"Lügenpresse" ist bei Pegida, Thügida und ähnlichen Bewegungen zuletzt zu einem Standard-Ausruf geworden. Auf Journalisten sind die selbsternannten "besorgten Bürger" nicht gut zu sprechen, reden immer wieder von "Systemmedien". Thügida-Gründer David Köckert gibt Medien daher für gewöhnlich auch keine Interviews. Das Sat.1-Magazin "Akte" hatte ihn am Dienstag, nachdem er bei einer Demo in Köthen mit rechten Thesen für Aufsehen gesorgt hatte, dennoch zum Gespräch getroffen. Dabei gab es allerdings eine Bedingung: Köckert bzw. Thügida wollten das Interview mitfilmen und live bei Facebook streamen.

In der "Akte"-Redaktion stimmte man dem Deal zu - und führte schließlich am Dienstagvormittag ein Interview mit Köckert. Der entsprechende Live-Mitschnitt des Gesprächs ist auf der Facebook-Seite von Thügida zu finden. Das Problem: "Akte" war am späten Dienstagabend zu sehen, erst da konnte Moderator Claus Strunz das Gesagte einordnen. In der Sendung selbst wurde Köckert unter anderem als "Neonazi" und "Agitator" bezeichnet, der Thügida-Gründer war früher mal bei der NPD.

Die "Akte"-Redaktion hätte auch andere Möglichkeiten gehabt, um die von Thügida geforderte Transparenz zu schaffen. Man hätte etwa das gesamte Interview später online verfügbar machen können - auf der eigenen Seite. Gegenüber "Meedia", das zuerst über den Fall berichtete, hat sich Sat.1 nun von dem Vorgehen der "Akte"-Redaktion distanziert. In einer Stellungnahme, die auch DWDL.de vorliegt, sagt eine Sendersprecherin: "Sat.1 war keine Absprache mit Herrn Köckert bekannt. Diese hätten wir auch nicht gebilligt. Und wir distanzieren uns an dieser Stelle klar davon."

Bei Meta Productions, das "Akte" produziert, rechtfertigt man das Vorgehen. Geschäftsführer Matthias Pfeffer erklärt gegenüber "Meedia": "Herr Köckert hat vorab angekündigt, das Video mit einer eigenen Kamera mitzufilmen und zu streamen, um sicherzustellen, dass sein Interview nicht im Rahmen der Sendung ‘akte 20.18’ verfälscht dargestellt wird. Die Redaktion hat dem zugestimmt, weil das öffentliche Interesse an dieser Figur der rechtsradikalen Szene nach seinem volksverhetzenden Auftritt in Köthen enorm war und wir zudem nichts zu verbergen haben." Pfeffer ergänzt: Hätte man den Forderungen Köckerts nicht entsprochen, hätte er das in den sozialen Netzwerken zum Anlass genommen, um weiter Stimmung gegen die Presse zu machen.

Fest steht: Der Thügida-Livestream des "Akte"-Interviews war sehr gefragt. Er wurde seit Dienstag mehr als 700 Mal geteilt und kam in dieser Zeit auf rund 42.000 Aufrufe. In den Kommentaren heißt es von der Bewegung unter anderem: "Da Interviews durch die Systemmedien immer wieder geschnitten oder falsch dargestellt werden, haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen. Andere Interviewanfragen worden von uns abgelehnt, da sich die Sender einer Aufzeichnung verwehrten. Was Sat1 letzendlich (sic!) daraus macht, liegt nicht in unseren Händen."