Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, dass Christine Strobl als ARD-Programmdirektorin auf Volker Herres folgte. Während seitdem vor allem die Mediathek gestärkt wurde, hat sich auch das Programm des Ersten an mehreren Stellen verändert. Die Bilanz der zurückliegenden Saison fällt dabei gemischt aus: Während der Sender zwischen September und Dezember im Vergleich zum Vorjahr teils deutlich gegenüber dem Vorjahr zulegte, gingen die Marktanteile in den ersten vier Monaten 2023 zurück - um bis zu 0,8 Prozentpunkte. Erst im Mai gab es, bedingt etwa durch den Rückenwind des Eurovision Song Contests - wieder einen Aufschwung.
Beim Gesamtpublikum hat Das Erste seinen zweiten Platz gefestigt, doch an den Marktführer ZDF kam das ARD-Hauptprogramm zu keinem Zeitpunkt heran, auch wenn Anker wie die "Tagesschau", der "Tatort", starke Samstagabendshows oder auch der Vorabend-Hit "Wer weiß denn sowas?" in der zurückliegenden Saison einmal mehr eine sichere Bank waren.
Auffällig ist, dass weiterhin ungewöhnliche Serien den Weg ins Programm schafften, deren lineare Bilanz allerdings durchwachsen ausfällt. Während "Lauchhammer" ein großer Erfolg war, lief es für die historische Miniserie "Bonn" ziemlich durchwachsen. Auch die österreichische Produktion "Tage, die es nicht gab" ließ auf dem Serien-Sendeplatz am Dienstagabend schnell nach und endete mit einstelligen Marktanteilen. Die Fußball-Serie "Das Netz" lief sogar so schlecht, dass eine weitere Staffel gar ins Nachtprogramm verbannt wurde.
Überhaupt fällt auf, dass Fußball in der zurückliegenden Saison kein riesiges Zugpferd war: Die WM-Monate November und Dezember brachten zwar einen Quoten-Aufschwung, doch gemessen an den Erwartungen, die die Sender für gewöhnlich an eine Weltmeisterschaft haben, fiel die Bilanz ernüchternd aus.
Licht und Schatten
Mit Blick auf die von Strobl eingeleiteten Veränderungen gibt es hinsichtlich der Quoten-Bilanz Licht und Schatten. Während der zweite "Maischberger"-Sendeplatz am späten Dienstagabend für Stabilität sorgte, haben die neu eingeführten Labels am Montagabend noch keinen Aufschwung nach sich gezogen. "Hart aber fair" konnte daneben mit Louis Klamroth als neuem Moderator noch nicht an die Quoten von Frank Plasberg anknüpfen - aktuell liegt der Polittalk etwa zwei Prozentpunkte unter dem Vorjahr. Allerdings fällt auf, dass nach den Corona-Jahren und den Schwerpunkten zum Ukraine-Krieg das Interesse des TV-Publikums an Talkshows generell etwas nachgelassen hat.
Noch keine Lösung hat Strobl zudem für den Sendeplatz am Freitagabend um 21:45 Uhr gefunden: Sowohl mit True-Crime-Dokus als auch "Comedy rettet die Welt" landete Das Erste keinen Erfolg. Bitter: Die bislang dort angesiedelten "Tagesthemen" wurden im Anschluss an die neuen Formate sogar deutlich geschwächt - das dürfte nicht im Sinne der Verantwortlichen sein. Auch die schon Anfang 2022 erfolgte Umstellung des Vorabend-Programms am Sonntag brachte bislang wenig: Während der "Weltspiegel" auf dem früheren Sendeplatz ordentlich läuft, konnte die nach hinten geschobene "Sportschau" bislang nur selten überzeugen.
Dass die ARD mit Jörg Pilawa im vorigen Jahr eines ihrer bekanntesten Show-Gesichter an Sat.1 verloren hat, fiel hingegen weniger ins Gewicht. Das "Quizduell" konnte mit Esther Sedlaczek sogar zulegen. Abseits davon verpasste der Sender jedoch die Chance, auf der großen Bühne Neues zu etablieren. Außer einer leicht veränderten Wissensshow mit Eckart von Hirschhausen, die kürzlich mit schwachen Quoten startete, gab's im Unterhaltungsbereich nur wenig Bewegung. Doch angesichts erfolgreicher Shows mit Florian Silbereisen oder Kai Pflaume dürfte sich der Drang nach Veränderung aus nachvollziehbaren Gründen in Grenzen halten.
Für den Nachmittag gilt das allerdings nicht: Dort hat sich die ARD zwar noch einmal dazu durchgerungen, die beiden Telenovelas "Sturm der Liebe" und "Rote Rosen" zu verlängern, doch angesichts rückläufiger Quoten und vergleichsweise hoher Produktionskosten ist unklar, ob beide Formate noch eine lange Zukunft vor sich haben werden. Alternativen hat Christine Strobl allerdings noch nicht gefunden, wie die zwischenzeitlich im Sommer getesteten Formate "Team Hirschhausen" und "Leichter leben" zeigten. Dass der Sender tagsüber teils deutlich hinter dem ZDF liegt, dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, weshalb Das Erste auch in der zurückliegenden Saison aus Quotensicht wieder nur das Zweite war.