Eigentlich begann die Saison für RTLzwei richtig gut. Mit einem Monatsmarktanteil von 5,4 Prozent fuhr der Privatsender im September in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen den besten Wert seit einem Jahr ein. Was danach folgte, war jedoch aus Quotensicht eher enttäuschend: In sechs von neun Monaten lag RTLzwei unter den Vergleichswerten des Vorjahres - und gerade zum Ende der Saison rückte die 5-Prozent-Marke so weit in die Ferne wie lange nicht, gerade mal noch 4,5 Prozent standen hier im Mai zu Buche.

Ziemlich genau fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass RTLzwei zuletzt auf Monatsbasis mehr als sechs Prozent Marktanteil erzielte. Die jüngste Entwicklung setzt also gewissermaßen einen Trend fort, der schon vor einiger Zeit begonnen hat. Und eine Erklärung dürfte nicht zuletzt in der besonders jungen Ausrichtung des Senders liegen: RTLzwei schielt vor allem auf die Zuschauer unter 30 und macht somit Programm für eine Zielgruppe, die immer seltener vor dem klassischen Fernseher sitzt und deren Nutzung sich rasant ins Internet verlagert. Dort finden viele RTLzwei-Formate durchaus ein beachtliches Publikum, doch die Konkurrenz durch YouTube, Netflix, TikTok und Co. ist größer denn je.

Formate wie "Berlin - Tag & Nacht" oder "Köln 50667" bekommen das besonders deutlich zu spüren. Während die beiden Soaps im Netz mittlerweile starke Abrufzahlen generieren, fallen ihre TV-Quoten im laufenden Jahr so niedrig aus wie noch nie. Innerhalb von sieben Jahren hat sich etwa der Marktanteil von "BTN" nahezu halbiert. Der bisherige Rekord im Jahr 2021 liegt bei 7,5 Prozent - und damit auf einem Quoten-Niveau, das noch 2019 im Durchschnitt erreicht wurde.  

Auch die Datingshow "Love Island" ist nicht zuletzt abseits des linearen Programms ein Erfolg. Im Frühjahr sorgte das Format einmal mehr für Rekorde beim Streamingdienst TVNow (auch wenn dieser nicht herausrücken will, wie viele Abrufe tatsächlich auf "Love Island" zurückgingen - dass die Zahlen in "Love Island"-Monaten stets massiv in die Höhe schießen und danach wieder zurückgehen, ist jedoch offensichtlich). Dennoch ist "Love Island" auch im klassischen TV noch immer eine sichere Bank: Dass RTLzwei erstmals zwei Staffeln innerhalb eines Jahres an den Start brachte, hat sich aus Quotensicht ausgezahlt - war aber auch schon die auffälligste Programm-Entscheidung in einer ansonsten programmlich eher wenig ambitionierten Saison.

Sozial-Dokus deutlich geschwächt

Wobei man den Blick etwas weiten muss - denn mit dem - überaus erfolgreichen - "Kampf der Realitystars" und der - überaus erfolglosen - Musikshow "Battle of the Bands" legte man zwei der großen Neustarts lieber ins Konkurrenz-arme Sommerprogramm. Dazu kam dann noch das Problem, dass die von RTL übernommene Nackt-Kuppelei "Adam sucht Eva" wegen Corona erst mal nicht produziert wurde. Für die eigentlich zuschauerstärkeren Monate im Herbst, Winter und Frühjahr blieb dann nur wenig neues übrig wie etwa das mit mäßigen Quoten noch gut bediente "Supermarkt-Quiz" oder "Prominent und obdachlos", das mit drei Prozent Marktanteil sang- und klanglos endete.

Und da wären wir schon beim nächsten Problem: Die Sozial-Dokus, die RTLzwei vor noch nicht allzu langer Zeit mitunter in die Nähe der Marktführerschaft spülten, wurden von dem Sender derart inflationär programmiert, dass Formate wie "Armes Deutschland" oder "Hartz und herzlich" zwar noch immer überdurchschnittlich gut laufen, ihren Zenit aber wohl schon überschritten haben. Dabei sind solche Formate auch deshalb wichtig, weil sie auch ein etwas älteres Publikum zu RTLzwei bringen - was im Übrigen auch für die Daytime gilt. Sonst meist chronisch quotenschwach, sind mit "Hartz und herzlich - Tag für Tag" durchaus auch mal größere Reichweiten drin.

Ob sich das Genre noch lange ausschlachten lässt, darf aber zumindest bezweifelt werden, denn die neuen Formate wie "Das Berlin-Projekt" und "3 Familien - 3 Chancen" funktionierten nicht oder nur mittelmäßig. Wie gut, dass es mit den Familien-Dokus über die Geissens, Wollnys, Reimanns und Katzenbergers eine weitere Stütze in der Primetime gibt. Umso ärgerlicher für RTLzwei, dass es seit Jahren nicht gelingt, das Publikum von weiteren TV-Familien zu überzeugen. Für die Stubers, die der Sender als "Trödelkönige" anpries, interessierten sich zu Jahresbeginn jedenfalls mal wieder nur wenige Zuschauer.

Geht man davon aus, dass sich die Sehgewohnheiten, insbesondere die des jungen Publikums, noch stärker ins Netz verlagern, dann dürften die Herausforderungen für RTLzwei im Linearen in den kommenden Jahren wohl nicht kleiner werden. Immer entscheidender wird also auch hier das Zusammenspiel von klassischem TV und Streaming sein. So gesehen wäre es schon als Erfolg zu werten, würde es gelingen, das jetzige Quoten-Niveau des linearen RTLzwei in den kommenden Saisons zu halten.

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