In wenigen Tagen erhält die "Akte" wohl ihre letzte Chance. Wenn es mit dem Relaunch nicht klappt, verloren gegangene Zuschauer zurückzuholen, kann sich Sat.1 wenigstens nicht vorwerfen lassen, es nicht noch einmal versucht zu haben. Schon seit Jahren hat das Magazin - immerhin eine der ältesten Sendungen des Privatfernsehens - mit rückläufigen Reichweiten und Marktanteilen sowie mangelnder Relevanz zu kämpfen. Auch unter Ulrich Meyer holte die "Akte" zuletzt nur noch einstellige Marktanteile, mit Claus Strunz als Moderator hat sich die Situation nicht gebessert - im Gegenteil. Zuletzt lagen die Marktanteile bei nur etwas mehr als sechs Prozent. 

Im vergangenen Jahr zog Sat.1 daher folgerichtig die Reißleine, entschloss sich allerdings keineswegs für das Aus, sondern dafür, das Magazin fortan selbst zu produzieren - mit bitteren Folgen für Meta Productions. Die Endemol-Shine-Tochter, die die "Akte" über Jahre hinweg herstellte, musste nach der Entscheidung des Senders schließen (DWDL.de berichtete). Das Magazin selbst rettete sich während der Übergangsphase mit Spezial-Folgen mehr schlecht als recht über die Runde - doch jetzt steht der Relaunch tatsächlich an. Ab der kommenden Woche moderiert Claudia von Brauchitsch die Sendung, die Sat.1 neuerdings inhouse produzieren lässt.

Die Ankündigungen sind groß: Man wolle "investigativ, mutig und emotional" sein, heißt es in einer Pressemitteilung des Senders. Das klingt auf dem Papier zunächst gut, aber es stellt sich die Frage, was "Akte" vorher sein wollte. Vermutlich hätte sich die alte Redaktion die gleichen Attribute zugesprochen. Zu einem Magazin mit Relevanz soll die "Akte" jetzt ausgebaut werden - daran hat es dem Format zuletzt oft merklich gefehlt. Sat.1-Chef Kaspar Pflüger sagte kürzlich im DWDL.de-Interview, dass man keine "in Watte gepackte Schicksalsgeschichten" bringen wolle. Gleichzeitig kündigt die neue Moderatorin Claudia von Brauchitsch jedoch "berührende Schicksale" an. Wie das zusammengehen soll mit dem "journalistischen Kern", den "Akte" fortan auszeichnen soll, muss sich erst noch zeigen. 

Es wird jedenfalls keine einfache Aufgabe sein, die in den vergangenen Jahren verlorenen Zuschauer zurückzugewinnen. Das weiß auch Redaktionsleiter Heiko Knauthe, der in den vergangenen Monaten jene 20-köpfige Truppe aufbaute, die die "Akte" zu neuem Glanz führen soll. "Wir sind uns im Klaren: die neue 'Akte' in den Köpfen unseres Publikums zu verankern, wird kein Sprint, sondern eher eine Berg- und Talwanderung mit allen Höhen und Tiefen. Aber dafür haben wir uns fit gemacht", sagt er gegenüber DWDL.de. Knauthe will den Zuschauern Inhalte bieten, "die sie so noch nicht gesehen haben". Der Redaktionsleiter sagt: "Wir werden auch polarisieren und Tabus brechen." 

"Die neue 'Akte' in den Köpfen unseres Publikums zu verankern, wird kein Sprint, sondern eher eine Berg- und Talwanderung mit allen Höhen und Tiefen."
"Akte"-Redaktionsleiter Heiko Knauthe

Claudia von Brauchitsch erklärt auf Anfrage, dass man auch politische Themen aufgreifen werde. Diese wolle man neutral und verständlich aufarbeiten. "Aber wir sind kein Politmagazin im herkömmlichen Sinne und wollen es auch nicht werden." Das Ziel scheint klar: "Akte" soll in Zukunft wieder vermehrt für Schlagzeilen sorgen - auch das gelang schon lange nicht mehr. Und als es dann tatsächlich einmal gelang, das Magazin mit einer Geschichte ins Gespräch zu bringen, sah sich Sat.1 dazu gezwungen, sich vom Vorgehen der Redaktion zu distanzieren (DWDL.de berichtete).

Schwierig dürfte für die neue "Akte" allerdings auch der Sendeplatz sein. Knauthe sagt zwar, es gebe generell keine leichten Sendeplätze mehr - klar ist aber auch: Sat.1 hätte es dem Magazin gewiss einfacher machen können, nach dem Neustart sein Publikum zu finden. Ab sofort wird die Sendung nämlich, abhängig vom Vorprogramm, am Montagabend zu verschiedenen Uhrzeiten starten - und dann auch noch gegen das RTL-Magazin "Extra" laufen. "Wir haben die Monate, die wir zur Vorbereitung hatten, genutzt, um gute Filme mit einer eigenen Farbe zu drehen. Ich sehe keinen Sinn darin, einen Film zu produzieren, um gegen eine bestimmte Konkurrenz stark zu sein. Wir produzieren, um in uns selbst stark zu sein", sagt Knauthe zur Konkurrenz-Situation mit "Extra".

Die "Akte" will künftig nicht nur mit anderen Inhalten als bislang punkten, auch optisch gibt es einen Relaunch. So hat Sat.1 die Jahreszahl aus dem Titel gestrichen, auch das Studio ist neu. Durch die neue Moderatorin werde man weiblicher und wolle sich auch stärker als bislang an einem weiblichen Publikum ausrichten, sagt Knauthe. Claudia von Brauchitsch wird sich künftig übrigens komplett auf die Moderation der "Akte" konzentrieren. Sie arbeitete in der Vergangenheit unter anderem für Sky und TV Bayern, außerdem moderierte sie Veranstaltungen für die CDU. Dass das für die Moderation eines journalistischen Formats nicht geht, ist ihr bewusst. "Für mich als Journalistin steht politische Neutralität immer an allererster Stelle. Die ‘Akte’ wird in Zukunft meine volle Zeit und Aufmerksamkeit erfordern", sagt von Brauchitsch im Gespräch mit DWDL.de. 

Sat.1 torpediert den Neustart

Ein weiteres Dilemma: Gerade erst wurde der Neustart ausgerechnet von Sat.1 selbst indirekt torpediert, indem der Sender zuletzt unter der Marke belanglose "Promi Big Brother"-Specials sendete. "Akte" war damit also genau das, was man künftig nicht mehr sein will. Den Zuschauern den abrupten inhaltlichen Wechsel zu erklären, dürfte nicht einfach werden. Und Sat.1 will ja eigentlich noch viel mehr. "Akte" soll die neue Dachmarke werden, wenn es um Infoprogramme beim Sender geht - gewissermaßen eine Art "Brennpunkt". Das ist einerseits verständlich, hat Sat.1 inzwischen abseits der Nachrichten gar keine andere Info-Marke mehr. Auf der anderen Seite ist es auch ein großes Risiko, hat die "Akte" in der Vergangenheit doch schon selbst stark gelitten. Alleine das Magazin auf Kurs zu bringen, dürfte schwer genug werden.