Nun ist es also soweit. Jahresende, und ein Jahresrückblick muss her. Welche Themen gab es?

Ich mache mir noch einmal die Mühe und schaue auf das, was ich hier seit Juli so geschrieben habe. Gab es Leitmotive der Transformation, die ich immer wieder gefunden habe, ohne es beim Schreiben schon im Kopf zu haben? Und siehe da, ich werde fündig.

Das Mega-Thema in einem weiteren Transformations-Jahr ist die unterschiedliche Antwort auf die Frage: Wie erzeugt man Wachstum?

Den Legacy-Media-Häusern in TV und Film scheint für den großen Wurf auf den ersten Blick nur noch eine Idee zu bleiben: M&A. Wenn es um Schlagzeilen geht, lautet die Choreografie 2025 ziemlich zuverlässig: größer, teurer, komplizierter. Unspektakulärere Strategien – Abo-Pakete diversifizieren, Fan-Plattformen ausbauen, Creator-Tools schaffen – taugen weniger für Investorenfantasien, treiben aber genau dort Wachstum, wo es wichtig ist. Beim Produkt, beim Publikum, im Alltag.

Zeit also, auf dieses hektische Jahr 2025 und die verschiedenen Strategien zurückzuschauen.

Zunächst: die großen Fusions-Fantasien

Dass 2025 ein Ausnahmejahr für Deal-Making war, belegt eine Auswertung von PwC. Allein im zweiten Halbjahr lag das Volumen der Media- und Telco-Transaktionen in den USA rund 60 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Deswegen hier ein Blick auf einige Transaktionen.

Von Berlusconi bis Warner

1. Netflix vs. Paramount: Wer bekommt Warner?

In Hollywood läuft bekanntlich gerade das vielleicht wichtigste Bieterrennen der Dekade. Netflix hat Anfang Dezember einen Deal mit Warner Bros. Discovery über 82,7 Milliarden US-Dollar Enterprise Value geschlossen – für Studio, TV- und Film-Library sowie Streaming. Lineare Sender wie CNN und Discovery sollen abgespalten werden. Nur wenige Tage später startet Paramount Skydance einen feindlichen Vollkauf über 108,4 Milliarden US-Dollar – all cash, inklusive der linearen Sender. Paramount preist sein Angebot in Briefen an die WBD-Aktionäre als „überlegen“ und „regulatorisch einfacher“ (das WBD Board hat seinen Aktionären empfohlen, das Angebot abzulehnen), während Netflix intern betont, man sei „weiter voll committed“ und sehe den Einstieg ins Kino als nächsten logischen Schritt. Klar, das ist kein naives „Wenn wir nur groß genug sind“. Da wird hart gerechnet: Marktanteile, Break-up-Fees, Regulierungsrisiken. Aber, in der Logik beider Angebote steckt die gleiche Grundüberzeugung. Die Antwort auf Druck ist ein noch größerer Content-Block, mehr Subscriptions und Kostensynergien.

2. RTL/Sky: Nationaler Champion mit EU-Siegel

Auf deutscher Ebene erzählt die RTL Group eine ähnliche Geschichte, nur kleiner. Ende Juni kündigt RTL an, Sky Deutschland übernehmen zu wollen. Rund 11,5 Millionen zahlende Kunden in DACH sollen unter ein Dach, vom Free-TV bis zum Streaming. Thomas Rabe nennt die geplante Kombination „transformational“ und „einen Meilenstein – sowohl für Bertelsmann als auch für die europäische Medienindustrie.“ Der Deal ist unterschrieben, aber noch nicht freigegeben. Laut RTL soll der Abschluss in der ersten Jahreshälfte 2026 erfolgen, abhängig vom grünen Licht der Wettbewerbshüter. Narrativ: „Ein nationaler Champion“, der gegen US-Plattformen bestehen soll. Auch hier: Skalierung als Hauptargument.

