Etwas mehr als einen Monat ist es her, da kündigte Thomas Bellut seinen Rückzug als ZDF-Intendant an. Nach zwei Amtszeiten und insgesamt „40 spannenden Jahren im Mediengeschäft“ sei es „Zeit für einen neuen Lebensabschnitt“, kündigte Bellut Anfang März an. Knapp ein Jahr wird Bellut jedoch noch im Amt bleiben - und es spricht einiges dafür, dass sein Haus auch 2021 die Quoten-Marktführerschaft verteidigen wird. Das ZDF, einst als „Zentrum der Finsternis" verschrien, hat sich längst zu einem „Zentrum des Fortschritts“ entwickelt, auch wenn dem Sender noch immer ein altbackenes Image anhaftet.

Nach dem ersten Viertel des laufenden Jahres steht das ZDF-Hauptprogramm bei fast 15 Prozent Marktanteil, meilenweit vor der Konkurrenz. Dazu kommen die Erfolge der Spartensender, die inzwischen ebenfalls beträchtliche Zuschauerzahlen verzeichnen. Unter Belluts Führung führte auf dem TV-Markt zuletzt kaum ein Weg am ZDF vorbei. Fragmentierung? Sinkende Quoten? Auf dem Lerchenberg wirkt all das, worüber in der Branche seit Jahren gesprochen wird, erstaunlich weit weg, auch wenn die Herausforderungen, vor denen das ZDF steht, keineswegs gering sind.

Thomas Bellut © ZDF/Markus Hintzen ZDF-Intendant Thomas Bellut
Dass das Aus von „Wetten, dass..?“, immerhin lange Jahre die erfolgreichste Fernsehshow Europas, in Belluts Amtszeit fiel, geriet angesichts vieler Quoten-Hits, fast schon in Vergessenheit. Zwar gelang es in all den Jahren nicht, diese Lücke zu schließen; dafür rüsteten die Mainzer - auch dank des guten Gespürs ihres Programmdirektors Norbert Himmler - in anderen Bereichen mächtig auf. So wie mit der Personalie Böhmermann: Dessen „ZDF Magazin Royale“ auf den Sendeplatz nach der immer erfolgreicheren „heute-show“ zu hieven, verschafft dem ZDF nicht nur jene Relevanz, von der so viele Fernsehmacher träumen, sondern macht den Sender am späten Freitagabend immer häufiger zur ersten Anlaufstelle für das junge Publikum - von den starken Abrufzahlen in der Mediathek ganz zu schweigen.

Überhaupt ist es schon erstaunlich, wie sehr das ZDF von starken Köpfen profitiert, die man über die Jahre hinweg aufbaute. Nein, gemeint ist nicht nur Horst Lichter, der mit der täglichen Trödelshow „Bares für Rares“ eine ebenso perfekte wie erfolgreiche Symbiose bildet und gefühlt so allgegenwärtig ist wie die zahlreichen "SOKO"-Teams. Vielmehr profitiert der Sender von den hartnäckigen Fragen, die Marietta Slomka oder Maybrit Illner stellen, ebenso wie von der wissenschaftlichen Expertise eines Harald Lesch oder Dirk Steffens.

Und dann ist da noch Markus Lanz, der nach seinem „Wetten, dass..?“-Waterloo eifrig weiterarbeitete und seine abendliche Sendung zum wichtigsten Talk im deutschen Fernsehen ausbaute. Wie Lanz jüngst den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet in die Mangel nahm, ist nur eines von vielen Beispielen, die von der gestiegenen Relevanz seiner Show zeugen. Das Publikum belohnt den Talker mit Spitzen-Quoten: Aktuell schickt sich Markus Lanz an, das Rekordjahr 2020 noch zu toppen; selbst beim jungen Publikum verzeichnet die Sendung mittlerweile seit einem halben Jahr regelmäßig zweistellige Marktanteile.

Zukunftsweisende Projekte und Personalien

Auch das „heute-journal“ hat im Zuge der Corona-Pandemie zahlreiche Zuschauer unter 50 dazugewonnen. Es ist ein Erfolg, der der selbst der privaten Konkurrenz nicht entgangen ist. Dass RTL ab dem Sommer versuchen wird, sein eigenes tägliches Nachrichtenmagazin im Abendprogramm zu etablieren, dürfte auch als Reaktion auf die gestiegenen Quoten des ZDF-Flaggschiffs zu verstehen sein. Die Marke mit einem „Update“ gegen Mitternacht zu verlängern, hat zudem in den vergangenen Monaten zu steigenden Quoten am späten Abend geführt.

Zugleich ist das ZDF auch hinsichtlich der Produktion von Filmen und Serien so etwas wie State of the Art: Die vielen Krimis sind ohnehin eine feste Bank und „Der Bergdoktor“, einst als Senioren-Fernsehen verschrien, war jüngst so erfolgreich wie nie - und stellte selbst beim jungen Publikum die RTL-Serien in den Schatten. Dazu kommen mutige Produktionen, die vor allem mit Blick auf ZDFneo und die Mediathek entwickelt werden, und ein Mammut-Projekt wie „Der Schwarm“, das dem Lerchenberg auch international Aufmerksamkeit verschafft. Da verzeiht man selbst eine behäbige Serie wie „Kanzlei Berger“, die seit einigen Wochen am Vorabend nicht nur hinsichtlich der Quoten unscheinbar ist.

Die nächste Profilschärfung steht indes bereits an: Neben der Hoffnung, den Musikshow-Bereich mit der Verpflichtung von Giovanni Zarrella zu verjüngen, ist das ZDF offenkundig gewillt, vor der Kamera weiblicher zu werden. Die Idee, Sabine Heinrich in der Primetime-Unterhaltung und Mai Thi Nguyen-Kim in der Wissenschaft einzusetzen, hätte auch dem WDR kommen können. Stattdessen war das ZDF wohl nicht nur flinker und mutiger als die öffentlich-rechtliche Konkurrenz, sondern auch attraktiver. Nicht zuletzt ein Verdienst der erfolgreichen Arbeit der Bellut-Ära.

Mehr zum Thema