RTL II hat in der vergangenen TV-Saison eine Achterbahnfahrt hinter sich. Nachdem der Herbst noch recht gut gelaufen war, folgte Anfang 2019 unvermittelt der Absturz. Zwischen Januar und März fiel RTL II teils spürbar unter die 5-Prozent-Marke in der Zielgruppe - was in Grünwald offenbar alle Alarmglocken schrillen ließ, was die in diesen Tagen zahlreichen hektischen Programmänderungen belegen. Zurückzuführen war der plötzliche Schwächeanfall vor allem auf den Nachmittag sowie den Vorabend, wo sich ausgerechnet die zuvor sehr stabilen Soaps in deutlich schwächer präsentierten. An manchen Tagen lagen "Köln 50667" und "Berlin - Tag & Nacht" gar schon unter dem Senderschnitt.

 

Die Fragezeichen bei den Verantwortlichen waren groß: Inhaltlich hatte es keine großen Veränderungen gegeben, die einen solchen Absturz bei beiden Formaten erklären würden. Auch die Online-Abrufzahlen sollen sich nicht annähernd so entwickelt haben wie die Zuschauerzahlen im Fernsehen. Doch so plötzlich der Schwächeanfall gekommen war, so unvermittelt folgte auch die Erholung. Zuletzt konnten sich beide Formate spürbar stabilisieren, was dem Sender insgesamt wieder Luft verschafft und für einen versöhnlichen Ausklang dieser Saison gesorgt hat. Allerdings hat die Schwächephase Anfang des Jahres gezeigt, wie sehr das Wohlergehen von RTL II gerade auch von diesen beiden Soaps abhängt.

Anfang des Jahres kamen zur Schwäche der Soaps aber natürlich weitere Faktoren hinzu. So lief es auch direkt zuvor im Nachmittagsprogramm schlecht. Zunächst versagte "Chartbreaker", dann floppte "Ibiza Diary" und auch das 2018 recht ordentlich gestartete "Workout" entwickelte sich zu einem Mega-Flop. Allesamt wurden sie vorzeitig aus dem Programm genommen - klassische Panik-Reaktionen mit Blick auf den darbenden Senderschnitt. An kurzfristigen Programmänderungen mangelte es bei RTL II in den ersten Monaten 2019 nicht.

Zeitweise sah es so aus, als würde auch "Krass Schule" zumindest bei der linearen Ausstrahlung unter die Räder kommen, das Format hat im Verlauf der letzten Wochen aber nochmal die Kurve bekommen und sorgt mittlerweile für stabil solide Quoten. Online ist das Format zudem ein echter Hit. Im Herbst testete man mit "Leben.Lieben.Leipzig" übrigens eine dritte Stadt-Soap, die sich auch recht vielversprechend entwickelte. Dennoch hat RTL II angekündigt, das Format nicht fortzusetzen. Nicht zuletzt hat man hier wohl auch die Soaps aus Köln und Berlin im Blick und will deren Lebenszyklus nicht durch noch ein weiteres ähnliches Format  verkürzen. Nichts mehr gesehen hat man unterdessen vom kurzzeitigen Versuch, eine tägliche Version seiner Sozial-Dokus zu etablieren, die man im Sommer 2018 noch erfolgreich gestetet hatte.

Auch neue Sozial-Dokus funktionieren gut

Dennoch hat die abgelaufene TV-Saison gezeigt, wie wichtig die Sozial-Dokus inzwischen für den Sender sind. Die akute Schwächephase zu Jahresbeginn hatte nämlich auch damit zu tun, dass die Sozialdokus während dieser Zeit fehlten. Denn wenn sie liefen, dann waren "Armes Deutschland" und "Hartz und herzlich" häufig für zweistellige Marktanteile gut. Zudem gelang es, in diesem Genre weitere Formate erfolgreich an den Start zu bringen - zwar noch nicht auf "Armes Deutschland"-Niveau, doch gute Quoten gab es durch die Bank für alle Formate aus diesem Bereich. Das war aber auch nötig, um den seit längerem schwächelnden "Frauentausch" am Donnerstag zu ersetzen.

