Zu Jahresbeginn feierte Sat.1 seinen 40. Geburtstag - wobei: Nach Feiern war bei Sat.1 offenbar kaum jemandem zumute, was nicht nur an der allgemein enttäuschenden Entwicklung des TV-Werbemarktes im vergangenen Jahr lag. Während die Konkurrenz aus Köln zumindest noch eine Jubiläumsshow auf die Beine stellte, fand das Jubiläum im Sat.1-Programm jedenfalls kaum statt. Und was hätte man auch feiern sollen: Die von Daniel Rosemann 2021 formulierte Hoffnung, zum Vierzigsten solle "ein neues Sat.1 mit alter Stärke strahlen", hatte sich offensichtlich nicht erfüllt.

Als Rosemann im Herbst 2023 als Sat.1-Chef abtrat, lagen die Marktanteile jedenfalls unter jenen, bei denen er den Sender übernommen hatte - ganz egal, ob man nun aufs Gesamtpublikum, die 14- bis 59-Jährigen oder die 14- bis 49-Jährigen schaut. Dass ausgerechnet in den ersten zwei Monaten Amtszeit des neuen Sat.1-Chef Marc Rasmus, der sich durch eine gute Markenführung bei Kabel Eins für den Posten empfohlen hatte, deutlich steigende Quoten zu verzeichnen waren, war kaum mehr als ein kurzes Strohfeuer. In diesem Jahr dümpelt Sat.1 um die 6 Prozent Marktanteil in der klassischen Zielgruppe, ein Stückchen darunter bei den 14- bis 59-Jährigen und damit weiterhin leicht hinter Vox.

Nach dem Führungswechsel im Oktober ist die Jubiläumssaison für Sat.1 naturgemäß eine Saison des Übergangs - neue Formate wollen schließlich erst entwickelt werden. Den Einfluss von Marc Rasmus aufs Programm sieht man daher bislang vor allem an einem Versprechen: Dem der Verlässlichkeit. Während man sich in der Rosemann-Zeit über den ein oder anderen schwer erklärbaren Sendeplatzwechsel etablierter Formate wunderte, hat Rasmus nun feste Abende mit klarer Ausrichtung angekündigt – was es jetzt freilich aber auch erstmal auf Dauer durchzuhalten gilt.

Ordnung ist das halbe Leben...

Zum Aushängeschild des Senders hat sich dadurch aber binnen kürzester Zeit schon der Donnerstagabend entwickelt, vor allem dank des "1% Quiz". Mit der Show hat Sat.1 endlich das passende Format für Jörg Pilawa gefunden, das obendrein nun in erhöhter Schlagzahl vorliegt. Dass selbst erfolgreiche Formate früher meist nach sechs Wochen wieder für fast ein Jahr verschwanden, war der Stabilisierung des Senders sicher nicht zuträglich. Dass Pilawa nun gleich zwölf Wochen ran durfte (was freilich noch auf eine Entscheidung von Daniel Rosemann zurückgeht) ist da ein Schritt in die richtige Richtung, im Herbst soll es mit dieser Schlagzahl weiter gehen. Der Lohn: Sehr stabile Quoten weit über dem Senderschnitt.

Die anderen Formate - der Neustart "The Floor" und das wieder aufgelegte "Große Allgemeinwissensquiz" - konnten da zwar noch nicht ganz mithalten, schlugen sich aber trotzdem zumindest solide. Dass sie auf einem mit dieser Programmfarbe "vorgewärmten" Sendeplatz starten durften, war dabei sicher nicht abträglich. In Kürze versucht man es nun zudem noch mit einer Neuauflage von "Hast du Töne?". Das Format durfte vor gar nicht allzu langer Zeit in Sat.1 noch am Vorabend unter dem Titel "Let the Music play" - mit wenig Erfolg - ran. Ob das nun an der wundersamen Wahl des Titels lag, sei dahingestellt - dass man nun wieder auf den altbekannten Namen setzt, zeigt deutlich die Handschrift von Marc Rasmus, der wieder mehr Gehirnschmalz in die Wahl zur Zielgruppe passender Titel investiert.

Dass das kein Allheilmittel ist, ließ sich freilich auch schon beobachten. Die Rückbenennung von "Leben leicht gemacht" ins viele Jahre gelernte "The Biggest Loser" änderte trotzdem nichts daran, dass die Sendung in der Primetime floppte - vielleicht auch, weil sie besser am Sonntagvorabend aufgehoben wäre, wo nebenbei bemerkt "Julia Leischik sucht: Bitte melde dich" davon profitierte, nicht in Doppelfolgen versendet zu werden, sondern stattdessen über einen längeren Zeitraum im Programm zu sein - Stichwort: Verlässlichkeit.

Doch zurück zu den Titeln: Auch dass aus den "Honeymoon-Inseln" noch "Gestrandet in den Flitterwochen" wurde, führte nicht dazu, dass dieses Format beim Sat.1-Publikum auf Gegenliebe stieß. Es fiel aber wohl ohnehin eher in die Kategorie "zu versendende Altlast". Den Mittwochabend, an dem es lief, soll ja schließlich eigentlich den Themen Kochen, Backen und Essen vorbehalten sein, wo man mit "The Taste", dem "Großen Backen" und seinen diversen Ablegern schon recht gut aufgestellt ist. Doch für eine ganzjährige Bespielung fehlen hier noch weitere Formate - "Kühlschrank öffne dich" floppte jedenfalls auch im zweiten Anlauf. Mit "Wer kocht das Beste für die Gäste?" steht hier im Sommer noch ein Neustart an, doch Sat.1 wäre gut beraten, hier nochmal einen ganz neuen Ansatz zu finden, wenn man das Genre weiter ausbauen will - damit man nicht das Gefühl hat, die immer gleichen Zutaten neu aufgewärmt vorgesetzt zu bekommen.

