"Wir werden eine enorme Nutzerbewegung hin zu den Streamingdiensten erleben. Schauen Sie sich nur die Nutzung auf unseren Plattformen an, die enormes Wachstum verzeichnen."  Bert Habets, CEO der RTL Group, macht sich keine Illusionen. Beim Presse-Dinner zu den aktuellen Zahlen des europäischen TV-Konzerns in Berlin positioniert sich der gebürtige Niederländer einmal mehr als Realist und schafft den Spagat, das über jahrzehnte entwickelte Geschäft bestmöglich zu verteidigen - wohl wissend, dass die TV-Branche im Jahr 2019 vor jener schicksalhaften Transformation steht, die schon seit zehn Jahren befürchtet und beschrieben wird.



In den Niederlanden ist die RTL Group mit Videoland aktiv, in Deutschland hat man TV Now relauncht. Weitere VoD-Angebote in anderen Märkten sollen folgen. Doch mit welchen Ambitionen? Kann ein europäischer Konzern gegen weltweit agierende Konkurrenten bestehen? „Wenn wir über unsere Ambitionen im Streamingmarkt sprechen, dann geht es um einen ausgesprochen harten Wettkampf um die Top 3, vielleicht Top 4 in jedem Markt. Schaut man sich die derzeitige Marktsituation an, dann gibt es Netflix und Amazon - und dahinter beginnt jetzt der Konkurrenzkampf um die Spitzengruppe mit Disney, Warner und anderen“, erklärt Habets.

Mit anderen Worten: Netflix und Amazon zu schlagen, ist nicht das Ziel der VoD-Bemühungen der RTL Group. Das zu versuchen wäre auch vermessen, würden die einen sagen. Andere wiederum könnten vom CEO des größten europäischen TV-Konzerns vielleicht mehr Ambitionen erwarten. Aber das ist nicht der Stil des Bert Habets, einem optimistischen Realisten. Vorbei die Zeit der komfortablen Bequemlichkeit. „Es ist ein hartumkämpfter Markt, in dem wir uns – in unseren europäischen Kernmärkten – mit dem Fokus auf lokale Programme unterscheiden wollen“, sagt er und verweist auf „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ oder „Temptation Island“. Wie erfolgreich das gerelaunchte TV Now ist, will er aber nicht verraten. Nichtssagend ist die Erklärung, dass man in den Niederlanden und Deutschland zusammen schon eine Million zahlender Kunden habe.

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Deutlicher wird Habets bei der Frage, wo das lineare Fernsehen in zehn Jahren stehen werde.  "Die lineare Fernsehnutzung wird in den kommenden Jahren weiter abnehmen, aber es wird ein Niveau geben, auf dem sich die Nutzung stabilisieren wird, weil Menschen auch in Zukunft aktuelle Nachrichten, Live-Sport und gewisse tägliche Programme linear einschalten werden. Deswegen sind wir bei jenen Sendern optimistischer, die eine breite Programm-Mischung anbieten“, sagt der CEO der RTL Group und ergänzt dann, wenn man die kleineren Sender der Mediengruppe RTL Deutschland denkt, eine in seiner Position überraschend rationale Einschätzung.

„Man kann durchaus die Frage stellen, ob kleinere Sender mit ihren Spartenprogrammen letztlich ersetzt werden durch Streamingdienste, da diese einen schnelleren Zugang zu speziellen Genres ermöglichen. Ich denke, die Senderbouquets werden schrumpfen, was wiederum in einer immer weiter fragmentierten Medienwelt eine Knappheit der wirklich reichweitenstarken Programme erzeugt. Und für ein knappes Gut wird gut gezahlt. Mittelfristig gehen wir davon aus, dass man dafür dann auch die Werbepreise anheben kann, besonders unter dem Aspekt, dass wir längst intensiv an Addressable TV arbeiten und die knapper werdenden Spitzen-Reichweiten mit genauerer Ansteuerung von Zielgruppen kombinieren.“ Habets beherrscht die Suche nach dem Lichtblick in stürmischen Zeiten schon sehr gut.