3. MFE/ProSiebenSat.1: Familie übernimmt

In Unterföhring ist die Konsolidierung faktisch durch: MediaForEurope (MFE) der Familie Berlusconi hält seit September über 75 % an ProSiebenSat.1, damit die Sperrminorität und die faktische Kontrolle. Im Oktober installiert MFE mit Marco Giordani den eigenen CFO als neuen ProSiebenSat.1-CEO, die bisherige Führung wird weitgehend ausgetauscht. Pier Silvio Berlusconi spricht seit Jahren davon, einen „stärkeren europäischen Player“ formen zu wollen, der im Werbemarkt gegen Google, Meta und Co. nicht völlig untergeht. Auch hier: Größe, Bündelung, Vereinheitlichung. Und wieder die Hoffnung, dass ein zusammengelegter Block mehr Verhandlungsmacht bringt als zwei mittelgroße Häuser.

Drei sehr unterschiedliche Konstellationen, eine gemeinsame Strategie. Ich nenne sie mal liebevoll „Balance-Sheet-Bodybuilding.“Auf der Strecke zu bleiben droht oft das, was man nicht so leicht in Tabellen bekommt: redaktionelle Handschrift, Unternehmenskultur, kreative Autonomie.

Dass Fusionen historisch gesehen oft weniger Wert schaffen als versprochen, wissen die Verantwortlichen. Trotzdem ist es für die Protagonisten mutmaßlich der letzte Hebel in einer Industrie, deren klassische Wachstumsstory, mehr Reichweite (Abos) = mehr (Werbe)-Geld, ausgereizt scheint.

Von Abonnenten bis Fan-Ökonomie

Parallel dazu gab es 2025 aber auch Bewegungen, die im Gegensatz dazu fast schon unaufgeregt wirken, und genau deshalb spannend sind.

1. The New York Times: Wachstum per Schraubenzieher

The New York Times schraubt weiter an ihrer Abo-Maschine. Ende 2024 verfügte die NYT über mehr als 11,4 Mio. Abonnenten, vor allem digital, wobei digitale Aboerlöse im vierten Quartal 2024 um rund acht bis neun Prozent zulegten. Print‑Abos gehen weiter zurück, werden aber durch die wachsende Digitalbasis und Bundle‑Upgrades überkompensiert: Neue Family-Pläne für Digital-Abos, Bündel aus News, Games, Cooking, Wirecutter und The Athletic. Die Strategie lautet, mehr Wert ins Paket und dann die Preise für das Gesamtbundle behutsam anheben. Die Unternehmenskommunikation spricht nüchtern von drei Hebeln: „reach new subscribers, improve retention and increase subscription revenue“. Wachstum als mühevolles Handwerk, nicht als Geniestreich. NYT kauft auch zu (The Athletic, Wordle), aber die eigentliche Story ist: Produktpflege, Preispolitik, Datenarbeit. Keine „historische“ Pressekonferenz, sondern kontinuierliche Arbeit am Produktversprechen. Man könnte auch Markenpflege bei gleichzeitiger konsequenter digitaler Transformation dazu sagen.

2. HYBE: Fan-Ökonomie als Motor

HYBE, das koreanische Haus hinter den K-Pop-Megastars BTS u.v.a., denkt Transformation noch einmal ganz anders: über Fans. Umsatz 2024: ca.1,65 Milliarden US-Dollar (ein neues Allzeithoch; Wachstum ca. drei bis vier Prozent gegenüber 2023). CEO Lee Jae-sang beschreibt K-Pop als Ergebnis eines „virtuous cycle“, bei dem es nie nur um Musik ging. Die HYBE-Plattform „weverse“ bündelt Fan-Communities, exklusive Inhalte und Commerce-Funktionen in einem geschlossenen Ökosystem („One-Stop-Service“). Ein Kreislauf, den Superfans antreiben. Engagement (Käufe/Daten) führt zu besseren Angeboten, die wiederum erzeugen noch mehr Engagement. Eine gewachsene Infrastruktur, die sich nicht mit einer einzigen Transaktion kopieren lässt. Statt das x-te Label zu kaufen, investiert HYBE in die Schnittstelle Fan–Künstler, indem es neue Artists bindet. Die Strategie ist nicht nur zwingend „wir werden größer“, sondern: „wir holen mehr aus der Beziehung heraus, die wir schon haben.“

