Blickt man auf die eigenproduzierte Fiction, war es nicht etwa "Alarm für Cobra 11", das in den vergangenen Jahren RTL die besten Quoten bescherte. Es war "Der Lehrer". Die Serie lief 2009 noch als halbstündige Comedy-Serie und kehrte erst einige Jahre später als Dramaserie zurück. 2016 schaffte "Der Lehrer" dann den endgültigen Durchbruch mit Marktanteilen weit über dem RTL-Senderschnitt, in der Folgezeit wurden einige Male sogar mehr als 20 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe eingefahren. Doch jetzt kommt es zur Zäsur. 

Der Lehrer © TVNow/Frank Dicks Simon Böer
Wie RTL bereits vor einiger Zeit angekündigt hatte, wird der langjährige Hauptdarsteller Hendrik Duryn aussteigen und von Simon Böer ersetzt. Duryn hatte seinen letzten Auftritt als Stefan Vollmer bereits in der vergangenen Woche - an diesem Donnerstag hat nun Böer als Mathe- und Physiklehrer David Ritter seinen Einstand. Im Mittelpunkt der ersten Folge ohne Hendrik Duryn steht der neue Lehrer aber noch nicht. Erst ganz am Ende ist er überhaupt erstmals zu sehen. Zuvor stemmt der restliche Cast (etwa die beiden Schulleiter Günther Rose und Melanie Flemming, Foto oben) die Folge, in der sich alle erst noch daran gewöhnen müssen, dass Vollmer plötzlich nicht mehr da ist. 

Die Veränderungen kommen für RTL und Sony Pictures zu einem kritischen Zeitpunkt - "Der Lehrer" hat trotz der unglaublichen Erfolge in den zurückliegenden Jahren nämlich in jüngster Vergangenheit an Strahlkraft verloren. 2020 erzielte die Serie im Schnitt noch 15,5 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe, das war über ein Prozentpunkt weniger als 2019. In diesem Jahr kamen die drei bislang gezeigten Episoden mit Duryn im Schnitt nur noch auf 13,2 Prozent. Der Trend zeigt also nach unten. Wie die Fans der Serie auf den neuen Hauptdarsteller reagieren, wird sich erst noch zeigen. 

In jedem Fall haben Sender und Produktionsfirma mit dem Schritt, den Hauptdarsteller mitten in der laufenden Staffel zu tauschen, überrascht. Es ist ein cleverer Schachzug, erspart man den Zuschauern so doch einen ganz harten Schnitt und eventuelle Fragezeichen, weshalb nach einer langen Pause in einer neuen Staffel ein neuer Lehrer steht. Inhaltlich erzählt man kurzerhand eine sechswöchige Sommerpause, an deren Ende ein neuer Lehrer an die Schule kommt. In Wirklichkeit liegen zwischen Abschied und Neustart aber nur sieben Tage. Die Wahrscheinlichkeit, dass viele "Lehrer"-Fans so zumindest erst einmal dran bleiben, ist vermutlich höher, als hätte man die Hauptdarsteller nach einer gesamten Staffel getauscht. 

Der Lehrer © TVNow/Frank Dicks Hendrik Duryn als Stefan Vollmer in seiner letzten "Lehrer"-Folge.

Und doch dürfte es eine Herkulesaufgabe für die Macher sein, die zuletzt noch immer mehr als zwei Millionen Zuschauer großteils zu halten. Duryn bzw. Vollmer war schon immer die Person, um die sich alle in der Serie gedreht hat. Auch wenn es immer wieder mehr oder weniger tiefgängige Geschichten rund um Schüler oder Lehrer-Kollegen gab: Vollmer war irgendwie überall mittendrin und mischte mit. Dass Veränderungen auch am RTL-"Lehrer" nicht spurlos vorbeigehen, zeigt sich übrigens am Ausstieg von Jessica Ginkel. Die spielte lange die On/Off-Freundin von Vollmer und stieg 2019 aus. Seitdem zeigen die Quoten nach unten. 

