Im vergangenen Jahr haben einige Privatsender ihr längst verloren geglaubtes Sendungsbewusstsein wiederentdeckt. Allen voran RTL und ProSieben warfen immer wieder ihr Programmschema über den Haufen und sendeten News-Specials oder gesellschaftlich relevante Stücke. In wenigen Monaten steht die Bundestagswahl an und auch dort werden es von den Privatsendern wohl allen voran RTL und ProSieben sein, die sichtbar und prominent berichten. 

RTL preschte bereits im Januar vor und kündigte ein Triell zwischen den KanzlerkandidatInnen von Union, SPD und Grünen an. Es ist ein Novum: Einen solchen Dreikampf um das Kanzleramt hat es noch nie gegeben. Aber das Ende der SPD als Volkspartei macht sich dann eben auch im Fernsehen bemerkbar - ARD und ZDF zogen zuletzt nach und kündigten ebenfalls einen Dreikampf an. Für RTL waren die Planungen der Sendung zunächst gar nicht so einfach, schließlich stand lange gar nicht fest, wen Union und Grüne ins Rennen um das Kanzleramt schicken würden. Inzwischen hat man sich mit den Parteien auf den 29. August geeinigt - RTL wirbt bereits damit, das erste Triell in diesem Wahlkampf zu zeigen - auch wenn das streng genommen gar nicht stimmt (DWDL.de berichtete). Das Personal, mit dem RTL die Sendung bestreiten wird, ist derweil noch nicht bekannt.

Gerhard Kohlenbach © MG RTL D / Marina Rosa Weigl Gerhard Kohlenbach
In jedem Fall steht inzwischen auch fest, dass es in diesem Jahr wohl keine wie auch immer geartete gemeinsame Wahl-Sendung von Öffentlich-Rechtlichen und Privaten geben wird. Darauf legt man bei RTL aber auch keinen gesteigerten Wert. "Gemeinsame Formate mit anderen Sendern planen wir nicht, wir wollen selbst und in Eigenregie diese wichtige Wahl für unsere ZuschauerInnen begleiten", sagt Gerhard Kohlenbach, Chefredakteur Nachrichten bei RTL News, im Gespräch mit DWDL.de. In der Vergangenheit war die Kooperation über Sendergrenzen hinweg beim TV-Duell immer auch eine Notlösung, weil sich Angela Merkel immer nur auf ein Duell einließ und weitere Begegnungen scheute. Die Fixierung auf einen einzigen Termin sorgte aber auch immer für eine starke Fokussierung der Zuschauer auf eben dieses Duell. 

Wenn nun mehrere Sender ein Triell planen, müssen die Zuschauer ihre Aufmerksamkeit teilen. Als Beobachter wird man dafür sehr gut sehen können, welche Sender welche Schwerpunkte setzen und wo grundsätzliche Unterschiede liegen. Neben dem Triell plant RTL noch eine Reihe weiterer Formate. Die Wahl werde einen breiten Raum in allen Nachrichten- und Informationssendungen einnehmen, sagt Kohlenbach. Der Chefredakteur spricht von einer Wahl, die "so spannend wird wie kaum eine zuvor". Man wolle "ganz genau hinschauen, was die Menschen bewegt". So plant man unter anderem die Reihe "Am Tisch mit…", in der SpitzenpolitikerInnen direkt mit den Sorgen und Wünschen von Menschen konfrontiert werden. Die Sendung hatte RTL schon zu den Wahlen 2013 und 2017 im Programm, nun also die Fortsetzung - aber zum ersten Mal ohne Angela Merkel.

Micky Beisenherz © TVNow / Markus Hertrich Micky Beisenherz
Am Tag der Bundestagswahl, dem 26. September, gibt's zudem eine gemeinsame Wahlsendung von RTL und ntv. Auch beim Nachrichtensender der Mediengruppe RTL wird die Bundestagswahl natürlich eine große Rolle spielen. Hier legt man einen Fokus auf die wirtschaftlichen Herausforderungen für die zukünftige Bundesregierung. In diesem Zusammenhang wird es auch eine Talksendung geben, die in der Primetime zu sehen sein soll. Klar ist bereits seit wenigen Wochen, dass ntv in seiner Wahl-Berichterstattung nicht auf Louis Klamroth zurückgreifen kann (DWDL.de berichtete). Während Klamroth mittlerweile Interviews bei ProSieben führt, setzt ntv künftig stärker auf Micky Beisenherz. Der soll seine Talk-Sendung "#timeline" nach der Sommerpause und bis zur Wahl wöchentlich präsentieren und damit doppelt so häufig wie bislang.

Natürlich hat auch Corona Auswirkungen auf die Wahl - einerseits auf die Parteien, andererseits auf die Sender. Durch die Pandemie ist bis heute unklar, ob PolitikerInnen große Präsenz-Veranstaltungen durchführen können - da gehen sie vielleicht noch einmal etwas lieber in ein TV-Studio, um Menschen zu erreichen. Für die Sender ist dagegen der Abstimmungsaufwand spürbar gestiegen, das bestätigt auch Gerhard Kohlenbach. Wenn jetzt neben ARD und ZDF auch RTL und ProSieben eigene Sendungen mit den SpitzenkandidatInnen planen, muss das eben entsprechend koordiniert werden. Hinzu kommen ja noch recht neue Player wie die "Bild" mit ihrem Bewegtbildangebot und Interviews mit Print-Journalisten. Trotz allem sieht Kohlenbach bei den Parteien eine "große Offenheit". 

An ProSieben führt kein Weg vorbei. Und Sat.1?

