Im Mai 2008 sicherte sich der FC Bayern München mit zehn Punkten Vorsprung in der Fußball Bundesliga die deutsche Meisterschaft. Da hat sich also in den zurückliegenden 13 Jahren nicht viel geändert? Denkste! Schon der Blick auf die Plätze zwei und drei der damaligen Abschlusstabelle zeigt, dass viel Zeit vergangen ist. Werder Bremen und Schalke 04 waren damals die direkten Bayern-Verfolger…



Lübbo Popken arbeitete damals schon bei Borussia Mönchengladbach. Die Fohlen waren in der Spielzeit 07/08 nur zweitklassig, sicherten sich 2008 aber mit Hoffenheim und Köln den Aufstieg ins Oberhaus. In diesem Jahr startete auch Gladbachs Club-Fernsehen, umgesetzt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom, die seinerzeit noch Live-Rechte an der Bundesliga hielt. Der Telekommunikationsriese half an verschiedenen Stellen, genutzt werden konnte unter anderem ein Telekom-Portal für die Verbreitung der Inhalte. "2008 hat die Presse-Abteilung von Gladbach aus sechs Personen bestanden, zwei davon haben nebenbei das Club-Fernsehen gemacht", erinnert sich Pressesprecher Popken gegenüber DWDL.de. "Inzwischen kümmern sich vier Leute um das Club-Fernsehen, drei davon beinahe ausschließlich. Das sieht man dem Produkt dann natürlich auch an."

 

"Es war für viele Spieler neu, dass es im Verein eine Produktionseinheit gibt, die sie auf Schritt und Tritt verfolgt, um Fans zu zeigen, was hinter den Kulissen eines Bundesligisten vor sich geht. Da war viel Überzeugungsarbeit nötig." Lübbo Popken

 

2021 produzieren alle großen Vereine eigene Inhalte – für eine wachsende Zahl an Fans, die sie über eigene Abo-Modelle erreichen, aber auch darüber hinaus. Der FC Bayern München zählt über zwei Millionen Abonnenten seines YouTube-Kanals, Borussia Dortmund fast eine Million. Der deutsche Rekordmeister kommt auf Instagram inzwischen sogar auf über 26 Millionen Follower weltweit, gar über 50 Millionen folgen dem FCB auf Facebook. Borussia Mönchengladbach zählt bei Facebook rund 1,2 Millionen Abonnenten. "Es hat sich in den 13 Jahren unglaublich viel getan – und damit meine ich nicht nur den Bereich Soziale Medien." Gut kann sich Popken nämlich noch dran erinnern, wie das Projekt Club-Fernsehen vor 13 Jahren startete: Mit einer Kamera, einem drahtgebundenen Mikro und zwei Scheinwerfern. Dazu auch mit anderen Hürden. "Gleichwohl die Gründerjahre sehr spannend waren, waren sie auch geprägt von großen Fragezeichen und einem gewissen Misstrauen. Dieses war zum Beispiel innerhalb der Mannschaft zu spüren. Es war für viele Spieler neu, dass es im Verein eine Produktionseinheit gibt, die sie auf Schritt und Tritt verfolgt, um Fans zu zeigen, was hinter den Kulissen eines Bundesligisten vor sich geht. Da war viel Überzeugungsarbeit nötig", erinnert sich Popken.

Inzwischen sei die Club-Fernsehen-Crew von der Mannschaft voll akzeptiert und quasi ein Teil des Teams. Auch technisch sei man inzwischen deutlich besser ausgerüstet. Das macht sich auch in Sachen Output bemerkbar. "Wir starteten mit dem Anspruch, pro Tag ein Video zu produzieren. Im Wissen, dass wir ein Special Interest Angebot umsetzen, haben wir uns dabei nie eine eigene Längenbegrenzung gesetzt. Inzwischen sind zwölf bis 15 Videos pro Woche unser Anspruch. Daneben produzieren wir aber auch große Teile der Bewegtbildinhalte, welche wir in den sozialen Medien, also Facebook, YouTube oder Instagram spielen", sagt Popken.

Erst unerfreulich, nun ein Mehrwert

Die zunehmenden vereinseigenen Tätigkeiten waren derweil dem Hauptgeldgeber der Deutschen Fußball Liga (DFL), Pay-TV-Anbieter Sky, lange ein Dorn im Auge. 2014, also vor sieben Jahren, monierte der damalige Sky-Vorstand Carsten Schmidt: "Wir brauchen Zugang zu den Themen und den Stars. In der Regel haben wir diesen, aber es gibt Clubs, die meinen, daraus Exklusivität für sich selbst ziehen." Es könne nicht sein, "dass dort journalistische, aber auch lizenzrechtliche Themen beginnen zu verrutschen. Das beobachten wir intensiv", sagte Schmidt und nannte den Sachverhalt eine "unerfreuliche Entwicklung".