Der Ausstieg von Duryn ist jetzt noch einmal eine andere Nummer. Wie wichtig der Hauptdarsteller für die Produktion war, haben die Verantwortlichen auch immer wieder betont. Maßgeblich mitverantwortlich für den Erfolg der Serie sei er gewesen, erklärten Frauke Neeb und Hauke Bartel, Leitung Fiction Mediengruppe RTL Deutschland, vor einigen Monaten. Und auch Astrid Quentell, Geschäftsführerin der Sony Pictures Film & Fernsehproduktion betonte Anfang 2020 in einem Interview mit DWDL.de die Bedeutung von Duryn für die Serie. In schwierigen Jahren der Entwicklung sei Duryn an Bord geblieben, obwohl nicht klar gewesen sei, ob man Erfolg haben würde. "Er hatte während dieser Zeit auch andere Anfragen, die er aber nicht angenommen hat", so Quentell damals. 

Ein Neuanfang als Chance

Und auch wenn Simon Böer in seiner ersten "Lehrer"-Folge allenfalls eine kleine Nebenrolle spielt, zeigt sich schon, wohin die Reise geht. Auch der neue Lehrer wird sich mit den Problemen der Schüler beschäftigen und versuchen, bei der Lösung behilflich zu sein. Dabei wird er vermutlich nicht ganz so abgehackt reden wie Stefan Vollmer aka Hendrik Duryn. Und auch Vollmers siebenjährige Tochter ist nicht mehr mit dabei. Ihr hatten die Autoren seltsam oft irgendwelche Dinge in den Mund gelegt, die wohl nur Erwachsenen so eingefallen wären. Insofern ist der Neuanfang auch eine Chance. 

An der Grundkonstellation, Schüler haben Probleme und der Lehrer steckt mitten drin, ändert sich aller Voraussicht nach nichts. Warum auch? Das war lange erfolgreich. Ein Stück weit kann man beim RTL-"Lehrer" aber auch sehen, wie sich Drehbuchautoren den Alltag an einer "Problemschule" vorstellen - und wie kurios das manchmal ist. Da gibt es zwar immer wieder Mobbing, Streitereien und andere tiefgreifende Probleme. Aber in der Serie kommt es dann meist doch zu einem Happy End, weil nicht nur der "Lehrer" selbst die Schüler in die richtige Richtung stößt, sondern auch weil die Jugendlichen irgendwann von alleine auf den rechten Weg einschwenken. Auf wundersame Weise entsteht so sehr oft ein Wir-Gefühl unter den Schülern, das es in der Realität so meist wohl gar nicht gibt. Die leicht eingängigen Geschichten haben die Serie lange erfolgreich getragen, sie führten aber auch zu einer Art Vorhersehbarkeit. Und so gibt’s natürlich auch am Ende der ersten Folge ohne Hendrik Duryn ein Happy End, obwohl fünf Minuten zuvor noch großes Drama herrschte. 

Man kann gespannt sein, welchen Schwung Simon Böer der Serie geben wird. "Der Lehrer" hat die Chance, jetzt einen neuen Weg einzuschlagen, auf dem man die bereits ausgetrampelten Pfade verlässt und Neues wagt. Dass es an der Zeit ist, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Quoten. Zum Auftakt ist davon noch wenig zu sehen - aber was nicht ist, kann ja noch werden. Es geht jetzt ganz konkret um die Zukunft der Serie: Wenn die Quoten mit dem neuen Hauptdarsteller in den nächsten Wochen in den Keller rauschen sollten, könnte RTL schnell den Stecker ziehen. Oder kommt es doch zu einem Happy End für die Macher, das in dem Fall ein Happy Beginning wäre? In wenigen Wochen gibt's ein Zeugnis. 

RTL zeigt "Der Lehrer" immer donnerstags ab 20:15 Uhr.