Die Alien-Invasion hat Frankreich und Großbritannien überrollt, große Teile der Menschheit sind ausgelöscht. Der Kampf der wenigen Überlebenden wird neuerdings durch ein schwarzes Loch in der Erdatmosphäre erschwert, das Zeitreisende verursacht haben. Es sorgt für mysteriöse Halluzinationen von einer noch apokalyptischeren Parallelwelt – und für noch mehr Thrill in der dritten und letzten Staffel von "Krieg der Welten". Die moderne Neuinterpretation des H.G.-Wells-Klassikers ist eine der aufwendigsten Science-Fiction-Produktionen Europas und – nach den September-Premieren bei Canal+ in Frankreich und Epix in den USA – von nächster Woche an international auf Disney+ zu sehen.

Für Studiocanal in der Doppelrolle als Mutter der Londoner Produktionsfirma Urban Myth Films und als Weltvertrieb ist die Serie ein voller Erfolg. Dass sie es auf drei Staffeln bringen würde, war angesichts der Störfeuer nicht selbstverständlich: Die BBC hatte nahezu zeitgleich eine historische "War of the Worlds"-Variante an den Start gebracht, und Disney zog voriges Jahr den Stecker für die internationalen Fox Channels, wo "Krieg der Welten" ursprünglich gelaufen war. Die Robustheit seines Produkts liege in der globalen Verbreitung, glaubt Produzent Julian Murphy, da diese auch nischigeren Stoffen eine wirtschaftliche Perspektive eröffne.

Genau das ist die Strategie des französischen Vivendi-Konzerns, der seinen Produktions- und Vertriebsarm Studiocanal über die vergangenen zehn Jahre konsequent mit Zukäufen in den europäischen Kernmärkten angefüttert hat. Ursprünglich nur im Kinofilm angesiedelt, um die Versorgung des hauseigenen Pay-TV-Senders Canal+ zu gewährleisten, wurde in Produktionsfirmen wie Red ("Years and Years") oder Benedict Cumberbatchs SunnyMarch TV ("Patrick Melrose") in Großbritannien, Bambú ("Cable Girls") in Spanien, Sam Productions ("Ride Upon the Storm") in Dänemark oder Lailaps Films ("Wild Republic") in Deutschland investiert. Das Resultat: Neben rund 30 Spielfilmen pro Jahr produziert die Gruppe inzwischen mehr als 200 Serienstunden; der Rechtekatalog umfasst neben "Terminator 2", "Rambo", "Mulholland Drive" oder "Paddington" auch "Shadowplay", "Countdown Copenhagen", "Crossing Lines" oder "Midnight Sun".

Yannick Bolloré © Vivendi Junior mit Akquise-Hunger: Yannick Bolloré hat Vivendi von seinem Vater übernommen
Am Rande des Filmfestivals von Rom wurde dieser Tage bekannt, dass Studiocanal auch in Italien tätig wird, und zwar über eine Co-Development- und Koproduktionsvereinbarung mit Elsinore Film, der neuen Firma von "Skam Italia"-Macherin Annamaria Morelli. In Deutschland lagen die Serienaktivitäten einige Zeit brach, nachdem die umtriebige, weltweit vernetzte Produzentin Rola Bauer sich im Frühjahr 2020 in Richtung MGM verabschiedet hatte. Nun will man auch hierzulande wieder angreifen und hat Bauers alte Firma Tandem Productions zu diesem Zweck unter der Geschäftsführung von Kalle Friz und Nicolas Loock in Studiocanal Series umbenannt. Konkret in Arbeit sind Koproduktionen mit Komplizen Serien, BerghausWöbke Film, Lago Film, Pantaleon Films, Ringel Film und Saxonia Media.