Stoppen ließ sich diese nicht. Und so passierte letztlich das, was immer passiert, wenn Trends nicht aufzuhalten sind. Man muss sich mit ihnen anfreunden. Aus der Führungscrew von 2014 arbeitet heute niemand mehr bei Sky. Carsten Schmidt ist derzeit übrigens selbst CEO bei einem Bundesligisten, er wechselte vom Fernsehen zu Hertha BSC. Für den Sport bei Sky zuständig ist seit einigen Monaten der von ESPN gekommene Charly Classen – und inzwischen kann Sky viel besser mit den TV-Aktivitäten der Vereine leben.

Charly Classen © Sky Charly Classen
"Club-TV-Angebote sind für die Vereine bereits seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der Kommunikation und Interaktion mit ihren Fans und bieten andere Inhalte, die mitunter auch für unsere Kunden einen Mehrwert darstellen können. Entscheidend ist, dass Club-TV-Angebote die klassische Medienberichterstattung und exklusive Interviewmöglichkeiten nicht ersetzen, sondern unser Programm mit neuen, anderen Inhalten ergänzen", sagt der Fernsehmacher im Gespräch mit DWDL.de. Vereinseigene Produktionen sind längst Teil des Sky-Sportprogramms. Sky zeigt etwa die von der Presseabteilung des 1. FC Köln umgesetzte Doku "24/7 FC" – und im Mai lief erstmals sogar ein Vereinsmagazin eines Bundesligisten im Vorfeld der Samstags-Berichterstattung: "HaHoHe – eine Woche in Blau Blau-Weiß", also das Vereins-TV-Format von Hertha BSC.

Beide Formate seien gute Beispiele, erklärt Classen. Sie sollen den Sky-Kunden "neue Einblicke" gewähren. "Dabei legen wir großen Wert darauf, dass Vereinsproduktionen immer deutlich als solche gekennzeichnet sind, um sie klar von unserer redaktionellen Berichterstattung abzugrenzen." Weiterhin will Sky den journalistischen Anspruch haben, "dass die Berichterstattung und Interviews rund um die Vereine der Bundesliga und 2. Bundesliga auch in Zukunft unabhängig und ungefiltert vor unseren Kameras und Mikrofonen erfolgen."

In erster Linie PR

Unabhängigkeit gibt es im Vereinsfernsehen nicht. "Es ist uns vollkommen klar, dass wir in erster Linie PR machen", meint Popken. "Da muss man nicht drum herum reden. Dennoch haben wir einen journalistischen Anspruch. Wir wissen, für welches Publikum wir produzieren. Daher wissen wir auch, dass wir nicht gut beraten wären, für ein solch emotionales Umfeld nur Fernsehen mit Vereinsbrille herzustellen und an der Realität vorbei zu berichten", sagt Popken. Er gehe zudem davon aus, dass auch die Fans wüssten, dass Club-Fernsehen nicht der kritische Begleiter einer Mannschaft ist. Auch bei Gladbach gelten daher Grundsätze, die klar PR-Denkweisen zuzuordnen sind. "Unser Grundsatz: Gibt es nichts Positives zu berichten, berichten wir lieber nichts. Vorgegaukelte Gute-Wetter-Geschichten machen wir nicht", sagt Popken, der aber ergänzt, in einer Phase, in der es für die Mannschaft nicht gut laufe, nicht so zu tun, als wäre alles wunderbar.

Für TV-Sender sind die neuen Aktivitäten der Clubs noch an anderer Stelle hilfreich. "Wir sind vor Ort bei der Mannschaft, haben das nötige Equipment. Wir können also Interviews, die unsere TV-Partner via Schalte führen, aufzeichnen und das entsprechende Material dann bereitstellen. Da unterstützen wir gerne." Das habe sich, sagt Popken, im Lauf der Jahre, jüngst natürlich bedingt auch durch die Pandemie, klar verändert. Popken weiß aber auch, dass die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Verein und TV-Sender variiere. "Bei Borussia ist es so, dass wir lieber mal ein Interview nicht machen, um es von anderen Medien führen zu lassen. Ich sehe aber durchaus die Möglichkeit einer gegenseitigen Befruchtung. Nehmen wir als Beispiel: Christoph Kramer verlängert seinen Vertrag. Wir, als im Haus agierende Produktionseinheit, haben als einzige die Möglichkeit, diese Vertragsunterzeichnung zu filmen", erklärt Popken. Die entsprechenden Bilder würden dann zunächst auf den eigenen Kanälen verwertet, dann aber auch TV-Partnern zur Verfügung gestellt. "Gäbe es uns nicht, dann hätten die TV-Sender überhaupt keine Aufnahmen. Ich denke daher, dass in solchen Fällen beide Seiten profitieren", sagt Popken.

In diesem Fall sind der geneigte Fan, der TV-Partner wie auch der Verein selbst Gewinner. Das gilt allerdings immer nur so lange, wie jedem ein Grundsatz klar ist. Es muss, wie Popken sagt, zu jeder Zeit klar sein, "dass wir in erster Linie PR machen".

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