Etwas mehr als drei Wochen ist es nun schon her, dass sich der NDR von seinem mitproduzierten Dokumentarfilm "Lovemobil" distanzierte. Damals machte die hauseigene STRG_F-Redaktion öffentlich, dass Autorin Elke Lehrenkrauss in dem Film mit Laiendarstellern arbeitete, ohne dies zu kennzeichnen. Danach gab sie den Dokumentarfilmpreis, den sie für den Film erhalten hatte, zurück. Die Nominierung für den Grimme-Preis verlor sie. 

Nun hat sich Elke Lehrenkrauss ausführlich zu ihrem Film und der Kritik daran geäußert. In einem Interview mit der "Zeit" (Abo) sagt sie, dass es der größte Fehler gewesen sei, den Einsatz der Laiendarsteller nicht zu kennzeichnen bzw. anzusprechen - weder im Film noch bei Gesprächen auf Festivals. "Für den Fehler trage ich die Verantwortung und möchte mich bei allen Beteiligten, dem Sender, den Jurys und Festivals, Kolleginnen und Kollegen, aber vor allem bei den Zuschauerinnen und Zuschauern entschuldigen", so Lehrenkrauss. 

Die Dokumentarfilmmacherin spricht gegenüber den Kollegen der "Zeit" auch darüber, wie es aus ihrer Sicht dazu gekommen ist. Bei einem langen Entstehungsprozess ist es ja unwahrscheinlich, die Kennzeichnung inszenierter Szenen einfach zu vergessen. Gegenüber dem NDR habe sie "öfter erwähnt, dass wir arrangiert haben", so die Autorin. "Ich habe jedoch nie klar ausgesprochen, dass ich mit Laiendarstellerinnen gearbeitet habe. Es wäre aber meine Pflicht gewesen. Ich hatte mich nicht getraut." Mit ihrem heutigen Selbstbewusstsein hätte sie sofort den zuständigen Redakteur im Sender angerufen. Damals habe sie dieses Selbstverständnis aber noch nicht gehabt. 

In dem Interview gibt Lehrenkrauss aber auch dem NDR eine Teilschuld an der ganzen Sache. Der Redakteur habe viele Projekte gehabt und auch selbst gedreht. "Bei ihm war das eher mal so ein Vorbeischauen, so baute sich keine vertraute Atmosphäre auf, in der solche grundsätzlichen Dinge besprochen werden, und ich wollte ihn nicht nerven. Das hätte ich aber müssen." Und auch Sabine Rollberg, Lehrenkrauss’ ehemalige Dozentin, schlägt in dem Interview, an dem sie ebenfalls teilgenommen hat, in diese Kerbe. Einen Debütfilm, wie "Lovemobil" einer war, müsse man als Redakteur "intensiver betreuen", sagt Rollberg. "Ich will der Redaktion keine Schuld zuweisen, aber mich empört, wenn sie einseitig deklariert und keine Verantwortung übernommen wird."

Der NDR distanzierte sich von dem Film, den man als in weiten Teilen als "nicht authentisch" beschrieb. In dem Interview mit der "Zeit" weist Lehrenkrauss darauf hin, dass sie über drei Jahre lang in den Lovemobilen und um sie herum recherchiert und gedreht habe. Die Autorin spricht von einer "Mischform", in der es echte Figuren gebe, aber auch Laiendarstellerinnen mit Erfahrungen in der Szene. "Was sie im Film tun, tun sie entweder auch im echten Leben, oder es entspricht der recherchierten Realität. Die Übergänge sind teilweise fließend." Bei den Darstellerinnen habe es kein Skript gegeben, sie habe aber mit den Frauen über alles gesprochen. "Alles basiert auf Erlebtem und Beobachtetem".

Als sie den Dokumentarfilmpreis gewann, habe sie sich gefreut und gleichzeitig sehr schlecht gefühlt, sagt Lehrenkrauss. "Ich hatte keine Idee, wie ich da jetzt wieder rauskommen sollte, und habe mich irgendwie weiter durchgemogelt." Bei der Aufarbeitung hätte sie gerne geholfen. So habe sie dem Sender in mehrere Mails angeboten, "in Ruhe miteinander zu reden". Vom NDR habe es aber nur eine "freundliche, abschließende Mail" gegeben. Ihre größte Angst sei es nun, keine Filme mehr machen zu können, sagt die Autorin. "Das ist doch mein Leben".

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