Vergangenen Oktober ging "Mindhunter" bei Netflix online. Eine Crime-Serie, die im Jahr 1977 angesiedelt ist und die ersten Schritte zweier FBI-Agenten begleitet, die die Erforschung psychologischer Aspekte in Ermittlungen gegen Serienkiller zum Standard machen wollten. Der Rest des FBIs will das aber nicht unterstützen. Dadurch entstand eine fulminante Serie, die dem Crime-Genre neuen Schwung verlieh. Der ursprünglich für TNT konzipierte "The Alienist" geht den gleichen Weg, nur schreiben wir das Jahr 1896: Ein toter Junge wird gefunden, es wurden ihm Eingeweide und Augen herausgeschnitten. Dr. Lazlo Kreizler (Daniel Brühl) kommt schnell auf die Spur, dass hier ein Serienmörder am Werk ist. Als "The Alienist", ein Arzt für die Verirrten, Psychologe würde man heute sagen, möchte er ihm das Handwerk legen. Doch helfen will ihm dabei niemand.

Für das Team der Turner Produktion muss es ein gewisser Stimmungsdämpfer gewesen sein, dass "Mindhunter" nur wenige Monate vor der eigenen Premiere ausgestrahlt wurde. Eine Idee wurde übrigens von niemandem geklaut: Während "Mindhunter" auf John Douglas Werk "Die Seele des Mörders" basiert, welches 2007 veröffentlicht wurde, ist "The Alienist" eine Verfilmung des gleichnamigen Buches von Caleb Carr aus dem Jahr 1994. Umso erfreulicher ist es dann jedoch zu sehen, dass sich Daniel Brühl nun nicht nur vollkommen in der internationalen Schauspielbranche etabliert hat. "The Alienist" ist beinahe genauso packend in seinen psychologischen Ansätzen, wie der zuvorgekommene "Mindhunter".

Der große Unterschied kommt im Look. Hier ähnelt die Serie nämlich eher "Peaky Blinders" oder auch "Penny Dreadful". Doch auch dieser Vergleich muss nicht gescheut werden. Die in Budapest gedrehte Produktion, die innerhalb der Geschichte jedoch in New York stattfindet, legt die gleiche Morbidität und Düsternis an den Tag. Als Wohlfühlfernsehen darf also auch "The Alienist" nicht gesehen werden. Auch, wenn wie bei "Hannibal", eine Eleganz mit ins Bild gelegt wird, die die gezeigten, teils scheußlichen Szenen, beinahe poetisch wirken lassen.

Der Anspruch, angenehmes Sonntagsfernsehen zu sein, wurde aber auch zu keinem Zeitpunkt gestellt. "Nur wenn ich wie er werde - wenn ich die Kehle des Kindes selbst durchschneide, wenn ich mein Messer durch den hilflosen Körper jage und die unschuldigen Augen herausdrücke...nur dann werde ich zu dem, was ich wirklich verstehe", sagt Brühl als Kreizler am Ende der ersten Folge und deutet damit bereits an, wie makaber nicht nur die Bilder der fortlaufenden zehnteiligen Staffel sein werden, sondern auch der Inhalt. "Ich muss das Leben sehen, wie er es sieht, Schmerz fühlen, wie er ihn fühlt, den gleichen Weg gehen, den er geht." Ein Doktor, der seine Leidenschaft auf den Zuschauer überträgt.

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Diese Leidenschaft hat er auch dringend nötig, möchte ihm, neben seinem alten Studienfreund John Moore (Luke Evans) sonst niemand helfen. Das es sich bei besagtem zerstückelten Jungen um Georgio Santorelli handelt, ein Kinder-Stricher, macht die Polizei nicht engagierter. Diese möchte sich mit einem Fall, der keinerlei Prestige bereithält, nicht herumschlagen. Zur Überraschung der Holmes-Watson-Kombi gibt es aber seit Kurzem einen neuen leitenden Kommissar: Theodor Roosevelt (Brian Geraghty). Während Dr. Lazlo Kreizler eine fiktive Figur darstellt, war Roosevelt, der von 1901 bis 1909 zum 26. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde, wirklich zwei Jahre lang Leiter der New Yorker Polizeibehörde. In "The Alienist" ist er mit Kreizler und Moore zur Uni gegangen und will nun Korruption bekämpfen. Nach und nach vertraut er dann auch ihren psychologischen Ansätzen.

Roosevelt ist nicht der einzige Verweis auf wahre Begebenheiten. Im Grunde stellt die ganze Geschichte des Alienisten dar, wie es damals mit dieser Profession ausgesehen haben dürfte: Sie wurden verschmäht und jeder, der an sie geglaubt hat, wurde selbst als verrückt angesehen. Wahrliche Außenseiter eben, Aliens sozusagen. Um Kreizler und Moore zu unterstützen, stellt Roosevelt ihnen die zwei jungen Detectives Marcus (Douglas Smith) und Lucius Isaacson (Matthew Shear) zur Verfügung – zwei jüdische Brüder, die in ihrem Revier dank ihren wissenschaftlichen Methoden ebenfalls ausgegrenzt wurden. Team Psychologie wird schlussendlich mit Sara Howard (Dakota Fanning) ergänzt. Die erste Frau, die im New Yorker Police Department angestellt wurde. Der letzte Alien.

"The Alienist" ist zwar alles andere als auf Humor ausgelegt. Doch durch diese Kombination Menschen, die eigentlich nichts gemeinsam haben, außer einem modernen Blick und einem fortschrittlichen Denken, entstehen Situationen, die die Verspanntheit der Serie zu den richtigen Zeitpunkten lockert. Dabei wird aber nie der Ernst der Lage vergessen, geht es doch um die jungen Tage einer damals neuen Wissenschaft und einen pädophilen Serienkiller, der geschnappt werden muss.

"The Alienist" ist ab dem 19. April auf Netflix zu sehen. Dort wird die Serie als "Die Einkreisung" gelistet, angelehnt an den deutschen Titel des als Vorlage dienenden Buches.