In anderen Bereichen blieben Neustarts allerdings meist eher blass oder floppten gar auf ganzer Linie. "Jung, weiblich, Boss!" mit Jette Joop war so ein Format, das noch im August, also vor dem Beginn der eigentlichen TV-Saison unter ging. In diesem Zeitraum versagte auch die dritte Staffel von "Curvy Supermodel", sodass RTL II dieses Format nach drei Jahren nicht fortsetzen wird. Doch zurück zu den Neustarts: Auch "Game of Clones" oder "In 90 Tagen zum Erfolg" mit Chris Töpperwien wussten nicht zu überzeugen. "Naked Attraction" läuft zwar weiterhin solide bis gut, konnte zuletzt aber längst nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Hier wird RTL II zum Verhängnis, dass man die wenigen vorhandenen Folgen inzwischen wohl einfach zu oft wiederholt hat. Teilweise wechseln sich neue und alte Episoden ab, sodass es an Verlässlichkeit mangelt.

Keine neuen Familien in Sicht

Verlassen konnte sich RTL II in der abgelaufenen Saison dagegen auf "Love Island", das sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigern konnte. Im Schnitt lag der Marktanteil hier bei mehr als 9,0 Prozent. Für dieses Jahr hat man bereits eine Ausweitung in Aussicht gestellt: Statt drei wird "Love Island" in diesem Sommer gleich vier Wochen lang zu sehen sein. Gut lief es auch für die Personality-Dokusoaps: "Die Geissens" und "Die Reimanns" holten stabile Quoten über dem Senderschnitt, die "Wollnys" kratzten teilweise sogar an der Zweistelligkeit. Allerdings ist sind das nach wie vor die Familien, auf die RTL II schon seit Jahren setzt. Neue Köpfe, mit denen RTL II sein Programm bestücken könnte, hat RTL II seit längerem nicht mehr aufgetan - es bleibt eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft. Daniela Katzenberger hat zuletzt zwar gezeigt, dass sie nach wie vor für gute Quoten sorgen kann, auf Strecke ging ihr bislang aber meist die Puste aus. Und auch die Gameshow "Spiel die Geissens untern Tisch" erfährt nach einer schlechten zweiten Staffel wohl eher keine Fortsetzung.

Bleibt die Fiction, die für RTL II, wie für viele andere Sender, ein sehr schweres Pflaster ist. Mit Eigenproduktionen wie "Team 13" und "Wir sind jetzt", mit denen man die sehr junge Ansprache der Vorabend-Soaps in die Primetime übertragen wollte, ging man gnadenlos unter, aber auch mit Lizenz-Ware hatte man nur wenig Erfolg. "Fear the Walking Dead" wurde aufgrund von Erfolglosigkeit in die Nacht verbannt, bei "The Shannara Chronicles" hielt man trotz enttäuschender Werte durch. Keine Probleme hat man dagegen am Freitagabend mit Filmen, diese liegen mit nur wenigen Ausnahmen sehr kontinuierlich oberhalb des Senderschnitts.

Es war eine herausfordernde TV-Saison für RTL II. Dass man sich nach dem turbulenten Jahresstart wieder gefangen hat, dürfte die Nerven in Grünwald einstweilen etwas beruhigen. Es zeigte sich aber, dass insbesondere das Nachmittagsprogramm noch eine offene Flanke ist, die man angehen muss. In der Primetime kann man RTL II nur dazu gratulieren, das Sozial-Doku-Genre groß gemacht zu haben - hier konnte auch kein anderer Sender den Erfolg von RTL II nachahmen oder gefährden. Nun wäre es an der Zeit, auch in anderen Genres wieder nachzulegen, um eine Delle wie zu Jahresbeginn künftig zu vermeiden.