Mario Gomez und seine Mitspieler am Ball waren.

Ganz offenbar trübte also auch der schwache Turnierstart der deutschen Nationalmannschaft ein Stück weit die Stimmung: Nach der Mexiko-Niederlage verpassten ARD und ZDF in den folgenden Tagen gleich mehfach am Abend den Sprung über die Hürde von zehn Millionen Zuschauern, erst nach dem späten Sieg gegen Schweden zogen die Reichweiten wieder an. Die Begeisterung für die WM hängt also auch mit Blick auf die Fernseh-Quoten zu einem gewissen Grad mit dem Abschneiden der eigenen Mannschaft zusammen. Die konnte übrigens zumindest mit Blick auf die Quoten überzeugen: Anders als vor vier Jahren, schafften es die deutschen Kicker diesmal schon in der Vorrunde, mehr als 90 Prozent Marktanteil zu erzielen.

Die meistgesehenen WM- und EM-Spiele der deutschen Nationalmannschaft

Spiel Runde Sender Datum Reichweite
Deutschland - Argentinien WM
Finale
Das Erste 13.07.2014 34,65 Mio.
Deutschland - Brasilien WM
Halbfinale
ZDF 08.07.2014 32,54 Mio.
Deutschland - Spanien WM
Halbfinale
Das Erste 07.07.2010 31,10 Mio.
Deutschland - Frankreich EM
Halbfinale
ZDF 07.07.2016 29,85 Mio.
Deutschland - Italien WM
Halbfinale
ZDF 04.07.2006 29,66 Mio.
Deutschland - Türkei EM
Halbfinale
ZDF 25.06.2008 29,46 Mio.
Deutschland - Ghana WM
Vorrunde
Das Erste 23.06.2010 29,30 Mio.
Deutschland - Argentinien WM
Finale
Das Erste 08.07.1990 28,66 Mio.
Deutschland - Italien EM
Viertelfinale
Das Erste 02.07.2016 28,47 Mio.
Deutschland - Tschechien EM
Finale
ZDF 30.06.1996 28,44 Mio.


Quelle: DWDL.de-Recherche

Stolze 91,0 Prozent erreichte das ZDF mit dem dritten und letzten Spiel der DFB-Elf am Mittwoch und das Spiel gegen Schweden sorgte mit 27,48 Millionen Zuschauern für wahre Spitzen-Werte. Den Sprung in die Top 10 wurde damit zwar verpasst und doch erreichten in der WM-Geschichte nur zwei Vorrundenspiele eine höhere Reichweite. Das war übrigens vor acht Jahren gegen Australien und Ghana der Fall. Mit Blick auf die Gesamt-Marktanteile lag die Partie gegen Südkorea in der Rangliste aller EM- und WM-Spiele seit 1976 übrigens auf Platz fünf. Wohl auch deshalb sprach ZDF-Intendant Thomas Bellut am Freitag in seinem Vorrunden-Fazit von einer "hervorragenden Publikumsresonanz". Zugleich verwies er auf die starke Nutzung in der Mediathek, die im Vergleich zur WM 2014 um 70 Prozent zugenommen habe.

Auch ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky äußerte sich angesichts von im Schnitt rund neun Millionen Zuschauern bei allen Spielen zufrieden. Die Übertragungen seien "sehr gut angenommen" worden, erklärte er gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. Ein solches Zuschauerinteresse zu generieren, schaffe nur eine Fußball-Weltmeisterschaft. "Deutlich ist auch geworden, dass unsere Zuschauerinnen und Zuschauer unsere Analysen mit Alexander Bommes, Matthias Opdenhövel und unseren drei sehr guten und kritischen Experten honorieren. Die gesamten Vor- und Nachläufe wurden im Schnitt von rund fünf Millionen verfolgt, und das ist doch das größte Kompliment, das einem das Fernsehpublikum machen kann."

Nun bleibt abzuwarten, ob das WM-Fieber doch noch einmal ansteigen wird: Achtelfinalspiele wie jene zwischen Frankreich und Argentinien oder Uruguay und Portugal könnten am Wochenende wieder mehr Fans ansprechen. ARD-Sportkoordinator Balkausky hofft noch auf "die eine oder andere Überraschung". Die meisten deutschen Tränen dürften bis dahin ohnehin wieder getrocknet sein.