Was darf's außer Kochen und Quiz noch sein?

Die Entscheidung, jeden Abend ein festes Versprechen abzugeben, führt nun auch dazu, dass man sich bei Sat.1 auf vier Abende für Eigenproduktionen konzentriert und den zwischenzeitlich anvisierten Ausbau einstweilen abgeblasen hat. Heißt: Am Wochenende bleibt es bei Filmen - womit man meist gar nicht schlecht fährt. Und dienstags bleibt es bei US-Serien, trotz der häufig ernüchternden Ergebnisse. Doch es gibt mit Blick auf den Montag- und Freitagabend schließlich noch genug zu tun. Der Freitag soll den Shows gehören - doch "The Voice" und vor allem "The Voice Kids" zeigen schon gehörige Verschleißerscheinungen. "Kiwis große Partynacht" floppte gnadenlos, war aber auch einfach mit viel zu geringem Budget ausgestattet um mit den großen Schlagerpartys der Öffentlich-Rechtlichen mithalten zu können. Sieht man von den erfolgreich eingeführten "Besten Comedians Deutschlands" und dem okay laufenden "Stars in der Manege" mal ab, die nur wenige Abend im Jahr füllen, fehlt es Sat.1 also noch an länger laufendem Show-Material, wenn man sich nicht ständig mit "111 ausgefuchsten Viechern" und ähnlichem billigem Füllstoff übers Jahr hangeln will.

Am unschärfsten bleibt einstweilen der Montagabend positioniert, der für "Factual Entertainment" stehen soll. "Sehr viel Neues" will man da ausprobieren, kündigte Marc Rasmus im DWDL-Interview an. Und das ist auch nötig, weil abgesehen von "Hochzeit auf den ersten Blick" dort größere Erfolge fehlen. Das von Kabel Eins mitgebrachte "Über Geld spricht man doch" lief dort zwar recht solide, ähnlich der Neustart "Unsere Lieblinge" mit Oliver Geissen, doch zum großen Hit taugte beides erstmal noch nicht. Auch das bei einer Fortsetzung wohl montags beheimatete "Einsatz mit Herz - Die Notfallhelden" tat sich zuletzt am Donnerstag nach dem Weggang von Doc Caro nach nur einer Staffel nicht leicht. Eine gänzlich rätselhafte Entscheidung war es in diesem Frühjahr zudem, dort die Entscheidunggshows von "Big Brother" zu zeigen, während die Tageszusammenfassungen Joyn vorbehalten blieben oder erst im Nachgang in Sat.1 liefen. Die Folge waren katastrophale Quoten.

Immerhin konnte sich Sat.1 aber gegen Jahresende wieder auf "Promi Big Brother" verlassen, das trotz wild wechselnder Startzeiten zwischen 20:15 Uhr und kurz vor Mitternacht im Vergleich zum Vorjahr zulegen konnte. Und wenn man die Erfolge des Senders betrachtet, dann sollen an dieser Stelle natürlich (neben dem nie zu unterschätzenden "Frühstücksfernsehen") auch die diversen Fußball-Übertragungen nicht unerwähnt bleiben, die immer mal wieder für Reichweiten-Peaks sorgen - aber eben nur sehr geballt auftreten, statt für dauerhaftes Interesse von Sport-Fans zu sorgen.

Lichtblick am Vorabend, Baustelle am Nachmittag

Außen vor blieb bei der gesamten Betrachtung dabei bislang die großflächigste Baustelle im Programm von Sat.1: Das Nachmittags- und Vorabendprogramm. Die gute Nachricht: Mit der "Landarztpraxis" kristallisierte sich zumindest um 19 Uhr eine Serie heraus, die bei der anvisierten Sat.1-Kernzielgruppe der Frauen ab 40 gut ankam - wenngleich sich die zweite Staffel bislang etwas schwerer tut. Das "Küstenrevier" hingegen geriet dazwischen zum Flop. Auch den 18-Uhr-Sendeplatz hat Sat.1 dank der Neuauflage des Klassikers "Notruf" inzwischen ein Stück weit besser in den Griff bekommen.

Doch auch für Marc Rasmus stellt es sich als überaus schwierige Aufgabe heraus, am Nachmittag überhaupt mal wieder auf relevante Reichweiten zu kommen. Die beiden neuen Kochformate mit Alexander Kumptner und Johann Lafer erreichten im Schnitt bislang nicht mal 200.000 Personen. "Unser Leben - unser Geld" erzielte zwar beim jungen Publikum etwas bessere Marktanteile, doch die Gesamt-Reichweite lag im Schnitt auch nur knapp über 200.000. Und die verschiedenen Docs und Lebensretter hatten es ebenfalls nicht ganz leicht.

Es bleibt also noch einiges zu tun für den neuen Senderchef, nicht nur am Nachmittag, sondern auch in der Primetime. In den ersten Monaten hat er dafür gesorgt, dem Programm eine klarere Struktur zu geben. Das dürfte dabei helfen, einmal gewonnenes Publikum nicht direkt wieder zu verschrecken, wenn man ihnen plötzlich eine ganz andere Programmfarbe vorsetzt. Nun gilt es aber, für diese Struktur mehr Leuchttürme zu finden, die nicht nur als Füllstoff dienen, sondern auch wieder neues Publikum anlocken. Hier muss Marc Rasmus in der nächsten Saison liefern.