Anfang kommenden Jahres feiert Sat.1 seinen 40. Geburtstag - die Frage ist nur, wie groß die Feierlaune wirklich sein wird, nicht nur, weil die Situation für alle Privatsender angesichts des Einbruchs im Werbemarkt derzeit schwierig ist. Die Hoffnung, "ein neues Sat.1 mit alter Stärke" strahlen zu lassen, die Senderchef Daniel Rosemann bei seinem Amtsantritt vor etwas mehr als zwei Jahren äußerte, dürfte sich jedenfalls kaum erfüllen - ganz davon zu schweigen, dass wenige Monate vor dem Jubiläum so viel mehr im Programm gar nicht los ist, auch wenn Rosemann das im vorigen Jahr noch in Aussicht gestellt hatte.

Tatsächlich hat Sat.1 die Zahl der Erstausstrahlungen in den zurückliegenden Wochen sogar deutlich zurückgefahren - was wohl nicht zuletzt eine Folge des derzeit schwächelnden Werbegeschäfts ist. Klar ist aber: Förderlich ist diese Zurückhaltung mit Blick auf die Quoten nicht. Die sind in der nun zu Ende gegangenen Saison noch ein Stück weiter gesunken und fielen in der klassischen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen im Mai auf die Marke von nur noch sechs Prozent, während Konkurrent Vox das direkte Duell immer häufiger für sich entscheiden konnte - auch in der erweiterten Zielgruppe 14-59, auf die man bei Sat.1 inzwischen gerne blickt und neuerdings selbst beim Gesamtpublikum. Die Erfolge mit der Relegation, die es für Sat.1 in den ersten Juni-Tagen gab, dürften wohl für kaum mehr als ein kleines Strohfeuer reichen.

Rosemann steht dabei vor einem doppelten Problem: Während in der Primetime ein neuer Hit auf sich warten lässt, steht Sat.1 inzwischen auch in der Daytime - einst wichtiger Anker des Senders - schlechter da denn je. Dass die Entscheidung, die Scripted Realitys zugunsten der dreistündigen Live-Strecke "Volles Haus!" zu streichen, nicht direkt für Quotensprünge sorgen würde, dürfte auch den  Verantwortlichen in Unterföhring klar gewesen sein. Doch dass der Weg so holprig sein würde, hat man wohl auch nicht gedacht. Im Schnitt erzielte die Sendung in den zurückliegenden Wochen meist weniger als drei Prozent Marktanteil und zog auch noch die 19-Uhr-Schiene mit ihren Spielshows weiter nach unten. Dass es derzeit ausgerechnet der ausrangierte TV-Anwalt Ingo Lenßen richten soll, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Die Quoten-Misere in der Daytime, aber auch an anderen Stellen offenbart ein tiefgründigeres Dilemma: Offenbar fehlt es der Sat.1-Führung bislang noch am richtigen Gespür für die Zielgruppe des Senders - erklärtermaßen inzwischen in erster Linie Frauen über 40. Ein bunt zusammengestellter Mix aus Talk, Kochen, Promi-News und Lebensretter-Geschichten ist offenbar nicht das, was das weibliche Publikum von Sat.1 erwartet. In der Primetime wiederum erwiesen sich noch vor dem Start der Saison sämtliche Formate mit Neuzugang Birgit Schrowange als Flops und mit Julia Leischiks Herzschmerz-Format "Das Haus am Meer" traf der Sender ebenfalls nicht den Geschmack der Zuschauerinnen.

Endlich die richtige Format-Idee für Pilawa

Und auch abseits davon ist Sat.1 in der zurückliegenden Saison nicht nennenswert vorangekommen - auch, weil überraschende Sendeplatzwechsel selbst bis dato solide laufenden Formaten wie "99 - Eine:r schlägt sie alle" und "Mein Mann kann" geschadet haben. Dazu kommt kein sonderlich glückliches Händchen bei Show-Neuauflagen: "Geh aufs Ganze!" zeigte auf dem neuen Donnerstags-Sendeplatz bereits erste Schwächen und bei den laut ausgerufenen "Kultshow-Wochen" gab's für die "Pyramide" zwar Lob, aber nur maue Quoten - und "Jeopardy" und dem "Herzblatt"-Comeback erging es noch schlechter.  Auch Ralf Schmitz konnte zuletzt immer weniger reißen - und wie der Show-Titel "Rate my Date" zu einem Sender passen soll, der eigentlich für sich in Anspruch nimmt, ein älteres Publikum anzusprechen, bleibt etwas unklar. Mit den "Sat.1 Checks" beispielsweise zu Bau- oder Supermärkten, gelangen vereinzelt zumindest ordentliche Quoten, doch auch hier verfingen nicht alle Themen.

Einer der wenigen echten Hoffnungsschimmer ist das neue "1% Quiz", wenngleich der Beweis noch aussteht, dass die Show mit Jörg Pilawa auch über einen längeren Zeitraum hinweg punkten kann. Mit im Schnitt mehr als neun Prozent Marktanteil war die erste Staffel vielleicht kein Überflieger, aber in jedem Fall ein schöner Erfolg. Endlich scheint man nach diversen Versuchen nun also ein passendes Format für den prominenten Neuzugang gefunden zu haben.

Ansonsten sind es vor allem Dauerbrenner, auf die sich Sat.1 - mehr oder weniger - verlassen kann. "The Voice" und "The Voice Kids" fuhren verlässliche Quoten ein, "Promi Big Brother" punktete im Umfeld der Fußball-WM und auch die Jubiläumsstaffel von "The Taste" funktionierte ausgesprochen gut. Dass der Back-Ableger "The sweet Taste" letztlich aber allenfalls solide lief und die aktuelle "All Stars"-Staffel erstaunlich schwach performt, passt irgendwie zur ernüchternden Bilanz dieser Saison, in der am Ende neben einzelnen Bundesliga-Spielen die alten "Kevin"-Filme zu den größten Hits gehörten.  

Ansonsten blieben die fiktionalen Ambitionen von Sat.1 überschaubar. Mit "Blackout" bot der Sender im Frühjahr zwar eine Serie zu einem brandaktuellen Thema, doch nach einem gelungenen Auftakt sanken die Quoten spürbar. Weitere deutsche Serien suchte man vergeblich - und der Versuch, mit europäischen Produktionen zu punkten, scheiterte gar derart kläglich, dass Sat.1 notgedrungen sogar wieder die "Wanderhure" aus dem Hut zaubern musste. Ansonsten verbleiben im Serien-Bereich einige wenige US-Krimiserie, doch letztlich reicht das "Navy CIS"-Franchise alleine kaum aus, um damit ganzjährig einen Serien-Abend zu bespielen.

Schöne Erfolge feierte Sat.1 dagegen in den zurückliegenden Monaten verstärkt am Sonntagabend. Doch die Stabilisierung mit Spielfilmen ist teuer erkauft, weil sie ganz eindeutig auf Kosten von ProSieben ging, das dafür auf seine etablierte Blockbuster-Programmierung verzichten musste. Während der Sat.1-Senderclaim also "Es gibt noch viel zu sehen" lautet, heißt die Losung fürs Führungsteam um Daniel Rosemann mit Blick aufs Programm: "Es gibt noch viel zu tun."

Weitere Saison-Bilanzen