Als Medienjournalist kann man sich in diesen Tagen nicht beklagen: Selten war so viel los in der Branche. Das Personalkarrussell dreht sich so schnell, dass einem schwindelig wird. Dazu kommen Umstrukturierungen, neue Plattformen, überraschende Verkäufe und manches unerwartete Comeback. Eine Branche in Bewegung, sicherlich mittelbar ausgelöst durch den erweiterten Wettbewerb bzw. neue Marktteilnehmer, aber doch mehr mit sich selbst beschäftigt als man es vor vier Monaten noch vermutet hätte. Man reibt sich im Wochentakt verblüfft die Augen. Egal mit wem man spricht: Allen ist schwindelig angesichts der Vielzahl der Personalien.

Anke Schäferkordt© MG RTL D
Es war der 21. November vergangenen Jahres als das überraschende Ausscheiden von Anke Schäferkordt (Foto) bei der Mediengruppe RTL Deutschland die vielleicht größte Überraschung war, dabei gingen die erklärungsbedürftigen Veränderungen in der Branche schon einige Monate früher los als im Sommer 2018 Schauspieler Will Smith und Regisseur Marc Forster der ARD das Münchener Medienunternehmen Telepool abkauften. Bis heute rätselt die Branche auch hier, welche Ziele die beiden Hollywood-Investoren verfolgen.



Die Branche hatte den Telepool-Verkauf schon wieder vergessen, da rüttelte die Schäferkordt-Personalie alle einmal kräftig durch. Dass schon zum 1. Januar 2019 der bisherige Vox-Chef Bernd Reichart die Thronfolge an der Spitze der Mediengruppe RTL Deutschland antreten würde, war damit klar. Dass Reichart schon zum damaligen Zeitpunkt an einem überraschend schnellen und umfassenden Umbau der Mediengruppe arbeitet, wurde erst Ende Januar angesichts der Vielzahl geklärter Personalien und einer umfassenden Umstrukturierung deutlich.

Danach ging es im Februar Schlag auf Schlag: Max Conze baut die ProSiebenSat.1-Führung um, Herbert Kloiber verkauft die Tele München Gruppe, Finanzinvestor KKR ist zurück im TV-Markt und mit ihr Fred Kogel. Weitere Firmen verlieren recht plötzlich Führungskräfte, ob nun Endemol Shine Germany oder Discovery Deutschland, so dass zusammen mit den vielen Abgängen bei der Mediengruppe RTL Deutschland und auch ProSiebenSat.1 soviele Führungskräfte auf dem Markt sind, wie vermutlich selten.

Telepool© Telepool
Nie war mehr Spekulation in der Branche als heute, nie trieb der Small Talk der Fernsehwelt fantastischere Blüten. Aber was ist schon unmöglich? Vor einem Jahr wäre jeder für verrückt erklärt worden, der behauptet hätte, Anke Schäferkordt werde abserviert, Herbert Kloiber verkaufe sein Lebenswerk und Will Smith übernehme eine ARD-Tochter. Die jüngst angekündigten Abgänge, Übernahmen und Einstiege hinterlassen zahlreiche Fragen, die wir einmal mit großer Lust an der fundierten Spekulation erörtern wollen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Fangen wir an mit den Abgängen: Frank Hoffmann, Hans Demmel, Tom Sänger, Jan Kemper, Sabine Eckhardt, Fabian Tobias, Andreas Viek und Oliver Nowotny sind nur einige der gerade ausgeschiedenen Führungskräfte deutscher Fernsehkonzerne bzw. -unternehmen. Das ist genug Personal, um damit einen neuen Sender zu eröffnen (sollte man dies im Jahre 2019 für eine sinnvolle Unternehmung halten). „Auf eigenen Wunsch“ ist - nicht in allen aber vielen - Situationen die schönste Notlüge des Jahres. Manche der genannten Personen sind zunächst einmal für den Wettbewerb gesperrt, bei Anderen wiederum werden Neuigkeiten in den nächsten 14 Tagen erwartet. Aber wer taucht wo auf?

Fred Kogels Comeback, Discovery und ProSiebenSat.1

Fred Kogel© Kogel & Schmidt GmbH
Das Comeback von Finanzinvestor KKR im deutschen Medienmarkt weckt da zahlreiche Fantasien: Was genau man mit TV-Veteran Fred Kogel (Foto) an der Spitze der übernommenen Tele München Gruppe vor hat, ist noch gänzlich unklar - auch weil die kurz darauf erfolgte Übernahme von Universum Film nach DWDL.de-Informationen nicht der letzte Zukauf bleiben soll. Offenbar wirft KKR derzeit ein Auge auf zwei weitere Münchener Medienhäuser: Constantin Film sowie Beta Film, wo Jan Mojto ebenso wie Herbert Kloiber vor der Frage steht, was aus seinem Lebenswerk werden soll.

Das würde auf ein gebündeltes Produktions- und Distributionshaus hinaus laufen, einen „German Champion“ wie die Branche spekuliert - und das unabhängig von den beiden großen Privatsender-Gruppen. Und der bräuchte weitere Führungskräfte. Welche Rolle aber spielt das Broadcasting in einer solchen Strategie? Mit dem Verkauf seiner Tele München Gruppe nimmt Herbert Kloiber auch die schützende Hand über sein profitables Hobby Tele 5. Der Sender dürfte in jetziger Form für einen Finanzinvestor wenig attraktiv sein. Ganz oder gar nicht ist hier die Frage. Ähnliches gilt für die Anteile an RTL II, die zwar Geld einbringen aber aufgrund der Minderheitsbeteiligung keine strategische Perspektive bieten.

Katja Hofem© ProSiebenSat.1
Bleiben wir noch kurz in München bevor die großen Fragen in Köln folgen: Discovery verliert Programmchef Oliver Nowotny so kurzfristig, dass man noch keinerlei Nachfolge geregelt hat. Immerhin gehts beim gemeinsam mit ProSiebenSat.1 betriebenen Joint Venture 7TV voran: Mit Katja Hofem hat man eine geschätzte Expertin für Markeneinführung mit einer Aufgabe betreut, die allerdings möglicherweise zu spät angegangen wird. Das noch namenlose neue VoD-Angebot soll im Sommer starten. Die Einladung von ProSiebenSat.1-Vorstandsvorsitzendem Max Conze an die Branche, sich hier zu beteiligen, hat bislang allerdings nur das ZDF angenommen.

Bei der ProSiebenSat.1 Media SE selbst gibt es auch einige neue Personalien, die Fragen aufwerfen. Michaela Tod soll die Entertainment-Sparte zusammen mit Wolfgang Link führen und in ihrer neuen Rolle auch die Werbevermarktung verantworten. Conze holt sie von seinem früheren Arbeitgeber Dyson rüber. Fernseherfahrung hat sie noch nicht, muss aber Fernsehwerbung an den Mann und die Frau bringen. Gegen eine Quereinsteigerin auf dieser Position sprechen die Marktumstände.