3. Spotify und YouTube: Wettlauf um die Creator

Im Audio- und Videobereich läuft der spannendste Teil der Transformation ohnehin über Creator-Plattformen. Spotify umgarnt 2025 gezielt YouTube-Creator, um mehr Video auf die Plattform zu holen, und verkauft sich weiter als „multi-sided platform“ und eine der „truly unique creative platforms in the world“, wie Daniel Ek es formuliert hat. Über das Programm „Spotify for Creators“ erhalten Creator kostenloses Hosting, Distribution auf andere Plattformen und zentrale Analytics, also eine Art Command Center für Audio- und Video-Inhalte. Auch YouTube schiebt die Tool-Front massiv nach vorne. Auf dem „Made on YouTube“-Event kündigt die Plattform dieses Jahr eine Welle von KI-Features an – von Text-zu-Video (Veo 3) über „Edit with AI“ und Auto-Dubbing bis hin zu neuen Shopping-Insights für Creator. Ziel: mehr Monetarisierung, weniger Produktionsreibung und Traffic-Verlust. Hier geht es um Werkzeuge, Analysetools, Schnittstellen. Kurz: um das Betriebssystem, auf dem die nächste Content-Generation entsteht. Und das ganze natürlich auch mit KI.

4. Disney: Nicht zerteilen, sondern verschalten

In unser Jahres-Bild passt Disney als interessanter Sonderfall der Legacy Media. Bob Iger hat 2025 klar gesagt, dass Disney seine linearen TV-Netzwerke nicht verkaufen will (anders als WBD oder Comcast, die ihre Kabelsender in separate Vehikel auslagern oder darüber nachdenken). Zitat Iger: „Wir sind an einem Punkt, an dem die linearen Netzwerke in unserem Unternehmen überhaupt keine Belastung sind, sondern tatsächlich ein Aktivposten.“ Die Logik: ABC, ESPN & Co. sind keine „Bad Bank“, sondern ein Hebel (Marketing, Werbeinventar, Reichweite), der in Verbindung mit Streaming, Studios und Parks einen Mehrwert stiftet. Linear-Inhalte sollen zwar schlanker werden, aber die Integration steht im Vordergrund, nicht der Spin-off. Während andere Häuser also daran arbeiten, ihre Konglomerate zu entflechten oder neu zu verkabeln, versucht Disney, das vorhandene Gebilde konsequenter zu verschalten.

Die Bewährungsprobe kommt erst noch

Was bleibt vom Jahr der Wachstumschancen 2025?

Aus der Vogelperspektive sieht es für mich so aus:

Legacy-TV- und Filmhäuser setzen bei den großen Hebeln auf M&A und „more of the same“-Geschäftsmodell – Paramount/Warner, RTL/Sky, MFE/ProSiebenSat.1.

Parallel gibt es einen zweiten Strang von Transformation, der leiser ist, aber strategisch mindestens so relevant. Und der lautet Produktschärfung statt Pressekonferenz, Fan-Ökonomie statt Reichweitenfetisch, Creator-Tools statt Senderzukäufe.

Für 2026 ist die Frage weniger, ob es weitere M&A-Deals geben wird. Die Antwort ist: natürlich.

Die spannendere Frage lautet:

Wer arbeitet zwischen all den Transaktionen an der Infrastruktur, dem Produkt und den Beziehungen, die man später nicht einfach kaufen kann? Denn Größe lässt sich bilanzieren. Vertrauen, Gewohnheiten und Fanliebe nicht.

Und: Gerade für Produzenten und mittlere Häuser wird 2026 zur Bewährungsprobe. Wollen sie nur Teil der M&A-Geschichte anderer sein oder selbst an der stilleren, aber nachhaltigeren Wachstumsstory mitschreiben?