Die Bilder der Loveparade-Tragödie haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. 21 Menschen kamen damals ums Leben, mehr als 500 wurden verletzt. Es wäre vermutlich ein Leichtes gewesen, die folgenschwere Massenpanik, die sich vor sieben Jahren in Duisburg ereignete, in einem abendfüllenden Spielfilm nachzustellen. Eva und Volker A. Zahn haben sich trotzdem dagegen entschieden. Stattdessen erzählen die beiden Drehbuchautoren die Geschichte eines Menschen, der die Katastrophe überlebt hat.

Ihr Fernsehfilm "Das Leben danach" beginnt dann auch nicht etwa mit den dramatischen Szenen, die sich an jenem Nachmittag in dem viel zu engen Tunnel ereigneten. Stattdessen sieht man Antonia, eine junge Frau, wie sie die Gedänkstätte verwüstet. Das irritiert zunächst, doch schnell wird klar, dass sie selbst die Tragödie am eigenen Leib erfahren musste und seither darunter leidet, sich vergessen zu fühlen. "Wir, die überlebt haben, sind die Kaputten", wird sie später sagen und fragen: "Was ist mit einer Gedenkstätte für alle, die sich umgebracht haben?"

Tatsächlich sollen in Folge der Tragödie sechs Menschen Selbstmord begangen haben, weil es ihnen an seelischer Unterstützung mangelte. Entsprechend groß ist die Verantwortung der beiden Autoren. "Wir haben deutlich die Verantwortung gespürt, und obwohl wir eine fiktive Geschichte erzählen, die nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt, hoffen wir inständig, dass die Betroffenen sich durch den Film verstanden fühlen und vielleicht auch in Zukunft etwas mehr Aufmerksamkeit und Verständnis erfahren", sagt Volker A. Zahn über die Polyphon-Produktion, die am Abend im Ersten ausgestrahlt wird.

Das werden freilich einzig die Überlebenden beurteilen können, doch zusammen mit der schon mehrfach Grimme-prämierten Regisseurin Nicole Weegmann hat das Ehepaar Zahn ein sehr eindrückliches Stück abgeliefert, das den Zuschauern auf teils beklemmende Art einen ganz neuen, schonungslosen Blick auf die Loveparade-Katastrophe ermöglicht. Dass das gelungen ist, hängt nicht zuletzt an Jella Haase, der eine intensive Interpretation der Rolle der Antonia gelingt. Von der ersten Minute an verleiht sie der auch sieben Jahre später noch traumatisierten Frau eine beeindruckende Tiefe.

Das Leben danach© WDR/Alexander Fischerkoesen

Man sieht, wie sie überfordert ist mit sich und dem Leben, wie sie zum Alkohol greift und einfach keinen Ausweg findet aus ihrer Situation. Der Film erzählt auch von der Überforderung ihres in starker Manier von Martin Brambach dargestellten Vaters, der ebenso wie Antonias Stiefmutter mit den Kräften am Ende ist. Und vom Taxifahrer Sascha (Carlo Ljubek), vor dessen Auto sie nach der Zerstörung der Gedenkstätte rennt. Schnell gibt dieser vor, am Tag des Unglücks ebenfalls mittendrin gewesen zu sein. Seine wahren Absichten kommen jedoch erst nach einiger Zeit ans Tageslicht - es entsteht eine hochspannende Beziehung, die allerdings weit entfernt ist von einer klassischen Liebesgeschichte.

"Auch wenn es kitischig klingt: Ohne Liebe ist das Leben schwer auszuhalten", sagt Autorin Eva Zahn, "das ist der Hoffnungsschimmer, den wir unbedingt am Ende unserer Geschichte setzen wollen." Dass die Frage der Verantwortung zum Schluss ungeklärt bleibt, ist gewollt. Das müsse juristisch geklärt werden, meinen die Verantwortlichen, eine fiktionale Aufarbeitung des Schuld- und Ursachenkomplexes sei deshalb unangebracht. Genau diese Frage nicht gestellt zu haben, ist allerdings die große Stärke dieses Films, zeigt er doch, dass sich die Tragödie längst nicht nur auf einen Sommertag vor sieben Jahren beschränkt.

Das Erste zeigt "Das Leben danach" am Mittwoch um 20:15 Uhr.