Mehr als einem Monat ist seit seiner Freilassung aus einem türkischen Gefängnis vergangen, jetzt hat Deniz Yücel erstmals ein Interview gegeben. Darin spricht er auch über den kuriosen Moment, als er in seiner Zelle durch eine Eilmeldung in den Fernsehnachrichten von seiner Freilassung erfuhr. "Ich sah mich um und dachte: Na ja, noch nicht so ganz", sagte Yücel in dem Interview, das sowohl in der "Welt" als auch in der "taz" erschienen ist. Anfangs sträubte sich Yücel sogar gegen die Freilassung, weil er es ablehnte, die Türkei in einem Flugzeug der Bundesregierung zu verlassen.


"Das habe ich abgelehnt. Ich bin kein Angestellter der Bundesregierung und kein deutscher Agent, den man ausfliegt", so Yücel, der sich nach einem Jahr Haft aus politischen Gründen nicht als Spielball habe benutzen lassen wollen. "Wenn Erdogan sich etwas davon verspricht, mich einzubuchten, werde ich eingebuchtet. Und wenn er sich etwas davon verspricht, mich rauszulassen, dann soll ich wieder raus – und dazu soll ich nichts sagen? So lasse ich mit mir nicht umgehen." Später habe die "Welt" ein Privatflugzeug gebucht, das ihn nach Deutschland brachte. "Ich glaube, meine Zeitung wollte aus Sicherheitsgründen, dass ich so schnell wie möglich wegfliege. Ich hätte damit keine Eile gehabt."

Zuvor wollte er jedoch nochmal in seiner Wohnung zurück, wo er auch das Video aufnahm, in dem er seine Freilassung kommentierte. Geräuschlos wollte ich nicht gehen“, so Yücel in dem Interview, in dem er sich auch kritisch über die Bundesregierung äußerte, auch wenn diese politisch und juristisch an seiner Seite gestanden habe. So habe Merkels Regierung "alle progressiven und demokratischen Kräfte in der Türkei zweimal verraten", so der Journalist. Im Jahr 2005, als sie den Türkei klar gemacht habe, nicht in die EU zu kommen, "völlig egal, was ihr tut". Der zweite Verrat sei gewesen, als Merkel eine Aufhebung der Visumspflicht in Aussicht gestellt habe. "Das war eine in der internationalen Diplomatie völlig unübliche Wahlkampfhilfe."

Wieso er plötzlich das Gefängnis verlassen konnte, ist derweil nichts bekannt. Gegenüber "Welt" und "taz" erklärte er, nichts von einem Deal zu wissen. "Mir wurde vor meiner Freilassung durch die Vertreter des Generalkonsulats, mit denen ich an diesem Tag zweimal gesprochen habe, versichert, dass es keinen Deal gegeben habe. Ich glaube, mehr als der Bundesregierung diese Erklärung abzuverlangen, konnte ich im Knast nicht tun." Die Hoffnung hat er zuvor nie aufgegeben. "Im Knast dachte ich immer: Das hier geht vorbei. Ob es ein paar Monate länger oder kürzer dauert, ist nicht egal."

Wichtiger sei gewesen, wie es ihm gehen würde, wenn er aus dem Gefängnis käme. "Das Wichtigste ist, dass ich mich nicht fertigmachen lasse. Das hieß allem voran, dass ich mir Möglichkeiten schaffe, meine Stimme zu erheben. Die wollten mich zum Verstummen bringen. Das haben sie nicht geschafft. Ich habe Interviews gegeben und einige Texte für meine Zeitung geschrieben", so Deniz Yücel. Heute gehe es ihm sehr gut, betont er. "Am schwierigsten waren die ersten Wochen. Ich hatte Angst, nach der ersten Aufregung vergessen zu werden." All die Solidarität habe ihm jedoch das Gefühl gegeben: "Ich bin nicht vergessen, ich werde hier nicht verfaulen."

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