Foto: Photocase/simmelWir stehen wenige Wochen vor dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika und ob man Sportfan ist oder nicht: Das Großereignis wird in den kommenden Wochen das dominierende Thema sein. Als Nationalsport Nr.1 ist Fußball immer auch ein Stück weit Landeskultur. Die Bedeutung des Sports und der Berichterstattung darüber soll daher also auch nicht angezweifelt werden. Eine Nation ist eben im WM-Fieber.

Als am Montag also das offizielle, wenn auch nach dem Foul von Kevin-Prince Boateng nicht sehr überraschende WM-Aus des Kapitäns der deutschen Nationalmannschaft bekannt wurde, verwunderte es niemanden, dass es ein großes Thema in den Nachrichten wurde. Bei mauer Nachrichtenlage wundert es auch nicht, dass es zum Topthema der Hauptnachrichtensendungen wurde. Doch wo selbst die Privaten - sicher auch aus Mangel an einem geeigneten Format - eine Grenze ziehen, gingen ARD und ZDF am Montagabend noch einen Schritt weiter.
 

 
Um 19.20 Uhr unterbrach das ZDF nach den "heute"-Nachrichten das geplante Programm für ein "ZDF Spezial" mit Michael Steinbrecher und nach der "Tagesschau" unterbrach auch DasErste seinen geplanten Programmablauf um 20.15 Uhr für ein 15-minütiges "Sportschau Extra" zum kaputten Knöchel von Michael Ballack und dem damit verbundenen WM-Aus. Beim ZDF ging die Sondersendung auf Kosten des Verbrauchermagazins "Wiso", im Ersten verschoben sich die nachfolgenden Primetime-Programme um 15 Minuten.

Das ist sicher kein Drama. Nur es muss auch die Frage erlaubt sein, welcher Maßstab eigentlich heute - noch mehr als drei Wochen vor dem Start der Fußball-Weltmeisterschaft - beim Nachrichtengeschehen angelegt wurde. Nicht zum ersten Mal sind Entscheidungen von ARD und ZDF für oder gegen kurzfristigen Sondersendungen zumindest diskussionswürdig. Bemerkenswert clever übrigens wie ARD und ZDF bei der Selbstbestimmung ihres eigenen Nachrichtenverständnisses hin und wieder wie ein Fähnchen im Winde je nach Richtung der Kritik hin und her wechseln.
 
Normalerweise sieht man sich in Abgrenzung zu den Nachrichtenangebote der Privatsender als die unaufgeregte, seriöse und verlässlische Alternative, die über dem zum Geschäft verkommenen Nachrichtengeschehen steht. Nur bei den Themen mancher Sondersendungen schwingt das Gefühl mit, das es nicht mehr darum geht was wichtig ist, sondern was gefällig ist und Reichweite verspricht. Das ist kein Verbrechen - aber wird sonst von den Öffentlich-Rechtlichen lautstark und gerne an den Privaten kritisiert.

Wer sich nicht von der Emotionalität dieser Meldung des Tages überwältigen ließ und nicht in die teilweise wüsten Beschimpfungen gegenüber Kevin-Prince Boateng am Montag einstimmte, fragt sich am Ende des Tages schon: Wenn wir trotz Euro-Krise, Griechenland oder der zum Bürgerkrieg ausufernden Lage in Thailand keine größere Sorgen haben als ein verletzter Fußballer-Knöchel, dann kann es uns in Deutschland ja so schlecht nicht gehen.