Fast immer wenn in Deutschland strukturelle Kritik an ARD und ZDF geübt wird, erreichen die mal eloquenten, mal eher derben Meinungsäußerungen leider die falschen Adressaten, nämlich ARD und ZDF selbst. Das passiert immer noch erstaunlich oft und reicht sowohl in Artikeln aber auch Podiumsdiskussionen für einen kurzweiligen Volkssport. Viel zu selten richten sich die Forderungen an die, die wirklich etwas ändern könnten: An die Medienpolitikerinnen und Medienpolitiker der Republik, die die Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk festlegen und es seit Jahrzehnten schaffen, Aufträge so schwammig zu formulieren, dass die Auslegung im Alltag meist für Ärger sorgt; wenn nicht sogar zu juristischen Auseinandersetzungen führt.



Am Freitag lernen wir in der "FAZ" eine dieser Medienpolitikerinnen näher kennen. Julia Klöckner ist CDU-Landes- und -Fraktionsvorsitzende in Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der AG Medien der Fraktionsvorsitzenden-Konferenz von CDU und CSU. "Ich bin ein Fan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", bekennt sie. Allerdings sind sich Medienpolitiker aller Lager grundsätzlich einig darin, ARD und ZDF ganz dufte zu finden. Das wiederum ist so überraschend wie das Amen in der Kirche: Die Politik würde ohne die Öffentlich-Rechtlichen schließlich gar nicht mehr stattfinden im Fernsehen. Radikale Schritte werden zwar deswegen immer mal wieder in den Ring geworfen, aber am Ende meist gescheut. Für einen Berufsstand der zu oft "In Talkshows darüber reden" mit tatsächlicher Politik verwechselt, wäre das ein Entzug der wesentlichen Projektionsfläche.

Was bleibt schon von manchem Politiker übrig, wenn man das Ego abzieht? Sie merken vielleicht: Ein Freund von Medienpolitik bin ich nicht unbedingt. Der Gastbeitrag von Julia Klöckner in der "FAZ" bestärkt mich darin und das nicht nur, weil ihre Schlussworte mit "Das sollten wir alle gemeinsam verhindern" gleich so sympathisch positiv klingen. Nein, sie formuliert zuvor sechs "Baustellen" bei ARD und ZDF und manche Idee davon ist interessant. Die Probleme analysiert sie - und das ist frei von Ironie - noch durchaus präzise, doch die Lösungsvorschläge wirken teilweise naiv und nicht im Ansatz durchdacht. Natürlich wird Klöckner kaum einer - die Verlage mal ausgenommen - widersprechen, wenn sie fordert das Internet stärker zu nutzen um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Auch die Erkenntnis, dass die regionalen Programme der ARD doch am besten auch regionales Programm machen sollten, ist problemlos mehrheitsfähig.

Julia Klöckner© Julia Klöckner

 

Aber es folgen kuriose Ideen aus dem Land der Theorie: Statt einen eigenen Jugendkanal zu starten regt Klöckner eine abendliche "Jugendkanal"-Schiene ab 20 Uhr im KiKa an, die sich an die 14- bis 29-Jährigen richten soll. Die Begeisterung junger Erwachsener abends den KiKa einzuschalten, kann man sich jetzt schon bildlich vorstellen. Die ARD wiederum solle neue Wege im Internet gehen und den Sender tagesschau24 "ins Netz ziehen inklusive einer entsprechenden App und diese rundum aufbauen zu einem Internet-Nachrichtenkanal", so Klöckner. Auch das klingt - vielleicht nicht für "FAZ", die diese Zeilen am Freitag druckt - grundsätzlich gut. Doch hier übergeht Klöckner ein grundsätzliches Thema, das durch so einen Vorschlag nicht gelöst sondern eher verschärft wird: Statt einzelne Details zu klären, wäre eine Grundsatzentscheidung darüber wichtig, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk sein soll. Klar und unmissverständlich.


Weiter schlägt Klöckner vor, ZDFinfo einzustellen und die Informationsprogramme bei ZDFneo zu integrieren und Phoenix dem ZDF zuzuordnen. "Das ZDF hätte dann mit den Themenschwerpunkten Ereignis und Dokumentation eine gute Möglichkeit, seine Kernkompetenzen rund um das Thema Nachrichten weiter auszubauen und zu vertiefen", so die CDU-Medienexpertin. Warum sie das der ARD absprechen will, bleibt unklar. Und nebenbei bemerkt: Dass ZDFneo keine Nachrichten zeigt, war bis zuletzt der erklärte Wunsch der Medienpolitik. In Mainz hätte man nix dagegen. Aus der Reihe "Theoretisch toll, praktisch problematisch" kommt auch der Vorschlag, Arte und 3sat zu einem europäischen Kultursender zu vereinen. Über den Sinn von 3sat kann man seit Jahren vortrefflich diskutieren, doch die französische Hälfte von Arte - dort ist der Sender übrigens weitaus erfolgreicher als bei uns - dürfte kaum begeistert sein.

Das allein ist noch kein Kriterium aber wer sich erinnert, wie lange es gedauert hat bis dieser zweisprachige Sender zu sich selbst gefunden hat, der darf skeptisch sein. Mehr Länder und damit noch mehr Sprachen? Frau Klöckner hat nebenbei wohl auch den Viel-Kanal-Ton erfunden. Bei pan-europäischen Fernsehplänen stößt eine europäische Gemeinschaft mit verschiedenen Sprachen irgendwann an ihre Grenzen. Ein solches Programm wäre symptomatisch für die Brüssel-EU: Politisch gewollt und durchgedrückt aber nicht nah am Bürger. So liest sich auch dieser Vorschlag von Julia Klöckner zwar zunächst spannend aber am Ende wenig realistisch. Ein bisschen mehr hätte man sich von einer Medienpolitikerin dann doch erwartet.

In dem einen Punkt, in dem man ihr zustimmen kann, bleibt zu hoffen, dass die Medienpolitik keine einzelnen Details definiert sondern endlich grundsätzlich entscheidet: Und zwar für eine Existenz der Öffentlich-Rechtlichen im Netz.