Mit der Aktivierung des Artikels 155 der spanischen Verfassung leitete Madrid am Samstag den versuch ein, die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien zu stoppen und die Regionalregierung zu entmachten. Binnen sechs Monaten muss es nun Neuwahlen in der abtrünnigen autonomen Gemeinschaft geben – der katalanische Präsident Puigdemont darf weder antreten, noch eigene Kandidaten ernennen, womit die Separatisten eingedämmt werden sollen. Aber was bedeutet der Artikel 155 eigentlich für den Mediensektor in Katalonien, schließlich gibt es in der Region auch einen eigene Rundfunk?

Neben dem RTVE, der in ganz Spanien den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellt und Fernsehprogramme wie La1 und diverse Radiokanäle betreibt, gibt es in Katalonien die eigenständigen Anstalten TVC mit dem erfolgreichen Fernsehsender TV3 und Catalunya Ràdio für den Audiosektor. Beide unterstehen der Corporació Catalana de Mitjans Audiovisuals (CCMA). Die wird wiederum, neben der Finanzierung über Werbung, auch über den katalanischen Regionalhaushalt finanziert, auch wichtige Führungskräfte werden von der Regionalregierung ernannt. Damit wird die CCMA mit TV3 und Catalunya Ràdio nun zum Spielball in den Auseinandersetzungen zwischen Madrid und Barcelona.

Mit Auslösung des Artikels 155 der spanischen Verfassung steht der Zentralregierung beziehungsweise das von ihr damit beauftragte Organ nämlich zu, eigene Verantwortliche in den Sendern zu installieren. Der spanische Ministerpräsident Rajoy kündigte laut RTVE bereits auf Nachfrage eines Journalisten an, die Verantwortung, die bislang die Regionalregierung bei den Medien hatte, auf einen neuen Manager zu übertragen. Madrid will damit eine "wahrheitsgemäße" und "gesetzestreue" Berichterstattung sicherstellen, die den politischen Pluralismus widerspiegelt.

Bei den betroffenen Sendern sorgt dies naturgemäß nicht gerade für Stürme der Begeisterung – ganz im Gegenteil. Die CCMA verweist auf die Geschichte der 1983 auf Beschluss aller politischen Parteien gegründeten Rundfunkanstalt hin. Die Medien unter dem Mantel der Gesellschaft, also TV3 und Catalunya Ràdio, hätten die Vielfalt in der Gesellschaft immer widergegeben und garantierten wahrheitsgemäße, objektive und vielfältige Information, was in verschiedenen Berichten immer wieder bestätigt worden sei und von den Zuschauern Tag für Tag honoriert werde. Die Nachrichten von TV3 sind in der Region Marktführer. CCMA ist sich der Tragweite des Artikels 155 durchaus bewusst und veröffentlichte die Stellungnahme außergewöhnlicher Weise nicht nur auf Katalanisch, sondern auch auf Englisch.

Weniger diplomatisch reagieren die Mitarbeiter auf die wohl bevorstehende Einflussnahme des spanischen Staates in ihrem Sender. Bei Catalunya Ràdio hätten die Mitarbeiter bereits angekündigt, die Autorität eines neuen Direktors nicht anzuerkennen. Der Berufsrat von TV3 spricht von einer "direkten Attacke", welche "unwürdig und schamlos" gegenüber der Meinungs- und Informationsfrieheit ist, berichtet die Tageszeitung "El País". Bereits vor der Aktivierung des Verfassungsartikels kündigte der Berufsrat des Senders an, diese "Intervention", in der man eine Attacke auf die Professionalität der Mitarbeiter sieht, "kategorisch" abzuwehren. Und so wird wohl auch in den Sendern erstmal keine Ruhe einkehren.