Foto: RTLWenn er sich die derzeitigen RTL-Formate am Nachmittag und deren Quoten anschaut, dann stelle er fest: "Die Programme sind überaltert." RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger (Foto) gab beim medienforum.nrw in Köln in der vergangenen Woche eine klare Analyse des aktuellen RTL-Programms. Er präsentierte Lösungsansätze und interessante Feststellungen ("Wir sind ein Frauensender"). Sänger ergänzte aber gleich: "Nicht weil wir uns so definieren, aber weil sie uns schauen."

Wenn er vom RTL-Problem am Nachmittag spricht, ist das ein Klagen auf hohem Niveau, wie Sänger selbst festhält. Die Daytime ist für ihn dennoch die derzeit größte Herausforderung. In erster Linie, da die Treue der Zuschauer nicht mehr in der Form gegeben ist, wie sie früher vorhanden war. Kleinere Sender machen zunehmend Konkurrenz. Die Zuschauer fänden inzwischen auch die Auslage weiter hinten im Regal, so Sänger bildlich gesprochen.

Gerade tagsüber spüre man das. Sänger: "Die Kleinen machen uns künftig das Leben schwer". Doch neben der Stärke der anderen ist auch die eigene Schwäche einer Herausforderung. Der Versuch, eine vierte Dailysoap ("Ahornallee") zu etablieren, sei zum Beispiel ein Fehler gewesen. "Da habe ich selber einen Misserfolg zu verantworten", sagt Sänger sehr offen und hält fest: "Dieser sehr schwierige Sendeplatz zieht uns immer noch ein bisschen nach unten."

In der Primetime punktet RTL in erster Linie mit großen Shows wie "Deutschland sucht den Superstar" und den US-Kaufserien. Aber Sänger betont: Trotz den großen Erfolgen mit US-Serien a la "CSI" müsse man in deutsche Serien investieren. Deren Zeit komme wieder. Im Bereich der Shows und Dokusoaps hat RTL bereits kräftig investiert. Sänger widerlegt den eine Zeit lang berechtigten Vorwurf der mangelnden Innovation und Abwechslung - und zeigt dem Publikum beim medienforum.nrw die lange Liste der RTL-Neustarts der vergangenen Saison. Aber nur so kurz, dass nicht auffällt, dass darunter auch viele Flops waren.

Als Test-Plattform für neue Formate hat sich der Sonntag entwickelt. Da probiere man am meisten aus. Allerdings keine künstlichen Formate. Sendungen wie "The Bachelor" werde es bei RTL nicht mehr geben. "Fernsehen spiegelt gesellschaftlich-relevante Themen - die Gesellschaft ist Spiegel künftiger Inhalte", sind Sängers Schlagworte der Präsentation beim medienforum.nrw. Neue Formate orientieren sich an den vier Genres "Sorgen & Konflikte", "Besser leben", "Reflektion & Lösung" und "Träume & Helden". Für Politik sieht Sänger keinen Platz bei RTL: "Das ist eines der Themen, das für unsere Zuschauer am weitesten weg ist."
 


Stattdessen will RTL auch künftig Helden für den Moment schaffen. Den an Castingshows gestellten Anspruch sieht Sänger oft als missverstanden. Es gehe um den Moment des Ruhms. Mehr könne eine TV-Show nicht schaffen. Eine Karriere müsse man sich selbst erarbeiten. Sänger kritisiert, dass im deutschen Fernsehen oft die Frage nach dem größeren Sinn, dem Hintergedanken und der Vision gestellt werde. "Wir müssen keinen Anspruch mehr haben als eine Stunde gute Unterhaltung zu machen", glaubt der RTL-Unterhaltungschef.

Neue gute Unterhaltung will RTL auch am Nachmittag probieren. Da arbeitet der Sender gerade an einer neuen Programmierung, wie Sänger auch schon im DWDL.de-Interview Ende Mai ankündigte. Es gehe um ein langfristig stabiles Daytime-Line-Up. Helfen sollen dabei starke Hosts mit sozial relevanten Themen und Werten in positiven, realen Settings. Und diese neuen Formate müssen nicht zwingend die jüngsten sein: "Der Nachmittag ist nicht so jung", hält Sänger fest. Man richte sich künftig in dieser Zeitschiene im Kern an die Zielgruppe der 30- bis 49-Jährigen.

Mit Persönlichkeiten am Nachmittag will RTL Orientierung bieten und mit einem starken "Leader" dem Daytime-Zuschauer einen guten Freund oder eine gute Freundin präsentieren, die man gerne einschalte. Sänger spricht vom "Talk in neuer Form". Da gebe es diverse Ansätze. Viele verschiedene Talkshow-Piloten sind in der Mache. Bevor da allerdings eine Entscheidung gefällt wird, trennt sich RTL zur kommenden Saison auf jeden Fall schon einmal von einer seiner beiden Courtshows und ersetzt sie durch ein Daily-Coaching-Format, wie Sänger in der vergangenen Woche noch ohne konkrete Angaben ankündigte. Inzwischen ist das neue Format "Susan - Familienhilfe mit Herz" von RTL bestätigt und das Aus für das "Familiengericht" bekannt (DWDL.de berichtete).

Nach einem Sprung in die Primetime äussert der RTL-Unterhaltungschef wenig Verständnis für die häufigen Fragen nach der Zukunft von "Wer wird Millionär". "Wieviele Programme schaffen dreimal in der Woche sechs Millionen Zuschauer?", fragt Sänger. "Ich denke nicht daran zu reduzieren". Da gebe es wichtigere Baustellen. So habe der Freitag ab 21.15 Uhr bei RTL "höchste Entwicklungspriorität".