Die AfD will RTL übrigens so behandeln, wie auch alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Gegenüber DWDL.de kündigt Kohlenbach daher auch ein "kleines Triell" mit Vertretern von FDP, Linken und AfD an. Hier unterscheidet man sich mutmaßlich von ProSieben, wo Senderchef Daniel Rosemann bei der Vorstellung des neuen Magazins "Zervakis & Opdenhövel. Live" erklärte, zumindest in dieser Sendung der Partei keine Bühne bieten zu wollen. Wie das bei anderen Wahl-Formaten aussieht, ist unklar. Derzeit wollen sich weder ProSieben noch Sat.1 zu ihren Planungen rund um die Bundestagswahl äußern. 

Linda Zervakis & Matthias Opdenhövel © ProSieben

Eins aber jedenfalls ist schon jetzt klar erkennbar: Wenn es in Zukunft um Informationen und relevante Themen geht, führt in Unterföhring kein Weg vorbei an ProSieben. War früher Sat.1 gesetzt als Info-Sender der Gruppe, hat sich das mittlerweile geändert. So gibt man im Rahmen von "Joko & Klaas Live" regelmäßig gesellschaftlich relevanten Themen einen prominenten Platz in der Primetime, hinzu kommen Dokus von Thilo Mischke, zuletzt etwa über Rechtsextremismus in Deutschland. 

Und dann wären da ja auch noch die Interviews mit den SpitzenkandidatInnen von Union, SPD und Grünen, die bei ProSieben schon gelaufen sind - zunächst mit dem Duo Katrin Bauerfeind und Thilo Mischke, später mit Linda Zervakis und Louis Klamroth. Diese Interviews waren längst nicht perfekt oder frei von Kritik, doch sie zeigen, dass man in Unterföhring gewillt ist. Gewillt, einen neuen Weg einzuschlagen und dabei auch mit bekannten Normen zu brechen. Damit sorgt ProSieben auch ganz wesentlich für eine Entritualisierung der politischen Berichterstattung, über die DWDL.de-Autor Peer Schader an anderer Stelle schon einmal geschrieben hatte. Neben "Zervakis & Opdenhövel. Live", das noch vor der Bundestagswahl starten soll, kündigte Senderchef Rosemann vor wenigen Wochen noch weitere journalistische Formate an, die nach der Fußball-EM zu sehen sein sollen. Und auch übrigens immer um 20:15 Uhr, wie man betont. "Das ist das, woran wir glauben", sagt Rosemann. 

Bleibt die Frage, ob bei der Info-Offensive auch Sat.1 irgendwo einen Platz findet oder ob sich in den kommenden Wochen und Monaten die gesamte Berichterstattung auf ProSieben kanalisiert. Durch eine klare Ausrichtung und Positionierung dürfte es ProSieben sicherlich leichter fallen, die Inhalte an die Zuschauer zu bringen. Darauf hat man sie in den zurückliegenden Monaten in kleinen Schritten vorbereitet. Bei Sat.1 sieht das schon ganz anders aus. Hier rächt sich nun, dass man in Sachen journalistischer Relevanz in den zurückliegenden Jahren zurückgefallen ist. Die Aufgabe für Daniel Rosemann, der neben ProSieben inzwischen ja auch Sat.1 leitet, ist entsprechend groß - weit über die Bundestagswahl hinaus. 

RTLzwei setzt auf Abdelkarim und Soaps

Tom Zwiessler © RTL II Tom Zwiessler
Neben den beiden großen Sendergruppen will aber auch RTLzwei in der Berichterstattung zur Bundestagswahl mitmischen, wenn natürlich auch nicht in der gleichen Schlagzahl wie die Konkurrenz. Und auch inhaltlich wird sich RTLzwei wohl deutlich abheben. Gegenüber DWDL.de kündigt Programmchef Tom Zwiessler an, die Bundestagswahl in den Soaps "Berlin - Tag & Nacht" und "Köln 50667" sowie bei "Krass Schule" zum Thema machen zu wollen. Begleitet werden soll das durch eine mehrwöchige Kampagne auf dem Sender, aber auch in externen Medien. 

Darüber hinaus produziert man eine dritte Staffel von "Endlich Klartext! - Der große RTLzwei Politiker-Check" mit Comedian Abdelkarim. Das Format, das man erstmals vor der Bundestagswahl 2017 zeigte, ist mit einem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden. Eine zweite Staffel erreichte 2020 nur schlechte Quoten - wohl auch, weil ein wirklicher Aufhänger fehlte. Diesen Aufhänger gibt’s mit der Wahl nun aber wieder. Welche PolitikerInnen Abdelkarim in dem Format trifft, ist derzeit noch nicht bekannt. RTLzwei kündigt gegenüber DWDL.de zudem "weitere Multichannel-Inhalte mit Fokus auf junge Wählerinnen und Wähler" an, will sich hier aber noch nicht weiter in die Karten schauen lassen. 

Ohne Frage wird RTLzwei mit seiner Berichterstattung noch einmal ein anderes Publikum als RTL oder ProSieben erreichen - als die Öffentlich-Rechtlichen sowieso. Die RTLzwei-Zuschauer sind jünger als die der anderen Sender. Deshalb, sagt Tom Zwiessler, wolle man die eigene Reichweite auch dazu nutzen, um zur Wahl aufzurufen und zu erklären, wie das Prozedere abläuft. "Wir wollen die Menschen motivieren politisch aktiv zu werden, unter anderem auch, indem wir den Blick für Fehlinformationen schärfen", sagt der RTLzwei-Programmchef.