Die Gedanken der neuen ARD-Programmdirektorin Christine Strobl und ihres Stellvertreters Florian Hager waren noch nicht lange durchgesickert, da verschickte der Deutsche Journalisten-Verband eine erboste Pressemitteilung. "Hände weg von Politmagazinen", lautete die Überschrift und der DJV-Vorsitzende tobte: "Eine weitere Sparrunde, diesmal zulasten, anerkannter journalistischer Sendungen, läuft mit uns nicht."

Sieht man mal davon ab, dass es ein Novum wäre, könnte der DJV direkten Einfluss auf die Gestaltung des ARD-Hauptprogramms nehmen, so stellt sich doch die Frage, woher dieser reflexartige Aufschrei eigentlich rührt. Zwar wird niemand ernsthaft bestreiten wollen, dass die Redaktionen der Politmagazine oft hervorragende Arbeit leisten. Zur Wahrheit gehört aber eben auch zweierlei: Die gute Arbeit wird viel zu wenig wahrgenommen. Und die klassische Magazin-Form wirkt in Zeiten eines rasant zunehmenden Shifts hin zu Streamingdiensten und Mediatheken mitunter eigenartig aus der Zeit gefallen.

Kein Wunder also, dass Strobl und der neue ARD-Chefredakteur verstärkt auf Dokumentationen und Reportagen setzen wollen, "unter den Marken der Magazine", wie Köhr jüngst der dpa sagte – was wohl auch der Versuch war, die Redaktionen vorerst zu beruhigen. Von diesen gibt es immerhin gleich sechs, was einerseits Ausdruck einer gewissen Vielfalt ist, andererseits aber auch zum Problem wird, weil für das Publikum wohl kaum durchschaubar ist, in welcher Woche "Report Mainz" oder "Fakt" laufen. Und im Zweifel ist es den Zuschauenden ohnehin egal, weil viele von ihnen um 21:45 Uhr lieber zum "heute-journal" schalten.

Wie also könnte es gelingen, die Stärke der investigativen Recherchen besser im Programm auszuspielen? Womöglich, indem die ARD ihre Kleinstaaterei beendet. Warum nicht beispielsweise "Monitor" als starke wöchentliche Magazin-Marke nehmen und "Panorama" zur Marke für politische Dokumentationen umbauen, in die die sechs Redaktionen wöchentlich ihre Geschichten einfließen lassen? Eine gute Orchestrierung könnte zu einem internen Wettbewerb um die besten Recherchen führen – und zu mehr Geschwindigkeit. Denn warum sollte eine gute Recherche der "Fakt"-Redaktion drei Wochen liegen bleiben, nur weil zwischenzeitlich die anderen Magazine senden? Und wie wäre es eigentlich, junge Reportagen im Stile von "Rabiat" mittwochs zwischen den modernen Serien und den "Tagesthemen" zu platzieren?

Eine Stärkung der "Tagesthemen"?

Vielleicht würde es auch helfen, einen Gedanken daran zu verschwenden, im Zuge dessen die Marke der "Tagesthemen" zu stärken? Eine Verlängerung auf 45 Minuten wäre nicht nur ein tolles Signal nach außen, sondern böte die Möglichkeit, auch hier verstärkt investigative Storys der Politmagazin-Redaktionen unterzubringen. Ganz nebenbei könnten sich die "Tagesthemen" auf diese Weise stärker unterscheiden vom "heute-journal", das mit seinem früheren Sendeplatz immer im Vorteil sein wird. Der Leitspruch "Wird sind Eins" – hier könnte er zum Vorteil des Publikum gelebt werden.

45-minütige "Tagesthemen" hätten aber noch einen weiteren Vorteil: Sie würden Ordnung ins mit den Jahren ziemlich undurchsichtige Programmschema des Ersten bringen. Die jetzige Anfangszeit der Spätabend-Schiene um 22:50 Uhr wirkt jedenfalls reichlich unglücklich. 23 Uhr als feste Startzeit für den "Weltspiegel", der den angestammten Sonntag wohl recht sicher verlassen muss, aber auch für "Die Story", die stärksten Comedy-Formate oder eine Spielfläche für frische Ideen könnten dem Publikum helfen, sich im Programmdickicht zu orientieren.

Und wenn schon über einen neuen Talk mit Sandra Maischberger nachgedacht wird: Spräche eigentlich etwas dagegen, vor dem "Nachtmagazin" die Idee von Maischbergers früherem ntv-Talk neu aufleben zu lassen? Eins-zu-Eins-Gespräche mit den Menschen, die am Tag Schlagzeilen machten, böten die Chance, einen Kontrast zu "Markus Lanz" zu setzen. Und ganz nebenbei wäre ein solches Format auch deutlich geeigneter, um – vorab – in der Mediathek oder als Podcast zu reüssieren.

Sicher, es wird Opfer geben müssen im Programmablauf des Hauptprogramms. Das Erste wird jedoch nur dann gewinnen können, wenn sich die ARD in Gänze bewegt. Wenn ausgetretene Pfade verlassen und neues Denken zugelassen werden. Gelingt das, dann wird automatisch auch die Mediathek gestärkt hervorgehen. Der schnelle Ruf, doch bitte die Hände wegzulassen von allem, was man über die Jahrzehnte liebgewonnen hat, ist sicher nicht hilfreich. Die Konkurrenz ist wacher denn je.

Mehr zum Thema