Vivendi erwirtschaftet knapp 60 Prozent seines Umsatzes und gut 80 Prozent seines Betriebsergebnisses mit der Canal+ Group, zu der neben Studiocanal auch das Pay-TV- und SVoD-Geschäft mit 9,6 Millionen französischen sowie 14,3 Millionen internationalen Abonnenten gehört. Unter ihnen sind seit März die Kunden der österreichischen Streaming-Plattform Canal+ Austria, die in Kooperation mit der A1 Telekom Austria Group gelauncht wurde. Mit einer Expansion in den deutschen SVoD-Markt liebäugelt man nach eigenem Bekunden, auch wenn es noch keine konkreten Pläne gibt. Den in finanzieller Hinsicht überschaubaren Rest teilen sich die Werbe- und Media-Agenturen der Havas Group, die Buchverlage von Editis, der Videospiel-Publisher Gameloft und die Zeitschriften von Prisma Media ("Capital", "Gala", "Geo"), die einst zu Gruner + Jahr gehörten.

Vivendi auf einen Blick

  • Umsatz: 9,6 Milliarden Euro (2021)

  • Führung: Yannick Bolloré (Chairman), Arnaud de Puyfontaine (CEO)

  • Gesellschafter: Bolloré Group (29,5%), Rest im Streubesitz

  • Wichtige Programme: Paddington, Shadowplay, Terminator 2, War of the Worlds, Years and Years

Das hauseigene Wirtschaftsmagazin "Capital" führt die Haupteigner von Vivendi auf seiner Liste der reichsten Familien Frankreichs auf Platz 16. Demnach verfügte die Familie Bolloré 2021 über ein Vermögen von 8,51 Milliarden Euro. Ihre Holding Bolloré Group – hervorgegangen aus einer 1822 eröffneten Papierfabrik in der Bretagne – hält knapp 30 Prozent der Anteile am Konzern. Vivendi in seiner heutigen Form ist das Ergebnis zahlloser Übernahmen und Verkäufe, orchestriert vom 70-jährigen Patriarchen Vincent Bolloré, der laut "Welt" als "skrupelloser Meister der Verunsicherung" und "meistgefürchteter Investor Frankreichs" galt, inzwischen jedoch aus dem Tagesgeschäft ausgeschieden ist. Sein 42-jähriger Sohn Yannick Bolloré hat das Zepter als Aufsichtsratsvorsitzender übernommen.

In puncto M&A-Hunger kommt der Junior ganz nach seinem Vater und steht zurzeit mitten in der Übernahme des französischen Medienkonzerns Lagardère, zu dem mit Hachette Livre die größte Buchverlagsgruppe des Landes, Zeitschriften wie "Elle" oder "Paris Match" und mehrere Radiosender gehören. Bis zum Auslaufen des Übernahmeangebots an die Aktionäre im Juni hatte Vivendi 57 Prozent der Anteile an Lagardère erworben. Um die kartellrechtliche Hürde im Buchmarkt zu nehmen, musste Vivendi seine Tochter Editis, die Nummer zwei unter den Verlagen, zum Verkauf stellen.

Bolloré ist durchaus zuzutrauen, dass er in den nächsten Jahren eine noch aktivere Rolle in der Konsolidierung des europäischen Film- und Fernsehmarkts spielen wird. Mehrere Anläufe dazu gab es bereits, auch bei zwei Konzernen, die in den vergangenen Tagen Teil dieser DWDL.de-Reihe waren: Bei Mediaset, dem heutigen MediaForEurope, hatte Vivendi eine Position von 30 Prozent der Anteile aufgebaut, ehe man in einen jahrelangen Strategie-Streit mit den Berlusconis geriet und sich schließlich auf einen weitgehenden Anteilsverkauf einigte. Und bei Banijay griff man Haupteigner Stéphane Courbit 2020 unter die Arme, um die kostspielige Übernahme der Endemol Shine Group zu stemmen – was in einer Beteiligung von 32,9 Prozent resultierte. Diese wurde im Zuge von Umschuldung und Börsengang im Juli dieses Jahres jedoch auf 19 Prozent an der neuen Banijay-Mutter FL Entertainment verwässert. Nicht ausgeschlossen, dass in dieser Sache eines Tages noch einmal neuer Ehrgeiz erwacht.

Europas Studios im Umbruch – bisher erschienen