Es gibt manchmal Dialoge im Fernsehen, die sind reif fürs Theater. So wie dieser: Er kommt heftigst erregt in den Wohnwagen, wo sie sich gerade optimiert und gesteht schon an der Tür halb röchelnd „Mausi, ich hab‘s getan.“ Das bleibt natürlich nicht ohne Replik von der Gattin. „Was hast du gemacht“ will sie mit schlecht gespielter Strenge im Unterton wissen, und er giggelt sich regelrecht um den Verstand. „Ich hab uns angemeldet“, sprudelt es aus ihm heraus: „Wir beide gehen Alphornblasen.“ Daraufhin will sie wissen, ob das denn nicht ein bisschen zu gewagt sei. „Du meinst, wir kriegen das hin, wir machen uns da nicht zum Horst?“ Aber er beruhigt: „Mausi, wir werden Spaß haben.“

Willkommen in der Camping-Doku „Verrückt nach Camping“, wo die Frauen noch Mausi heißen und die Männer oft ihr maskulines Ich und ihre gefühlte Freiheit mit Lippenbewuchs dokumentieren, wo die Menschen sich in funktionstüchtiger Freizeitkleidung so richtig leger geben, wo am Anfang immer ein Drohnenflug Orientierung von ganz oben bietet und Mungo Jerry zum Dreimillionstenmal „In The Summertime“ singen dürfen. Wichtig ist auch, dass andauernd jemand sagt, wie schön das ist, in der Natur zu sein, und wenn dann die Kamera mal aufzieht, sieht man vor allem andere Zelte und Wohnwagen auf strapaziertem Boden unter bemitleidenswerten Nutzbäumen.

Wenn die Menschen nicht von der Natur schwärmen, transpirieren sie hemmungslos Biederkeit, und sie putzen in einem fort. Sie halten ihre fragilen Behausungen rein. Ja, auf dem Campingplatz sind die Menschen noch ganz bei sich, da findet jedes Klischee seinen Stellplatz, da baumelt die von einem langen Arbeitsleben strapazierte Seele nur so weit, wie es die Campingplatzordnung erlaubt. Dementsprechend sitzen viele vor ihrem Zelt oder Wohnwagen und schwärmen von dem, was sie freies Leben nennen. Dann ist sehr oft die Rede von Gemütlichkeit oder von dem, was diese Menschen dafür halten.

„Mit hohem Qualitätsanspruch gehen Peter und Uwe auch an ihre Rouladen“, sagt in einer Folge die sedierende Off-Stimme, und dann erzählen zwei Hobbyköche beim Fleischplattkloppen von ihrer Freundschaft und davon, dass einmal ganz früher die Rouladen nach Gulasch geschmeckt hätten. Man spürt, was das für eine Katastrophe gewesen sein muss. Ein Abgrund im sonst so penibel geordneten Camping-Leben. Was für Schicksale!

Ich bin auf „Verrückt nach Camping“ gestoßen, als ich kürzlich mal nachmittags bei nicht so tollem Wetter nach Entspannung suchte. Ich schaue in solchem Wollen dann gerne Zoo-Dokus und dämmere dabei leicht weg, entschwinde in ein entspanntes Halbbewusstsein, eine Art Doku-Hypnose. Es spielt dabei keine Rolle, ob es nun "Elefant, Tiger & Co." ist oder „Giraffe, Erdmännchen und Co.“ oder „Leopard, Seebär & Co.“. Völlig egal. Mir geht es nicht um Tiere. Ich kann mit Tieren nichts anfangen. Sie riechen, sind laut und machen Häufchen an Stellen, wo keine Häufchen hingehören. Was mich an den Zoo-Dokus reizt, ist diese wunderbar schnarchige Art der Inszenierung, diese beinahe meditative Gleichförmigkeit der Präsentation. Ein Sprecher, der sonst in der Apotheke als Einschlafhilfe vorgehalten wird, erzählt, was man sieht, und zwischen den Viechern stolpern ein paar skurrile Männlein und Weiblein herum, die sich als Zoo-Personal entpuppen. Da staunt man dann über das Treiben vieler seltsamer Wesen, und nicht alle davon sind Tierpfleger.

Wie groß war dementsprechend meine Enttäuschung, als mich ich in der vergangenen Woche nach sehr langer Pause mal wieder auf eine Zoo-Doku freute und zur gewohnten Zeit im Ersten keine fand. Bevor mir jemand sagen konnte, dass ich mal in den Dritten oder in der Mediathek nachschauen sollte, weil dort mein Tierbedarf auf etlichen Sendeplätzen gedeckt werden könne, war ich aber schon abgelenkt von dem, was nun auf dem angestammten Viecher-Sendeplatz läuft.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich mich wie zu Hause fühlte und wohlig meiner Entspannung entgegenschlummerte. Ich hatte „Verrückt nach Camping“ entdeckt, eine für mich völlig neue Reihe, die mir allerdings sofort sehr vertraut vorkam.

Das liegt vor allem an der Machart. Die unterscheidet sich nämlich nur unwesentlich von der, mit der die Zoo-Dokus gefertigt werden. Es geht um gänzlich unaufregende Vorkommnisse, die ein Sprecher mit wunderbarer Schlafzimmerstimme kommentiert, und immer wieder wird sanft von einem Schauplatz zum anderen geblendet. Dann zum nächsten und dann wieder zurück zum ersten. Alles wie bei meinen Zoo-Dokus, nur dass jetzt eben keine Tiere im Fokus stehen, sondern Camper.

Um genau zu sein: Dauer-Camper. Nicht irgendwelche Abenteurer, die mal eben ihr bei Aldi frisch erworbenes Zweimannzelt auf die Wiese werfen, sondern Menschen, die ihr kleines Glück auf einem tippitoppi abgezirkelten Areal suchen und finden.

Hier wird vom echten Leben erzählt, hier sind die Menschen noch ganz bei sich, hier ist nichts gekünstelt, und alle Ereignisse formen sich zu einem langen ruhigen Fluss. Wenn „Verrückt nach Camping“ so weitergeht, dann ist alles gut, dann brauche ich keine Zoo-Dokus mehr. Mit Menschen ist besser. Und Ideen für Folge-Dokus habe ich auch. Wie wäre es mit „Verrückt nach Schrebergarten“ und „Verrückt nach Kegelklubausflug“? Kann die ARD gerne haben. Kostet nichts. Hauptsache, ich kann wieder vor dem Fernseher wegdämmern.